Das 4. Symphoniekonzert hätte programmatisch in die Fastenzeit nach Fasching gepaßt, denn beide Stücke handeln vom Tod; dennoch ging es nicht depressiv oder seelisch am Boden zerstört zur Sache und das lag an motivierten und engagierten Musikern und Sängern.
Henri Dutilleux (*1916 †2013) hat sehr wenige Werke hinterlassen und wurde nicht zum ersten Mal von Justin Brown ins Konzertprogramm genommen. The Shadows of Time (1997) ist ein fünfsätziges, ca. 20minütiges Werk, dessen Mittelsatz Mémoire des ombres drei Kinderstimmen benötigt. Die Schatten der Zeit bergen nichts Tröstliches, die Zeit verfließt, die Musik begehrt spröde auf und ist teilweise angriffslustig und widerwillig. Die rätselhaften Satzbezeichnungen geben kaum Hinweise: 1. Les heures (Die Stunden), 2. Ariel maléfique (Böser Ariel) , 3. Vagues de lumière (Lichtwellen) , 4. Mémoire des ombres (Gedächtnis der Schatten), 5. Dominante bleue? (Blaue Dominante?). Das ist nicht ohne Reiz, farbig instrumentiert, doch ohne jede
Binnenspannung, es klingt und es verklingt, Minuten danach
verblaßt bereits die Erinnerung daran. Kann man das emotional gemäßigt
antipartizipative Musik nennen?
Ein Deutsches Requiem ist keine Totenfeier, sondern ein siebensätziges, ca. 70minütiges episches Memento Mori für die Lebenden. Johannes Brahms war bibelfest, er wählte selber die Worte aus der Heiligen Schrift aus, sein Werk könnte man mit einem von Brahms nicht verwendeten Satz aus dem 90. Psalm zusammenfassen: „Lehre uns bedenken, daß wir sterben müssen, auf daß wir klug werden.“ Wie religiös dies gemeint ist, darüber läßt sich spekulieren. Bekannt ist der Ausspruch des Brahms-Bewunderers Antonín Dvořák: "Ein solcher Mensch! Eine solche Seele! Und er glaubt an nichts." Kein Glaube, stattdessen aber viel Hoffnung und Optimismus - eine undogmatische, protestantisch gedachte, aber nicht kirchennahe Komposition, die gestern sehr schön gelang. Dirigent Kevin John Edusei -einer der Kandidaten für die Nachfolge Justin Browns (mehr dazu auch hier)- zeigte eine souveräne und schnörkellose Leistung, das Konzert der Badischen Staatskapelle wirkte wie aus einem Guß, vor allem bei Brahms überzeugten kluge Tempi und spannende Steigerungen. Edusei profitierte von einem wunderbaren Badischen Staatsopernchor und der Verstärkung durch den Cantus Juvenum e.V., die zusammen (ca. 90 Sänger) eindringlich und engagiert Brahms' Requiem mit Leben füllten. Agnieszka Tomaszewska sang stimmschön über Traurigkeit und Trost und der stets großartig singende Armin Kolarczyk artikulierte intelligent die Textstellen des 38. Psalms und des Korintherbriefs. Ein wirkungsvolles, emotional partizipatives Brahms-Requiem - BRAVO!
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.