Freitag, 30. Oktober 2015

Festspielhaus Baden-Baden: Vivaldi - La fida ninfa, 29.10.2015

In Karlsruhe wird man jährlich bei den Händel Festspielen im Februar mit Barockmusik verwöhnt, das ca. vierzigköpfige Karlsruher Festspiel-Orchester, die Deutschen Händel-Solisten, sind einer der großen Pluspunkte des Festivals, mit denen Barockmusik stimmungsvoll zu Gehör gebracht werden kann. Wenn man dann in Europas größtem Opernhaus in Baden-Baden 23 Musiker für Vivaldi aufbietet, dann wirkt das etwas knapp dimensioniert und tatsächlich gelegentlich etwas dünn im Klang, doch mit dem großen Vivaldi-Dirigenten Andrea Marcon erzielte man gestern einen wunderbar rhythmischen und teilweise fetzigen Klang und eine beglückende Vivaldi-Interpretation. 
    
La fida ninfa
(Die treue Nymphe) wurde am 6. Januar 1732 in Verona uraufgeführt (das waren Zeiten: neun Tage später in London erfolgte Händels Ezio, im Februar zur Karnevalssaison u.a. in Rom Porporas Germanico in Germania, in Venedig J.A. Hasses Demetrio und in Florenz Orlandinis Ifigenia in Aulis). 2009 rückte diese Oper  von Antonio Vivaldi wieder ins Bewußtsein der Barockopern-Fans als Dirigent Jean-Christophe Spinosi eine hochkarätige Aufnahme mit großen Stimmen (u.a. Sandrine Piau und Philippe Jaroussky) auflegte und damit auch konzertierte. Gestern fand nun im Festspielhaus Baden-Baden eine konzertante Aufführung statt und daß Dirigent Andrea Marcon ein Großer seines Fachs ist (seine 2000 erschienene Einspielung der Vier Jahreszeiten mit Giuliano Carmignola und dem Venice Baroque Orchestra erachte ich immer noch als maßgeblich), konnte man spätestens im 3. Akt erkennen, als Mezzosopranistin Franziska Gottwald die Arie Cento Donzelle sang und Marcon mit raschem Tempo und Fokus auf Gitarre, Flöten, gezupften Bratschen und Tamburin den bei Spinosi eher bieder klingenden Titel zum tänzerischen Ohrwurm aufwertete. Das La Cetra Barockorchester Basel wurde von Marcon mit ansteckendem Engagement geleitet und ideal temperiert. Anstelle der verloren gegangenen Ouvertüre wählte man den Beginn von Vivaldis Oper Bajazet. Wenige Arien und einige Strophen fielen Kürzungen zum Opfer: ca 160 Minuten reine Spielzeit benötigte die Aufführung.

Das barocke Liebes- und Verwechslungskarussell wurde in Baden-Baden überwiegend sehr gut gesungen. Den meisten Applauss bekam Roberta Invernizzi (Morasto) für Destin avaro im zweiten Akt, einer Bravourarie mit weit mehr Koloraturen als Textsilben. Invernizzi sang in Karlsruhe dieses Jahr (und auch im Februar 2016 bei der Wiederaufnahme) die Medea in Händels Teseo. Franziska Gottwald in der Rolle der Elpina sang mit warmer und ausdrucksstarker Stimme, sehr schön gelangen ihr bspw. Aure lievi, che spirate im 1. Akt. und Cerva che al monteivo im dritten. María Espada meisterte ihre schwere Auftrittsarie als Licori Alma oppressa da sorte crudele bravourös, die Koloraturen von Tenor Topi Lehtipuu (Narete) wirkten dagegen kurzatmig. Besonders auffällig und bühnenpräsent erklang die raumfüllende und volltönende Stimme von Bariton Robin Adams (Oralto). Und auch einen guten Countertenor gab es: Carlos Mena (Osmino) - sehr schön sein Qual serpe tortuosa im zweiten Akt. Als Juno, Göttin der Ehe, hatte Mezzosporanistin Francesca Ascioti am Ende einen akustisch und optisch auffallenden Auftritt, als Windgott Äolos war Ismael Arroniz zu hören. Und nicht nur die Arien klangen an diesem Abend sehr gut, auch das Duett Dimmi pastore - Ninfa ti spiega (Gottwald, Mena), das Terzett S'egli è ver, che la sua rota (Espada, Gottwald, Lehtipuu) und das Quartett Cosi, su gl'occhi miei (Espada, Gottwald, Invernizzi, Mena) trugen zum sehr guten Gesamteindruck bei.

Hätte man diese konzertante Oper bei den Händel-Festspielen in Karlsruhe gebracht, wäre der Jubel groß gewesen, eine Aufführung im kleinen Schwetzinger Rokokotheater wäre für Barockfans ein grooviges Fest, im großen Festspielhaus wirkte sie nicht ideal. Daß das Publikum dennoch hochzufrieden war, lag an Marcon und der stimmigen Besetzung - allen merkte und sah man die Freude an, diese schöne Vivaldi-Oper zu interpretieren.

4 Kommentare:

  1. Hallo Honigsammler,
    wo saßen Sie denn ? Ich war in der zehnten Reihe im Parkett und hatte einen unerwartet üppigen Klang.
    Gruß,
    Florian Kaspar

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    1. Hallo Herr Kaspar, ich saß ziemlich vereinsamt im fast leeren 1. Obergeschoß. Offensichtlich verlor sich dann der Klang etwas im Raum oder eine kleine Erkältung hat den Druckausgleich meines Trommelfells beeinträchtigt - am Anfang benötigte ich eine ganze Weile bis ich mich an den Klang gewöhnt hatte.
      Ihren Aussagen auf ihrem Blog kann ich mich aber anschließen:
      http://opernschnipsel.de/2015/10/31/la-fida-ninfa-baden-baden-29-10-2015/
      La Cetra ist ein weiteres bemerkenswertes Barockorchester!

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  2. Ich saß in der Mitte, Reihe 3 - direkt vor den beiden Theorben. Es war fantastisch! Meine erste Vivaldi-Oper nach Hasse, x-mal Händel, Lully, Rameau, Scarlatti, Jommelli, Vinci und Galuppi. Hoffentlich gibt es das zukünftig noch. Denn wenn gespart wird, fällt das künnftig alles weg. Ich war absolut begeistert, war bloß irritiert, da um mich in Reihe 2 und 4 und neben mir alles frei war.

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    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar! Zukünftig muß ich dann Barock im Festspielhaus im vorderen Parkett genießen. Marcon war mit La fida ninfa übrigens bereits auf Tour, zwei Tage vor Baden-Baden spielte man in Basel, Monate zuvor in den Niederlanden. Das große Festspielhaus wirkte zwar leer, war aber für eine konzertante Barockoper ohne ganz große Namen (aber mit sehr guten Sängern und Orchester) ordentlich besetzt. Es gibt inzwischen einige hochkarätige Barock-Orchester, der Tour-Gedanke könnte für die nächsten Jahre Erfolg versprechen. Bei den nächsten Händel-Festspielen kauft man mit Arminio eine Produktion des Labels Parnassus ein - Sänger, Orchester, Dirigent und Regisseur kommen im Paket.
      Und ja: Vivaldi-Opern können fantastisch sein - Andrea Marcon ist dafür der richtige Dirigent.

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