Dienstag, 29. Dezember 2015

Rokokotheater Schwetzingen: Vinci/Händel - Didone abbandonata, 28.12.2015

Als Fan der Barock-Oper muß man das Heidelberger Theater und sein Programm "Winter in Schwetzingen"  (der dieses Jahr zum 10. Mal stattfindet) einfach mögen: Das schöne kleine Schwetzinger Rokokotheater ist der passende Ort für diese Opern. Heidelberg hat im Rahmen seiner Programmlinie der neapolitanischen Opernschule Raritäten von Alessandro Scarlatti (Marco Attilio Regolo, 2011), Nicola Porpora (Polifemo, 2012), Tommaso Traetta (Ifigenia in Tauride, 2013) und Niccolò Jommelli (Fetonte, 2014) gezeigt. Dieses Jahr folgt nun der Komponist Leonardo Vinci in einer Bearbeitung von Händel.
Librettist Pietro Metastasio erschuf mit Didone abbandonata eines seiner beliebtesten Werke, das bemerkenswerterweise ohne lieto fine schließt: Äneas zieht weiter, Karthago wird zerstört, die zurückgelassene Dido stirbt. Über 60 mal wurde das Libretto vertont, zum ersten mal 1724 von Domenico Sarro, gefolgt von Tommaso Albinoni, Nicola Porpora und Vinci, dessen Version bereits im Januar 1726 in Rom uraufgeführt wurde. Händel arrangierte Vincis Oper 1737 als Pasticcio für Aufführungen in London: er behielt die Ouvertüre und eine Sinfonia (in Schwetzingen gestrichen), kürzte und strich Arien und Rezitative, veränderte die Reihenfolge und ergänzte sieben Arien von anderen Komponisten (Vivaldi, Hasse, Geminiano Giacomelli sowie eines Unbekannten). Für die Heidelberger Inszenierung wurden weiterhin einige Dacapos, Rezitative und eine Arie gestrichen, die Handlung erscheint aufs Nötigste reduziert. Didone abbandonata benötigt nur noch etwas mehr als zwei Stunden reine Spieldauer. Das Ergebnis kann sich (dennoch oder deshalb - je nach Standpunkt) hören lassen: Karthago geht für den Zuhörer schmissig und gut gelaunt unter. Da die ergänzenden Arien überwiegend Bravourstücke sind, die die Sänger im besten Licht erscheinen lassen sollten, erhält man kaum den Eindruck dramaturgischer Folgerichtigkeit. Viele unpersönliche Gleichnisarien lassen dazu selbst für eine Barockoper ungewöhnlich wenig Charakterisierung zu. Wo man bei der tragischen Wahl Äneas' zwischen Pflicht und Liebe und dem verzweifelten Ende Didos große Lamenti und todernste Konflikte erwartet, hört man stattdessen überwiegen rasche und und thematisch zu unbeteiligte Koloraturarien. Das Pasticcio erweckt nicht den Eindruck, einer Liebestragödie zu folgen, sondern eher einer flotten und durch Virtuosität musikalisch verminderten Enttäuschungsgeschichte. Die Musik ist also alles andere als unglücksdurchdrungen: die virtuosen Arien erzeugen Freude und gute Laune beim Zuhören. Bemerkenswert abrupt endet Vincis Oper: wer eine große Arie der Dido erwartet (und dabei vielleicht auch Berlioz' Trojaner im Ohr hat), wird erneut überrascht: ein emotionaler Ausbruch, die Ankündigung des Untergangs und ihres Tods - und dann fällt der Vorhang unvermittelt.
     
Zu sehen ist eine Einheitsbühne - ein fast leerer lehmfarben-beiger Innenraum, in dem die Regisseurin Yona Kim die Handling konventionell arrangiert. Sie erzählt dabei nur sparsam und reduziert, die Figuren werden symbolisch in Beziehung gesetzt: wer singt, drückt meistens gegenüber anderen auf der Bühne anwesenden Personen seine Stimmungen aus, oft fuchtelt man mit Messer und Schwert, um zu drohen oder zeigen, wen man gerne aus dem Weg räumen wollte, aber es passiert fast nichts - der Regie gelingt es nicht, hinter die Fassade blicken zu lassen, Facetten und Brüche aufzudecken. Das schablonenhafte Pasticcio bleibt szenisch und psychologisch eindimensional und erzeugt keine Spannung, das Bühnengeschehen stört aber auch kaum beim Zuhören. Im Orchestergraben sitzt kein auf alte Musik spezialisiertes Ensemble, sondern Musiker des Philharmonischen Orchesters Heidelberg. In den vergangenen Jahren war dies immer wieder ein Manko, gerade auch, weil man im benachbarten Karlsruhe die renommierten Händel Festspiele und im Festspielhaus Baden-Baden hochkarätige Ensemble zu hören bekommt. Dieses Jahr gelingt die Aufführung bemerkenswert gut, die 19 Musiker unter der Leitung von Gerd Amelung spielen engagiert, dynamische flexibel und sind im Klang näher an Originalklang-Gruppierungen gerückt. Und auch sängerisch ist man auf hohem Niveau, vor allem die drei Hauptfiguren sind mit sehr guten Stimmen besetzt, die sich auch an größeren Häusern hören lassen können: Rinnat Moriah als Dido sowie die beiden Countertenöre Kangmin Justin Kim als Aeneas und Terry Wey als Jarba hinterlassen einen ausdrucksstarken und koloratursicheren Eindruck. Ergänzt werden sie in den kleineren Rollen solide durch Elisabeth Auerbach als Selene, Namwon Huh als Araspe und Polina Artsis als Osmida.
 
Fazit: Eine hörenswerte Arien-Hitparade in zu schablonenhaft inszeniertem Operngewand.


PS: Diese Inszenierung wird 2016 bei den Händel Festspielen in Halle in Bad Lauchstädt aufgeführt

Team und Besetzung:
Didone: Rinnat Moriah
Enea: Kangmin Justin Kim
Jarba: Terry Wey
Selene: Elisabeth Auerbach
Araspe: Namwon Huh
Osmida: Polina Artsis

Philharmonisches Orchester Heidelberg
Musikalische Leitung: Gerd Amelung
Regie: Yona Kim
Bühne und Kostüme: Hugo Holger Schneider, Margrit Flagner

4 Kommentare:

  1. Guten Tag, möchte sie auf die SWR 2 Kulturkarte aufmerksam machen, sie kann kostenlos bezogen werden. gibt auf viele Veranstaltungen Prozente zB im Festspielhaus 25%, jedoch muss man im Festspielhaus direkt beim Festspielhaus die Karten beziehen, nicht an Vorverkaufsstellen.

    http://www.swr.de/swr2/kulturservice/kultur-erleben/-/id=661404/did=11892480/nid=661404/kxged3/index.html

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  2. zur Ihrer Info

    http://www.salzburg.com/nachrichten/dossier/fluechtlinge/sn/artikel/intendant-peymann-theater-mit-fluechtlingen-ist-abgeschmackt-178757/

    Guten Rutsch und viiiiiiel Gesundheit

    Gruß Klaus

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    1. Vielen Dank. Die Aussage stammt übrigens aus einem Interview der ZEIT:

      http://www.zeit.de/2016/01/claus-peymann-fluechtlinge-deutschland-europa-jahresrueckblick/komplettansicht

      Ihnen ein gesundes und zufriedenes 2016!

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