Freitag, 2. November 2018

Puccini - Tosca, 01.11.2018

Tolle Opern-Gala vor zu wenig Zuschauern
Es gibt Gründe, wieso man in der vergangenen Saison in der Oper fast 10% oder 14.000 Eintrittskarten weniger verkaufte als in der Saison zuvor. Doch bevor die allgemeine Situation angesprochen wird, erst einige Worte zur gestrigen sehr schön gelungenen Tosca. Zwei spannende Gäste hatte man engagiert, und mit Martina Serafin gab es eine stimmlich und darstellerisch attraktive und ideale Tosca, die keine Wünsche offen ließ. Was für ein aufregender 2. Akt, was für eine intelligente Darstellung, die sich in die Inszenierung einfügte und doch eigene starke Betonungen hatte. Serafins Auftritt war bereits den Besuch wert, doch auch sonst gab es Spannendes zu hören und erfreulich viele Bravos aus dem schlecht gefüllten Zuschauerraum.
Lucio Gallo sang im März 2016 in Karlsruhe bereits die Titelrolle in der unsäglich schlechten Inszenierung von Verdis Macbeth, als Scarpia blieb er darstellerisch zurückhaltend, seine Figur blieb schemenhaft, weder ein Lüstling noch ein Sadist - Gallo interpretierte seine Figur kaum, stimmlich zeigte er im zweiten Akt sein Format, die Auseinandersetzung mit Serafin hatte Klasse. Rodrigo Porras Garulo ist ein sehr guter Cavaradossi, darstellerisch könnte er eine Nuance mehr tun, seine schöne Stimme mit männlichem Timbre ist ein Gewinn für Karlsruhe. Chor, Orchester und Dirigent Johannes Willig trugen ihren Teil zum Erfolg bei. BRAVO!

Das Ende der Opern-Galas?
Kurz nach 11 Uhr analysierte gestern am frühen Mittag eine freundliche Kommentatorin die Situation (@Michele: Vielen lieben Dank für die Mühe!)
  • 11:00 Uhr. Laut Web-Shop sind 472 Plätze noch nicht verkauft. ... Ein Blick in die Preiskategorien ist noch aufschlussreicher: 1. Kategorie: 155 freie Plätze (zu je 117€), 2. Kat.: 188 frei (91,50€), 3.: 115 frei (70,50€), 4.: 14 frei (49,00€), 5.: alles verkauft. Verkaufswert aller nicht verkauften Karten: 44.130,00 €!!! Mal sehen, wie viele "Freikarten"besucher bis Vorstellungsbeginn noch zusammengetrommelt werden können.
Bis zum Abend kamen nicht mehr viele Freikarten und Kartenverkäufe hinzu. Es blieben hunderte Plätze leer und man muß damit rechnen, daß man sich am Badischen Staatstheater die Sinnfrage stellen wird. Operngalas kosten viel Geld, ab wie viel verkauften Plätzen kann man sich Galas noch leisten? Intendant Spuhler hat die Oper jahrelang als Stiefkind behandelt und das Publikum vergrault. Es scheint nicht einfach von alleine wieder zurück zu kommen. Was ist zu tun?

Der Intendant der falschen Wertigkeiten und die dümpelnde Oper
Was Intendant Spuhler der Karlsruher Oper angetan hat, zeigt sich deutlich bei den vier Operngalas, bei denen man massiv Publikum und Abonnenten verloren hat. Weltstars sind zu Gast in Baden-Baden oder in Mannheim, das Badische Staatstheater hat den Anschluß verloren. Jahrelang wollte die Intendanz entweder kein Geld in die Hand nehmen oder hatte kein Händchen für große Namen - Mittelmaß und Langeweile waren vorherrschend. Das hat sich inzwischen wieder gebessert, in dieser Saison hat man bspw. bei den beiden Donizetti-Opern mit Elena Moşuc (Anna Bolena) und Joyce El-Khoury (Elisabetta in Roberto Devereux) Top-Kandidatinnen! Doch den Vertrauensverlust zu korrigieren, wird eine schwere Aufgabe. Es kann gut sein, daß dieses Engagement zu spät kommt und man die Reißleine ziehen wird. Intendant Spuhler geht dann endgültig als der Intendant in die Historie ein, der die Karlsruher Oper an die Wand gefahren hat und aus Erfolglosigkeit ein Abonnement aufgeben muß. Und das bspw. weil ihm volkstheatrales Ringelpietz mit Anfassen und sonstiger, selbstdarstellerischer Mumpitz wichtiger ist als die eigentlich wichtigste und größte Sparte.

Was kann man tun? Die Antwort wird der Intendanz nicht gefallen. Nur Qualität überzeugt langfristig, Offenheit und Ehrlichkeit schaffen Vertrauen. Man könnte die früheren Gala-Abonnenten anschreiben, sich bei ihnen für die jahrelange Vernachlässigung entschuldigen und um neues Vertrauen werben. Intendant Spuhler sollte 2021 seinen Posten zur Verfügung stellen, mit ihm ist kein Erfolg machbar. Verlängerungsgespräche mit dem Verwaltungsrat über 2021 hinaus klingen wie Hohn und Spott auf das Theater, das er für eigene Zwecke instrumentalisiert hat.

4 Kommentare:

  1. Ich fürchte fast, eine Operngala vor halbleerem Haus zu Galapreisen kommt das Haus auch nicht teurer als eine dreiviertelvolle Repertoirevorstellung.

    Das Problem ist doch das Preis-Leistungsverhältnis: 117 Euro für Serafin oder Gallo ? Das sind sicher solide Sänger, "Stars" sind sie nicht. Opernkenner wissen das und kaufen bestenfalls Preiskategorie 4 oder 5 und bei Nicht-Opernkennern ziehen diese Namen einfach nicht.

    Wenn Karlsruhe höhere Auslastungszahlen haben will, dann müssten vor allem die Preise in den teuren Kategorien gesenkt werden. Anstatt zwei "halber Stars" sollte man lieber das Geld in einen "richtigen Star" investieren. Zweifelsohne: Mannheim weiß besser, wie das geht. (Florian Kaspar)

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  2. Vielen Dank Herr Kaspar, nur - wer ist denn ein richtiger Star? So viele Stars mit Bekanntheitsgrad gibt es nicht. Als vor sieben Jahren Olga Peretyatko in der Karlsruher Rigoletto-Gala sang, war sie noch kein Star, am 25.11.18 singt sie nun als Star in Baden-Baden Hoffmanns Erzählungen. Anderes Beispiel: 2013 ein ausverkaufter Gala-Tannhäuser mit Startenor Peter Seiffert, oder im letzten Jahrzehnt José Cura und Ramon Vargas.
    Für mich ist das Gala-Abo kein reines Star-Abo, sondern ein Vertrauens-Abo, ich erwarte, daß ich Sänger erlebe, die ihrer Rolle etwas Besonderes geben. Dieses Vertrauen wurde in den letzten Jahren leichtfertig verspielt, zu viel Mittelmaß, zu viele in die Jahre gekommene Sänger, die Freude am Gala-Abo ging verloren, die Kartenpreise sind dafür zu hoch. Atmosphärisch ist man auf dem absteigenden Ast - viele treue Stammzuschauer kommen nicht mehr, nicht mal mehr die günstigste Preiskategorie ist im Abo ausverkauft. Operndirektorin Braunger wird sich etwas einfallen lassen müssen, Ihre Tipps gehen in die richtige Richtung. Man muß Geld in die Hand nehmen und Vertrauen zurück gewinnen. Das wird dauern, ob man dafür den langen Atem hat, bleibt abzuwarten.

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  3. Für mich ist das Premieren-Abo das Vertrauens-Abo; beim Gala-Abo erwarte ich einen gesanglichen Mehrwert. Und das muss natürlich kein Star sein, aber es schadet freilich nicht, wenn es einer ist.

    Was ist ein richtiger Star ? Gute Frage. Daher hier nur der Versuch einer Antwort: Ein Star ist jemand, der das Haus voll kriegt, der Leute auch jenseits des KVV in die Vorstellung lockt. Sie selber haben Namen ja bereits genannt. Sicher auch Sänger, die bereits einen Plattenvertrag haben. Und natürlich auch Newcomer, die gerade auf dem Sprung nach oben sind wie eben Olga Peretyatko (die 2013 auch die Gilda in Wien Lucia an der Deutschen Oper Berlin oder den Salzburger Festspielen sang.) Frau Serafin und Herr Gallo sind für mich jedenfalls typische Repertoire-Füllmasse an mittelgroßen Häusern: solide, aber letztlich glanzlos und daher selten für Premierenserien gebucht. Und genau von diesem Schlag hat es in den letzten Jahren zu viele Sänger gegeben, das Näschen (bzw. Öhrchen) für Stars kurz vor dem Durchbruch ist Karlsruhe abhanden gekommen. Erschwerend kommt hinzu, dass man die "Stars" nie ans Haus binden konnte - in Mannheim kommen Erwin Schrott oder Michael Volle regelmäßig vorbei. Dort kann man dieses Jahr auch den shooting star Asmik Grigorian und die Vollblutsänger Anja Kampe oder Ludovic Tézier hören.
    (Florian Kaspar)

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  4. Vielen Dank Herr Kaspar für die Ergänzungen und ja, Mannheim hat in der Hinsicht die Nase vorn, das richtige Wort für Karlsruhe haben Sie ebenfalls: glanzlos.

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