Sonntag, 24. März 2019

Donzetti - Roberto Devereux, 23.03.2019

Bravo! Bereits in der letzten Saison war Donizettis Anna Bolena ein schöner Erfolg für die Karlsruher Oper, die gestrige Premiere von Roberto Devereux übertraf sogar noch die Vorjahresproduktion und wurde ein in jeder Hinsicht überzeugender Leistungsbeweis von allen  Beteiligten, der mit viel Applaus und Bravos belohnt wurde.

Warum geht es?
Historische Figuren in einer frei erfundenen Vierecksgeschichte. London um 1600.
Vorgeschichte: Roberto Devereux und Sara lieben sich heimlich, doch nach dem Tod ihres Vaters wurde während Devereuxs Abwesenheit Sara von der Königin Elisabeth I. mit Robertos Freund Nottingham verheiratet. Devereux ist ein Günstling der Königin. Einst gab sie ihm für seine Verdienste in Staatsdiensten einen Ring als Pfand, der ihn aus einer Gefahr erretten soll, wenn er ihn der Königin zurückgeben sollte. Um Gerüchte über ihre Liebe zu Devereux zu vermeiden, schickte die Königin ihn auf eine Auslandsmission, bei der er eigenmächtig gegen die Interessen Englands handelte und nach London zurückbeordert wurde, um sich einer Jury zu stellen. Von Saras Ehe mit Nottingham wird er erst noch Kenntnis erlangen.

Handlung: Elisabetta erzählt ihrer Hofdame Sara von ihrer Zuneigung zu Devereux. Sara wird eifersüchtig. Die Ratsversammlung will Devereux wegen Verrats anklagen, ein Todesurteil droht. Die Königin will ihren Günstling beschützen. Im Gespräch mit ihr ist sich Devereux keines Fehlverhaltens bewußt und beschwert sich vielmehr über das Verfahren. Elisabetta, die hoffte, daß Roberto sie um ihren Schutz bitten würde, ist mißtrauisch, sie spürt, daß es eine andere Frau in seinem Leben gibt und wird eifersüchtig. Nottingham erzählt Devereux von seiner Eifersucht und unglücklichen Ehe mit Sara. Roberto ist ebenfalls eifersüchtig und macht Sara Vorwürfe, doch beide versöhnen sich und finden zueinander. Er schenkt Sara den Ring Elisabeths als Liebespfand, sie schenkt ihm ein von ihr besticktes Taschentuch, das beiden zum Verhängnis wird. Devereux wird zum Tode verurteilt und verhaftet. Elisabetta erkennt in Saras Taschentuch ein Liebespfand und damit den Beleg einer heimlichen Liebe. Nottingham, der sich für seinen Freund einsetzen will, erkennt das Tuch, schweigt  und nimmt damit Rache für die Untreue. Devereux weigert sich, den Namen seiner Geliebten der Königin zu nennen. Die Königin unterzeichnet das Todesurteil.
Devereux schreibt Sara einen Brief und bittet sie, den Ring der Königin zurück zu geben, um damit sein Leben zu retten. Doch Nottingham hält sie zurück,  Sara kommt zu spät. Als sie die Königin über die Umstände aufgeklärt hat, will diese die Hinrichtung stoppen, doch Roberto ist schon tot. Elisabetta verzweifelt und dankt ab.

Historisches
Elisabeth I. (*1533 †1603, Königin ab 1558) war über 30 Jahre älter als Robert Devereux (*1565 †1601), der als 2. Earl of Essex im Alter von 35 Jahren im Tower geköpft wurde. Der einstige Günstling der Königin stand erst 10 Monate unter Arrest und scheiterte dann  mit einem schlecht vorbereiteten Staatsstreich. Er wurde wegen Hochverrats zum Tode verurteilt.

Was ist zu sehen?
Eine klassische Ausstattungsoper - Elisabeth I. ist Elisabeth I.. Es gibt schöne, sehr aufwändige Kostüme, Tudor-Ambiente und ein überzeugendes Bühnenbild - szenisch gelingt diese Produktion und versetzt die Zuschauer ins elisabethanische Zeitalter zurück. Mittels der Drehbühne werden die Räume gewechselt: königliches Schlafgemach, Regierungssaal, Nottinghams Heim und Kerker. Beleuchtungsmeister Rico Gerstner schafft stimmiges dichtes Licht. Elisabetta trägt "hochwertige Roben, die entweder ihre Macht oder ihre Jugendlichkeit betonen. Je nach Anlaß, ob Urteilsverkündung oder Flirt, trägt sie eine andere Maske. Die Kostüme helfen ihr, Rollen an- oder abzulegen". Regisseur Harry Fehr behält den Altersunterschied bei: "Die wahre Elisabeth sehen wir jedoch schon zu Beginn als gealterte Frau, die versucht, mit Perücke und Make-Up eine Frau zu sein, die sie nicht mehr ist, die die Jugend braucht, Roberto braucht, um sich lebendig zu fühlen und sich dadurch mehr und mehr von sich selbst entfernt. Die Liebe zu Roberto ist wie eine Verjüngungskur." Altersunterschiede prägen die Inszenierung: Elisabetta und Nottingham sind ähnlich alt, Sara und Roberto ähnlich jung. Sara ist in dieser Inszenierung schwanger, Nottingham ist für Devereux wie eine Vaterfigur. Die Konflikte treten plastisch hervor. Im Zentrum steht die launische englische Königin, die in dieser Oper Extreme durchlebt. Der Regisseur erläutert: "Elisabeth geht es von Anfang bis Ende nur um die Liebe. Es ist ihr egal, ob Roberto des Hochverrats schuldig ist oder nicht. Sie will nur, daß er zu ihr zurückkehrt – und zwar aus Liebe. Das läßt sie fast zwanghaft erscheinen oder mindestens fokussiert. Es ist der Beginn ihres Untergangs. Sie läßt keine andere Meinung zu und verfolgt nur noch ihre fixe Idee. Ihre Agenda ist: Liebe, vielleicht wahnhafte Liebe. ... Wie endet Elisabeth als Königin und Frau? Für mich ist das ein pathologischer Fall. Elisabeth wird verrückt, krank. Sie halluziniert, sieht Dinge, die nicht real sind. Wir versuchen eine Frau zu zeigen, die sich von Beginn an auf einem schmalen Grad bewegt und extreme Gefühlszustände durchlebt. Mal ist sie wahnsinnig glücklich, mal unglaublich verzweifelt."  Das Resultat ist sehenswert - eine inszenatorisch und optisch sehr schöne und gelungene Umsetzung, die auffällt ohne je von Gesang und Musik abzulenken.
  
Was ist zu hören?
Nicht viele Opernhäuser trauen sich an Donizettis Roberto Devereux. Das mag daran liegen, daß Anna Bolena und Maria Stuarda beliebter und gefälliger sind, denn in Roberto Devereux ist keine der vier Hauptfiguren ein eindeutiger Sympathieträger. Es gibt wunderbare dramatisch intensive Szenen in Form von Arien, Duetten und einem aufregenden Terzett im zweiten Akt, doch eine gewisse Distanz und Kälte liegen über der Konstellation und die will nicht recht zu Herzen gehen.  
Ina Schlingensiepen ist als starke Darstellerin bekannt, sie singt und spielt die zwiegespaltene Königin Elisabeth mit vollem Einsatz. Eine Rolle, die ihr liegt! Ihre Königin ist fragil und labil, verzweifelt auf der Suche nach etwas persönlichem Glück im kalten Herrschaftsalltag. Leidenschaftliche Ausbrüche und wunderbare leise Töne zwischen Hoffnung, Zerrissenheit und Verzweiflung. Man nimmt Schlingensiepen ihre Interpretation jederzeit ab - ein Erfolg und Triumph, der Bestand hat. Brava!
Eleazar Rodriguez verleiht Roberto Devereux darstellerisch die notwendige Selbstgefälligkeit und stimmlich den notwendigen Schmelz, um seiner Figur Attraktivität zu verleihen. Wie er am Ende noch mal seine Runde über die Drehbühne durch alle Bühnenbilder hindurch dreht, bevor er zum Schafott geht, gehört zu den szenisch und stimmlich eindrücklichsten Szenen. Jennifer Feinstein kann als leidenschaftliche Sara die dramatischen Qualitäten ihrer Stimme ins Rampenlicht stellen. Als Herzog von Nottingham ist Armin Kolarczyk grandios präsent, stimmschön und souverän. (Es gibt Gerüchte, daß Kolarczyk in der kommenden Spielzeit Alban Bergs Wozzeck in Karlsruhe singen wird - eine spannende Konstellation, wenn sie stimmen sollte). Tadellos die Nebenrollen (Lord Cecil: Klaus Schneider, Sir Gualtiero Raleigh: Yang Xu) und der Chor. Daniele Squeo und die Badische Staatskapelle zeigten bereits bei der großartig gelungen Ouvertüre, wohin die musikalische Reise geht. Squeo hat für Belcanto bisher stets exaktes Verständnis und Könnerschaft gezeigt und macht erneut Donizetti zum Genuß.

Fazit: Eine in jeder Hinsicht sehr schöne Produktion. Bravo an alle! Regisseur Harry Fehr sollte man bald wieder unter Vertrag nehmen.

PS(1): Es geht eigentlich kein Weg daran vorbei. Wenn in der Spielzeit 2019/20 nicht Donizettis Maria Stuarda folgen sollte, hätte die Karlsruher Oper mal wieder seine Planungen nicht durchdacht. Und wenn man clever ist, dann darf sich das Publikum auf eine Tudor-Trilogie als Zyklus freuen - eine Spielzeit mit Anna Bolena, Maria Stuarda und Roberto Devereux!

PS(2):
Roberto Devereux wird am 04.05.19 mit der Joyce El-Khoury als Elisabeth I. aufgeführt. Die junge Sopranistin gilt als kommender Star - eine weitere sehr gute Verpflichtung der Karlsruher Oper in dieser Saison.
   
Besetzung und Team
Roberto Devereux, Graf von Essex: Eleazar Rodriguez
Elisabeth I., Königin von England: Ina Schlingensiepen      
Herzog von Nottingham: Armin Kolarczyk
Sara, seine Frau: Jennifer Feinstein
Lord Cecil: Klaus Schneider
Sir Gualtiero Raleigh: Yang Xu
Ein Diener Nottinghams: Barış Yavuz
Ein Lord: Dmitrijus Polesciukas

Musikalische Leitung: Daniele Squeo
Chorleitung: Ulrich Wagner

Regie: Harry Fehr
Bühne: Yannis Thavoris
Kostüme: Mark Bouman
Licht: Rico Gerstner

2 Kommentare:

  1. Ich teile die Begeisterung über diese rundum gelungene Produktion und auch den Appell, Regisseur Harry Fehr bald wieder unter Vertrag zu nehmen. Eine weitere Verpflichtung von Herrn Fehr dürfte aber wohl am Intendanten scheitern. Dem Vernehmen nach hatte sich der Intendant (als einziger mit Änderungsforderungen) in die Probenarbeit massiv einzubringen versucht und sei dann der umjubelten Premiere als "beleidigte Leberwurst" ferngeblieben und seinem jungen Theater zum Gastspiel nach Pakistan nachgereist. Oder hat ihn irgendjemand während oder nach der Premiere im Haus gesehen?

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  2. Vielen Dank für die Info. Den Intendanten habe ich am Samstag nicht gesehen. Alles andere klingt für mich nicht überraschend, in den letzten Jahren hörte man ähnliche Aussagen über Einmischungen und Belehrungen. Es gilt meines Erachtens die Faustregel: Erfolgreich ist das Badische Staatstheater dann, wenn sich die Intendanz in den Sparten weder einbringt noch einmischt.

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