Donnerstag, 18. Juni 2015

Rückblick (1): Zwischen Unruhe und Krise

Es ist noch nicht mal Halbzeit, gerade erst neigt sich das vierte der zehn Dienstjahre der Intendanz Peter Spuhlers dem Ende zu und doch warten bereits einige auf den Wechsel und wünschen sich einen Nachfolger. Wie konnten die ersten Jahre so schief laufen, daß der Karlsruher Oberbürgermeister Mentrup sich gezwungen sah, einen Vermittler schicken zu müssen und auch selber dazu beitragen möchte, um die Konfrontation zwischen dem Badischen Staatstheater und seinem Generalintendanten zu deeskalieren? Und auch das aufmerksame Publikum kam in den letzten Jahren nicht umhin, sich über einige Maßnahmen und Entscheidungen zu wundern und wiederholt mangelnde Qualität und Kontinuität anzumahnen.
     
Verwaltungsdirektor Obermeier bleibt weiter im Amt
Durch den Versuch von Ministerin Bauer und Generalintendant Spuhler, sich des Verwaltungsdirektors Michael Obermeier zu entledigen (mehr dazu hier) kam es im März/April zum Eklat. Inzwischen ist der Vorgang gestoppt: Bauer soll willkürlich gehandelt, die notwendigen Instanzen übergangen und eigenmächtig versucht haben, die Kompetenzen des Verwaltunsgdirektors zu beschneiden. Jetzt muß der Vorgang wohl komplett neu aufgerollt werden - die Chancen, daß Herr Obermeier noch einige Zeit seinen Posten behält, scheinen gut. Das Manöver erscheint taktisch unklug und unüberlegt, willkürlich und ohne rechtliche Basis - für die Ministerin und den Intendanten beiderseits ein Desaster und eine Niederlage, die sie selber zu verantworten haben.

Der falsche General? 
Der General in Generalintendant wirkt heute seltsam aus der Zeit. Militärische Hierarchien und Gefolgschaft gegenüber einer obersten Instanz sind als Führungsmodell schon lange nicht mehr zeitgemäß. Viele Jahrzehnte fiel diese sprachliche Schöpfung am Badischen Staatstheater nicht auf, da sie so in der Regel allem Anschein nach nicht zu offensichtlich gelebt wurde. Seitdem Peter Spuhler das Ruder übernahm, gab es eine im dem Ausmaß unerwartete Unzufriedenheit. In der Folge der Affäre um die versuchte Abschiebung des Verwaltungsdirektors, kamen Beschwerden ans Licht, bspw. Überstunden, um den überhitzten, mehr auf Masse denn auf Klasse schielenden Betrieb aufrecht zu erhalten (die Anzahl der Vorstellungen wurde drastisch erhöht - 2011/12: 786 Aufführungen, 2012/13: 883, 2013/14: 985 mit der Folge, daß die Zuschauerzahlen zwar etwas stiegen, die Auslastung aber sank) und Kommunikationsprobleme. Zusätzlich sollen einige am Haus eine Spaltung zwischen dem Badischen Staatstheater und Intendant Spuhler und seiner Gefolgschaft wahrnehmen.

Nach dem Massenprotest der Mitarbeiter gegen die Absetzung des Verwaltungsdirektors stellt sich die Frage, wie der Intendant verlorenes Vertrauen wiedergewinnen will. Nach vier Jahren scheint von außen die Situation so verfahren, daß sie kaum sechs weitere Jahre tragfähig erscheint. Es sollten Konsequenzen gezogen werden - nur wer traut sich endlich, an die Öffentlichkeit zu treten, Maßnahmen zu ergreifen oder Entscheidungen zu treffen? Aktuell kann nur Intendant Spuhler selber die Situation entschärfen: durch einen geordneten Rückzug  oder Teilrückzug zum geschäftsführenden Sanierungsintendant ohne künstlerische Aufgaben (also einem System, wie es längst in Stuttgart und Mannheim gelebt wird) oder zumindest durch die Ankündigung und Aufforderung, daß sich die Stadt frühzeitig um einen Nachfolger bemühen soll. Vor allem für die vielen Enttäuschten und Unzufriedenen wäre eine neue Perspektive in absehbarer Zeit eine Beruhigung und erste klare Deeskalation durch den Intendanten. Es wäre auch das schöne Signal, daß es um das Team geht, um die Künstler und den Ruf des Hauses.

Frühzeitige Suche nach dem Nachfolger!
Das ist eine Frage der Kompetenz der Kulturpolitik. Nicht einfach nur schauen, wer sich auf die Nachfolge bewirbt, sondern frühzeitig -eigentlich ab jetzt- Kandidaten ausloten, ihre menschliche und künstlerische Kompetenz prüfen und sie zur Kandidatur auffordern. Man sollte Sorgfalt und Mühe aufwenden, um die richtige Person für das nächste Jahrzehnt zu finden. Die aktuellen Probleme scheinen auch hausgemacht und in Verantwortung einer zu wenig interessierten Kulturpolitik.
  
Und wieso eskalierte es erst in Karlsruhe und nicht bereits zuvor in Heidelberg und Tübingen?
Die wenigen Jahre in Tübingen und Heidelberg hatten wahrscheinlich die Perspektive des baldigen Abgangs. In Karlsruhe wird man sich vielleicht noch sechs Jahre mit Intendant Spuhler arrangieren müssen. Man hat auch ein treues und über Jahrzehnte gewachsenes Stammpublikum, dem man nicht so leicht etwas vormachen kann und das durchaus differenzieren kann zwischen Behauptung und inhaltlicher Substanz. Nur durch das ungeschickte Verhalten des Stuttgarter Ministeriums erfuhr eine breite Öffentlichkeit kurzzeitig über die Krise im Badischen Staatstheater. Wie eine Theaterredakteurin der Süddeutschen Zeitung 2010 berichtete, sind bspw. die für das Publikum problematischen künstlerischen Qualitätsansprüche des Intendanten bereits in Heidelberg evident gewesen (mehr dazu hier).

Unruhe und Diskontinuitäten
Intendant Spuhler wäre anscheinend gerne in diesem Sommer von Karlsruhe nach Basel gewechselt, bekam aber eine Absage in deren Folge er dann in Karlsruhe verlängerte, wo es dann in dieser Saison zum Knall kam. Gibt es einen Zusammenhang zwischen den Basel-Absichten und den nicht auf Kontinuität angelegten Personalplänen des Intendanten? Nach bereits drei Jahren verließen Operndirektor Schaback und Dramaturg Feuchtner wieder das Haus. Auch der schnelle Abgang des Tenors Andrea Shin nach vier Jahren hinterlässt offene Fragen. 2011 brachte man 17 neue Schauspieler mit nach Karlsruhe, nach vier Jahren sind nur noch 5 davon im Ensemble. Das Schauspiel wirkt in dieser Hinsicht wie ein Provisorium und man kann gespannt sein, ob man nun für die verbliebenen sechs Jahre mehr als Interimslösungen aufweisen kann.

"Das wird man wohl noch sagen dürfen"
Seit vielen Jahren besuche ich regelmäßig Oper, Theater, Ballett und Konzert in Karlsruhe. Sie gehören zu meinen Alltag wie Familie, Sport, Kino und andere kulturelle Tätigkeiten. Seit vier Jahren wird mein Enthusiasmus und meine Begeisterungsfähigkeit für Oper und Schauspiel zu oft auf eine Geduldsprobe gestellt: ich werde zu oft entgeistert, zu selten begeistert, zu oft gelangweilt, zu selten inspiriert, vieles ist mir zu wichtigtuerisch statt mutig, relativierend statt differenzierend, man behauptet zu viel und ist zu oft nur gut gemeint - und gut gemeint ist nun mal das Gegenteil von Kunst. Deshalb ist Peter Spuhler für mich nicht der richtige Generalintendant für Karlsruhe.

1 Kommentar:

  1. Herzlichen Dank für die freundlichen Kommentare und Unterstützung. In diesem Fall habe ich mich entschlossen, hier ausnahmsweise keine Kommentare zu veröffentlichen. Der Unmut gegenüber GI Spuhler ist deutlich spürbar, die verfahrene Situation in der Baumeisterstraße bekannt - dennoch sollte meines Erachtens eine Verschärfung des Tons erst stattfinden, wenn sich die Situation trotz Mediators nicht entspannt. Vielen Dank für die Mühe und Ihr Verständnis!

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