Mittwoch, 27. Februar 2019

Ellis - How to date a feminist, 26.02.2019

Dünnes Komödchen
Manche Liebe begründet sich nicht im weil, sondern im obwohl. How to date a feminst ist eine romantische Komödie, bei der ein Paar auf harmlose Hindernisse stößt, zweifelt und sich selbst im Weg steht - und das alles vor der Folie eines konstruierten Schubladendenkens, das Stereotype benötigt, um funktionieren zu können. Im Zeitraffer vergehen 18 Monate in 90 Minuten, für Entwicklungen ist keine Zeit: Kennenlernen, Zusammenkommen, Heiratsantrag, Hochzeit, Trennung und Versöhnung. Es geht Schlag auf Schlag, doch ohne Tiefgang, die Figuren bleiben auf der Strecke. Sowohl Text als auch Inszenierung kommen über Ansätze und Klischees nicht hinaus. Es fehlen Zauber, Reiz und Gefühl. Man kocht ein dünnes Komödchen aus üblichen Zutaten, richtet es hübsch an, doch über den faden Geschmack kann man nicht hinwegtäuschen. Die zweite von drei Komödien (Premiere war kurz vor Weihnachten) in Anna Bergmanns Versuch eines humorigen Winter-Specials (na ja, da ist noch deutliches Steigerungspotential)-: löst ebenfalls keine Lachsalven aus und bleibt betulich und flach.
  
Worum geht es?  
How to date a feminist - ein Titel mit diversen Pointen, denn laut Volksmund wird Feministin, wer verklemmt ist, keinen Mann abbekommen hat oder über Beziehungsproblemen verbittert ist. Ein "Date" mit einer Feministin zu haben -also ein verabredetes Treffen mit romantischen bzw. sexuellen Hintergedanken- klingt bereits wie eine spaßbremsende Erfahrung und Verzweiflungstat. Autorin Samantha Ellis (*1975) entwirft eine überraschende Konstellation, denn es geht hier um eine emanzipierte Frau, die sich mit einem männlichen Feministen trifft (und das ist keine Verführungsmasche eines vermeintlichen Frauenverstehers, sondern Ergebnis emanzenmütterlicher Gehirnwäsche, die ihren Sohn frühzeitig zu Schuldgefühlen und Scham erzog). Das Herz hat bekanntlich seine Gründe, die der Verstand nicht kennt. In dem Stück trifft die Journalistin Kate auf den Bäcker Steve, beide Schiffbrüchige in Liebesangelegenheiten. Steve ist ein teigknetendes Sensibelchen, Kate steht auf dominante und ungestüme Männer und Leidenschaft (eine Veranlagung mit literarischem Vorbild, also lieber Heathcliff aus Emily Brontës Roman Sturmhöhe als der stets kontrollierte Mr. Darcy aus Jane Austens Stolz und Vorurteil). (Kates Vorliebe erinnert auch ein wenig an den Satz, den vor einige Zeit eine Kabarettistin  prägte: sie würde lieber von einem perversen Mann entkleidet als von einem homosexuellen Mann bekleidet werden). Das Kennenlernen erfolgt bei einer Kostüm-Party mit Symbolcharakter (sie: Wonder Woman, er: vermeintlicher Gutmensch aka Robin Hood). Beide sind nicht authentisch und verstellen sich, um äußeren Erwartungshaltungen zu entsprechen. Kate will ihren Ex eifersüchtig machen und gerät also an Steve. Dieser ist gefangen in Vorurteilen und Klischees, profiliert sich erst mal als Spießer und belehrt Kate darüber, daß Cupcakes als politisch inkorrektes Gebäck zu gelten haben. Steve wurde von seiner Emanzenmutter geformt, Kate von ihrem traditionellen jüdischen Vater, Pubertät und Selbstfindung scheint an beiden Kindern eher konfliktlos vorübergegangen zu sein, die Eltern wirken in ihnen. How to date a feminst ist also nicht nur eine Liebeskomödie, sondern auch eine Emanzipationsgeschichte. Der seltene Humor entsteht aus den Widersprüchen und Meinungsdifferenzen.
Es gibt  schnell einen Heiratsantrag. (Schade übrigens, daß sich die Rollenkonstellation nicht ändert: die Frau kniet vor dem Mann und bittet um seine Hand - das wäre eine originelle Wendung hin zu weiblichem Selbstbewußtsein und weg von Prinzessinnenallüren). Die Ehe war noch vor wenigen Jahrzehnten als veraltete Institution verrufen, inzwischen ist ihr Stellenwert als starkes Liebesbekenntnis und Prothese für gefühlte Akzeptanz wieder deutlich gestiegen. Steve sieht die Ehe kritisch, der Heiratsantrag wird in seinem Milieu zum Problem. Wer wählt, diskriminiert. Heirat ist aus Sicht der politischen Korrektheit eine Diskriminierung durch Bevorzugung, Chancengleichheit bestand dabei nie, manche Frauen hatten einfach nie eine Chance, akzeptiert zu werden. (Nun kann man in diesem Fall natürlich sagen, daß kein Schaden verursacht wurde, denn keine andere Frau fühlt sich benachteiligt, daß Kuschel-Steve nicht sie erwählt hat (Carina kann man i.d.F. ignorieren), wobei Steve -wenn er denn aus Fleisch und Blut wäre- sich durch diese Unterstellung diskriminiert fühlen könnte. Was mal wieder zeigt, daß "Diskriminierung" so weit verbreitet ist, daß der Vorwurf absolut gar nichts erklärt und in der Regel nur als diffamierende Unterstellung gemeint ist). Steves Einleitung zum wahrscheinlich unromantischsten Hochzeitsantrag der Theaterliteratur klingt wie Spott auf totalitäre Sippenhaft, ist aber erschreckenderweise ernst gemeint und beruht auf einer Idee seiner Mutter: "Bevor du etwas sagst, will ich mich entschuldigen. Ich will mich entschuldigen für das Patriarchat." (Das "Patriarchat" ist die moderne Version des "Finanzjudentums", ein abstraktes Feindbild, das durch Entindividualisierung im Kollektiv bzw. die identitäre Beschränkung des Individuums auf vermeintliche Gruppenzugehörigkeit, dem Zweck dient, Schuld auf Sündenböcke abzuwälzen. Diese Form von Feminismus funktioniert nur über Feindbilder, historische Rollenkonstellationen werden als Klischees diffamiert, um eigene Stereotype als neue Konstellationen durchzusetzen).
Die erste Hochzeit platzt noch während der Feier, nach einer Meinungsverschiedenheit läßt Steve Kate sitzen. Kates Vater und Steves Mutter haben bei der Hochzeit eine Affäre. Steve kehrt zu seiner Ex zurück und muß von Kate neu erobert werden, als diese sich über ihre Gefühle im Klaren ist. Eine schnelle Versöhnung und das obligate Happy-End folgen. Doch überzeugt dürfte von diesem Paar kaum jemand sein. Wenn die Liebe bereits zu Beginn Risse und Sprünge aufweist, scheint es nur eine Frage der Zeit bis sie zerbröckelt.
  
Abschweifung: Journalistin liebt Bäcker? Wieso Kate selten Steve liebt.

Daß Frauen statistisch betrachtet weniger verdienen, deutlich weniger Leitungspositionen bekleiden und sich zumeist noch um die gemeinsamen Kinder kümmern, ist weder eine Frage der Geschlechtergerechtigkeit noch durch eine Strukturdebatte über die Verteilung von Macht in unserer Gesellschaft zu lösen. Wer How to date a feminst soziologisch unter die Lupe nehmen wollte, dem würde auffallen, daß die Beziehung zwischen einer Journalistin und einem Bäcker nicht typisch ist, ein soziales Gefälle wäre wahrscheinlich, die höher qualifizierte und besser verdienende Kate würde in der Regel nicht zum schlechter verdienenden Steve finden. Ein Grundproblem des Feminismus liegt darin begründet, daß Frauen durch Einkommen und Status nicht attraktiver werden. Männer konkurrieren öfters um Frauen als umgekehrt, sie lieben und heiraten auch nach unten. Frauen stehen sich selbst im Weg. Noch immer gilt, daß die Männer attraktiv sind, die ein gutes Einkommen und Status haben. Nur wenige Frauen wählen Partner unter ihrem Niveau. Frauen sind in der Hinsicht evolutionsbiologisch geprägt, zumindest verhalten sie sich so, wie es die Verhaltensbiologie vorhersagt: ihre natürliche Geschlechterrolle als Mutter läßt sie einen Beschützer und Versorger suchen. Männer ohne Einkommen, Bildung und Status sind die Verlierer auf dem Partnermarkt, Frauen aus diesem Umfeld haben im Vergleich viel bessere Chancen auf ein Liebesleben.
Obwohl das Schulsystem inzwischen so konzipiert ist, daß Mädchen bevorzugt und Jungs schlechter gefördert werden, ist Karriere und Status weiterhin für viele Frauen nicht erste Priorität. Wer sich Führungspersonen vorstellt, erwartet in der Regel immer noch einen Mann, denn Frauen lehnen Leitungsposition öfters ab und bemühen sich seltener darum; Viele (übrigens inzwischen sehr oft weiblich geprägte) Personalabteilungen können davon ein Lied singen, daß Karrieredenken bei Frauen seltener an erster Stelle steht. Daß Frauen weniger Führungspositionen, weniger Macht und Einkommen haben, liegt nicht an einer patriarchalischen Verschwörung, sondern daran, daß deutlich weniger Frauen als Männer Karrieremachen als Selbstverwirklichung definieren und die Doppelbelastung als Mutter und Karrieristin nicht jede beglückt, denn die Zeitspanne für Familienplanung ist bei Frauen eng begrenzt.
Trotz bevorzugter Förderung interessieren sich Mädchen immer noch nur wenig für die MINT-Studienfächer, die später finanziell besonders lukrativ sind. Studien belegen inzwischen, daß es ihnen an "Interesse und Begeisterung fehlt". "Vielleicht liegt es einfach in der Natur der Dinge, daß Frauen andere Präferenzen haben als Männer", resümiert DIE ZEIT (aktuelle Forschungsergebnisse dazu finden sich hier. Solche wissenschaftliche Studien sind der Alptraum jeder Gender-Unwissenschaft, die man als Nachfolger der Rassen-Unlehren vom Beginn des 20. Jahrhunderts betrachten kann. Man weiß vorab, welches ideologisch opportune Aussage man belegen will und baut sich darum ein möglichst großes theoretisches Schutzgebäude, daß den Anschein vermitteln soll, die anfängliche Hypothese ist das Ergebnis von Forschung). Der Mangel an Frauen in Führungspositionen hat also statistisch naheliegende Gründe, die behauptete Lohnlücke gibt es nicht, wie Studien (bspw. hier) zeigen, sondern ist statistisches Ergebnis individueller Präferenzen. Der moderne Feminismus benötigt paranoid wirkende Verschwörungstheorien mit pauschalen Feindbildern, die moderne Wissenschaft entwirft hingegen vielschichtigere Analysen. Und noch eine wichtige Erkenntnis zum tatsachenverdrehenden Feminismus und Genderleere: "Wenn der Zweck die Mittel heiligt, dann ist der Zweck unheilig" (Karl Marx).
  
Was ist zu sehen?
Regisseurin Jenny Regnet inszeniert intelligent und holt das Wenige heraus, das im Text steckt. Sie stellt die Konstruktion des Schubladendenkens und die Künstlichkeit ideologischer Ansichten in den Mittelpunkt ihrer Inszenierung: Alles ist plakativ und stereotyp (ein wenige wirkt die Geschichte wie ein modernisierter Abklatsch des Films My Big Fat Greek Wedding). Zwei Schauspieler spielen sechs Rollen. Lucie Emons spielt Kate, Steves Mutter sowie dessen Exfreundin Carina, Tom Gramenz ist Steve, Kates Vater und ihr Exfreund Ross. Beide Darsteller müssen also diametral unterschiedliche Charaktere mimen und das gelingt vor allem Emons bravourös, sie sorgt für schüchtere Augenaufschläge und ein wenig Prickeln in dieser unsinnlichen Beziehung. Wie Kate und Steve gegenseitig den Platz unter den Daseinsfreuden einnehmen wollen, ist bestenfalls angedeutet. Nur unter der Lupe konzentriert scheint sich genug Sonnenwärme als Liebe zu bündeln. Kate und Steve sollen beide Anfang 30 sein, emotional sind sie eher frühadoleszent ein Jahrzehnt jünger, die Regie läßt sie zu Beginn unsicher und als schwache Charaktere agieren, die von ihren Eltern und den Meinungen Dritter abhängen und zu Beginn ihre Sätze wie Weisheiten und Schlüsselsätze zum Daranfesthalten artikulieren. Die Eltern machen die Beziehung nicht einfacher, der neue Partner des Kinds stößt auf Mißtrauen. Beide sind als Karikatur angelegt: die Mutter wird durch übergroßen Strickpullover gekennzeichnet, der Vater ist ein Karton mit Brusthaar. Inszenierungsideen sind vorhanden und doch fehlt das Liebevolle und Prickelnde.
Eine Studie hat kürzlich nachgewiesen, daß Männer, die Lust auf Sex haben, auch Lust auf den Verzehr von Fleisch haben, das zentrale Bühnenelement wirkt in dieser Hinsicht fast wie ein Besänftigungsversuch: ein grüner Teppich mit Salat- und Gemüsemuster steht für geschwächte Libido und konformistischen Zwang.

Fazit: Eine brave und betuliche Liebeskomödie ohne Biß und Rasanz, leicht verdaulich und ohne Erinnerungsnährwert, abgesehen von der charmanten Lucie Emons.

Besetzung und Team:
Kate / Carina / Morag: Lucie Emons
Steve / Ross / Joe: Tom Gramenz

Regie: Jenny Regnet
Bühne: Anne Horny
Kostüme: Jamil Sumiri