Gerade am Badischen Staatstheater sollte der Blick viel öfters in Richtung Frankreich gehen und französische Autoren und Komponisten in den Spielplan integriert werden. Peter Sloterdijk beschrieb das Verhältnis zum Nachbarland als "gegenseitige wohlwollende Nichtbeachtung", es wird wieder Zeit für mehr Beachtung. Die Händel-Festspiel sind in Karlsruhe ein überregionales Ereignis, das stets auch französische Zuschauer anlockt, mit dem renommierten Dirigenten Hervé Niquet hat man nun französischen Barock mit Händel kombiniert.
Von Marc-Antoine Charpentier hätte man auch das komplette Te Deum spielen können, wie bereits bei einem Konzert Niquets in Baden-Baden (mehr hier) spielte man das bekannte Präludium, das seit 1954 als Eurovisions-Melodie dient, als letztes Stück der Märsche für 2 Trompeten und Orchester. Niquet macht daraus aber keine majestätisch pomphaften Zier- und Triumphmärsche, sondern freudvolle und temporeiche Tänze, die von guter Laune erfüllt sind.
Die Oper Sémélé (1709) von Marin Marais blieb fast 300 Jahre unerhört, bevor sie 2007 von Hervé Niquet zum ersten Mal wieder aufgeführt wurde. Was für wunderschöne, farbenreiche Musik! Die Suite de danses und die bemerkenswert originelle Chaconne machten unmittelbar Lust auf mehr.
Schwerpunkt war allerdings Händel, die drei Concerto a due cori wurden bei Aufführungen von Oratorien als Pausenfüller gespielt. Händel kombinierte Lieblingsstücke und Melodien aus früheren Werken zu neuer Form, barocke Klangpracht mit virtuosen Passagen, groß besetzt durch Oboen, Fagott und Hörner - ideale Stücke für die groß aufspielenden Deutschen Händel-Solisten, die laut Festspielleiter Fichtenholz von Alcina-Dirigent Andreas Spering als die "Berliner Philharmoniker" der historischen Aufführungspraxis geadelt wurden. Hervé Niquet dirigiert oft nicht nur, sondern schaut auch ins Publikum, gibt ihm Zeichen bei besonderen Momenten und versucht mit dem Publikum zu interagieren - ein Dirigent, bei dem die Musik und seine Freude an der Musik sichtbar den Dirigierstil beeinflußen. Man darf gespannt sein, ob man ihn nicht in wenigen Jahren als Operndirigent bei den Händel-Festspielen erleben kann, Floridante oder Sosarme/Fernando könnten ihm liegen.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.