Ein Tongemälde als Bildersymphonie
Mit Leoš Janáčeks Tierfabel und Pastorale-Oper Das schlaue Füchslein ist das so eine Sache, die Fabel ist bescheiden, die
Handlung wenig reizvoll, die Sänger haben kaum Gelegenheit sich in Szene zu setzen, nur das Orchester kann auftrumpfen, die orchestralen
Zwischenspiele sind die Höhepunkte. Die Inszenierung am Badischen Staatstheater rückt deshalb das Orchester in den Mittelpunkt, es sitzt zentral erhöht auf dem Orchestergraben und der Bühne, die Handlung spielt im Hintergrund und ist als 85 minütige Bildersymphonie in Form eines Zeichentrickfilm konzipiert. Die Tiere der Oper
werden überwiegend filmisch dargestellt, die Sänger werden in die
Projektion eingefügt. Das Ergebnis ist visuell attraktiv und durchaus authentisch, denn es war ein Comicstrip in einer Zeitung, der den Komponisten zu dieser Oper inspirierte. Die comic-cineastische Umsetzung hat nur einen Haken - der Eindruck einer harmlosen Kinderoper wird dadurch verstärkt.
Clevere Übernahme
Wenn
es so gar nicht gut läuft, braucht man Orientierung und Unterstützung.
Die Karlsruher Intendanz hat sich folglich umgeschaut und eine erfolgreiche amerikanische Produktion eingekauft, die der in
Karlsruhe bekannte Regisseur Yuval Sharon für die Oper in Cleveland auf
die Bühne brachte. Stärker noch als bei Dr. Atomic
(bei dem nur der erste Satz als Comic angelegt war) gelingt es Sharon
hier, einer Oper eine stimmige Prägung zu geben. Im
Oktober 2017 anläßlich einer Aufführung dieser Produktion in Wien, sagte
der Dirigent des Cleveland Orchestras Franz Welser-Möst, daß das, was
Regisseur und das Kreativteam aus
Animationskünstlern, Masken- und Kostümdesignern geschaffen habe, „einer neuen Kunstform” gleichkomme. „Mit
Mitteln des Kinos eine Geschichte zu erzählen und so aus der Musik
heraus zu erzählen, daß man nicht von der Musik abgelenkt wird, sondern
daß einem das Optische die Möglichkeit gibt, in die Musik noch viel
tiefer einzutauchen.“ Das ist etwas zu hoch gegriffen, aber die filmische Unterstützung in der Oper wird man zukünftig zweifellos noch öfters und ausgereifter erleben können.
Gedrängte Präsentation
Die Karlsruher Premiere war im Dezember 2018. In
ca. 6 Monaten hat man 13 Aufführungen über die Bühne gebracht, in der
kommenden Spielzeit folgen noch vier weitere. 17 Vorführungen in
knapp 8 Monaten - das ist schon sehr gedrängt, gerade eine Produktion die
gelungen ist sollte man über einen längeren Zeitraum präsentieren damit
auch all jene Opernfreunde, die gerne ein zweites oder sogar ein drittes
Mal eine Vorführung besuchen, in vernünftigen Zeitabständen die Chancen
haben, ein Werk noch mal zu hören und zu sehen.
Worum geht es?
In drei Akten und neun Bildern wird eine anthropomorphische Fabel über Werden und Vergehen von Menschen und Tieren erzählt. Eine Füchsin wurde vom Förster gefangen und wird sich befreien, doch zuvor wird sie von Kindern gequält, muß sich mit dem Dackel messen und den nervenden Hahn töten. Nachdem sie zurück im Wald den Dachs vertrieben hat, lernt sie ihren Traumfuchs kennen, heiratet ihn und wird ihre Jungen aufziehen. Doch es gibt für die Füchsin kein Happy-End: der Wilderer Háraschta erschießt sie. Der verheiratete Förster hat eine heimliche Geliebte, um die sich auch andere Männer des Dorfes bemühen, doch Háraschta wird das Rennen machen. Zur Hochzeit wird er seiner Braut einen Muff aus Fuchsfell schenken.
Was ist zu beachten?
Nie war die Utopie über die Überwindung der Entfremdung von der Natur
dringlicher als heute, die weltweite Bevölkerungsexplosion als gravierendstes Problem und die
Forderungen nach Wohlstand werden der Natur keinen Platz lassen,
die Folgen der Zivilisation werden nur vor
unwirtlichen Gegenden halt machen, und selbst dort wird sich oft etwas
finden lassen, was man abbauen kann. Selig das Land, dessen Bevölkerung schrumpft, die Technik automatisiert, um weniger
Arbeitskräfte zu benötigen und möglichst stark auf Verwertungskreisläufe
setzen kann. Das schlaue Füchslein ist hierfür die falsche Oper und es ist richtig, daß Sharon nicht Entfremdung thematisiert, sondern stattdessen eine Kinderoper visuell inszeniert, bei der man sich nicht wundern würde, wenn die Biene Maja durchs Bühnenbild fliegen würde.
Was ist zu hören?
Ein Tongemälde in Form musikalischer Naturschilderungen. Die zentral positionierte und gut sichtbare Badische Staatskapelle spielt groß auf und trifft den typischen Janáček-Klang. Das schlaue Füchslein erfordert keine Stars, eine Gala-Besetzung kann man sich bei den vielen kleinen Rollen nicht vorstellen, das Team ist der Star, dennoch konnte man gestern insbesondere Uliana Alexyuk, Dilara Baştar, Andrew Finden, Klaus Schneider und Renatus Meszar hervorheben, die ihren Figur stimmliche Kontur gaben
Fazit: Eine Janáček-Symphonie mit obligatem Gesang - hübsch und harmlos und als Kinderoper für Erwachsene jederzeit empfehlenswert.
Besetzung und Team:
Förster: Andrew Finden
Die Frau Försterin / Eule: Christina Niessen
Mücke / Schulmeister: Klaus Schneider
Dachs / Pfarrer: Nathanaël Tavernier
Füchslein Schlaukopf: Uliana Alexyuk
Fuchs: Dilara Baştar
Harasta (Geflügelhändler): Renatus Meszar
Lapak (Hund des Försters): Luise von Garnier
Der Gastwirt Pasek: Barış Yavuz
Die Gastwirtin / Hahn / Eichelhäher: Tiny Peters
Schopfhenne / Specht: Ilkin Alpay
Pipek / Grille: Cantus Juvenum
Frosch: Cantus Juvenum
Frantik / Grashüpfer: Cantus Juvenum
Das junge Füchslein: Cantus Juvenum
Musikalische Leitung: Dominic Limburg
Chor: Ulrich Wagner
Regie: Yuval Sharon
Einstudierung: Casey Kringlen
Animation: Walter Robot Studios – Bill Barminski & Christopher Louie
Bühne: Manuel Kolip
Kostüme: Ann Closs-Farley
Projektion & Licht: Jason H. Thompson
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.