Dienstag, 29. September 2015

1. Symphoniekonzert, 28.09.2015

Justin Brown machte gestern die langsamen Sätze zu den Herzpunkten des 1. Symphoniekonzerts.

Die neue Konzertsaison begann mit Arnold Schönberg, dem Meister der Entfaltung und Verknappung. Die Fünf Orchesterstücke op. 16 gehören zu den verknappten Werken, "Stücke" wie aus dem Zusammenhang gerissen, kurz und ohne Vorbereitung in vollem Umfang präsent, doch ohne Wiederholungen, ohne zyklischen Zusammenhang und mit vagen Titeln, die eher dem Wunsch des Verlegers als des Komponisten entstammen. Die Musik scheint ein Zustand zu sein, etwas für Rätselfreunde, wie man sie auch unter Gedichtlesern findet. Musik, um die man sich bemühen muß und für die es diskutabel ist, ob man sie nicht lieber öfters als Konserve hört als einmalig im Konzert. So verklingt der letzte Ton nach ca 15 Minuten und läßt wahrscheinlich viele Hörer unbefriedigt zurück - zumindest diejenigen, die eher Epik und Dramatik statt kurze rätselhafte Lyrik im Konzert erwarten, deren Entschlüsselung eine Denksportaufgabe ist. Besonders das langsame zweite Stück gewann eine geheimnisvolle Atmosphäre.
  
Das 3. Klavierkonzert c-Moll op. 37 von Ludwig van Beethoven erklang so, wie es sein soll: mitreißend! Sehr schön kam neben dem oft attestierten "Heldenhafte" das Verinnerlichte, das Sensible zu Gehör. Der mittlere Satz war gestern das Herzstück des Konzerts: erst verletzlich, dann träumerisch und transzendierend - der Satz wirkte wie zelebriert. Das Rondo-allegro gewann danach einen ungestümen Charakter. Der israelische Pianist Shai Wosner ist eine bekannte Größe auf internationalem Terrain, gilt als Experte für Schubert und begeisterte das Publikum gestern mit einem abwechslungsreichen, eloquenten und seine gestalterischen Fähigkeiten zeigenden Beethoven. Ein in jeder Hinsicht sehr sympathischer Auftritt.

Nach der Pause dann die 3. Symphonie F-Dur op. 90 von Johannes Brahms, die seit ihrer Erstaufführung vielleicht die populärste und zugänglichste der vier Symphonien ist.  „Welch herrliche Melodien sind da zu finden! Es ist lauter Liebe und das Herz geht einem dabei auf. Denken Sie an meine Worte und wenn Sie die Symphonie hören, werden Sie sagen, daß ich gut gehört habe.“ schwärmte Antonín Dvorák.  Schnell einprägsame Motive, leidenschaftliche Passagen kontrastieren mit zärtlichen Momenten, dazu das berühmte elegische Motiv des Poco allegretto, das in der Verfilmung von Françoise Sagans Roman Lieben Sie Brahms? zu hören ist. Der langsame zweite Satz gelang gestern besonders überzeugend, der dritte war mehr sehnend als schwermütig.
Die Spielkultur des Orchesters war beim ersten Konzert nach der Sommerpause gelegentlich noch ausbaufähig, aber die Saison hat gerade erst begonnen und der Sommer war lang und heiß.