Was für eine großartige Falstaff-Vorstellung! Erneut wurde ein hochkarätiger Gast für die Titelrolle in Verdis letzter Oper engagiert und nach Ambrogio Maestri bei der vorangegangenen Produktion und Pietro Spagnoli hatte man gestern am Badischen Staatstheater mit Nicola Alaimo eine weitere Spitzenbesetzung zu bieten.
Alaimo sang gerade erst den Falstaff an der Mailander Scala, an der New Yorker MET sprang er für Maestri ein. Der junge Bariton aus Palermo fügte sich gestern mit seiner eleganten Stimme wie selbstverständlich ein und war stets präsent und im Mittelpunkt. Er hinterließ den Eindruck einer komplett verinnerlichten Rolle, stimmlich und darstellerisch facettenreich und hochmotiviert - ein sympathischer Auftritt auf bestem Niveau. Der koreanische Bariton Seung-Gi Jung ergänzte ihn als Gegenspieler Ford mit starker Interpretation und vor allem das dritte Bild mit dem Duo Falstaff - Ford wurde dadurch zu einem Höhepunkt des Abends. Im Januar singt er die Titelrolle in Verdis Macbeth - das kann ein Höhepunkt der Saison werden, wenn man es denn endlich in Karlsruhe versteht, die beliebten Opern mit wirksamer Inszenierung zu präsentieren. Dana Beth Miller zeigte als Mrs. Quickly, was Bühnenpräsenz bedeutet: mit kluger Gestik und Körpersprache sowie charakteristischer Stimme überzeugte sie erneut - ihre Auftritte haben etwas Besonderes. Und überhaupt - alle Sänger trugen zur gut gelaunten Vorstellung viel bei, die gute Stimmung übertrug sich aufs Publikum Ob Alaimo, Jung und Miller oder Ina Schlingensiepen, Stefanie Schaefer, Klaus Schneider, Eleazar Rodriguez, Avtandil Kaspeli oder die bereits als Zugewinn wirkenden Uliana Alexyuk und Cameron Becker - sängerisch ein Abend voller Klasse; musikalisch ebenso, denn Justin Brown und die Badische Staatskapelle zeigten ein hohes Maß an musikalischer Durchdringung, voller Nuancen und wunderbar flexiblem Klang. Und das war vielleicht auch das Schöne und Begeisternde an der gestrigen Vorstellung: der Eindruck einer musikalischen Durchfühltheit! Besser geht kaum - BRAVO!
Das Opernpremieren-Abo hat sich augenscheinlich stark geleert. Die
schwachen ersten Jahre der Intendanz Spuhler wirken sich inzwischen auch hier
aus: es ist bisher nicht gelungen, die Stimmung zu drehen und einige
Opern-Fans aus der Region scheinen zu fehlen. Der programmatische Mut
des letzten Operndirektors wurde nicht belohnt, es gelang aber auch
nicht, eine spannende Spielplan-Balance zu gestalten, wichtige Premieren publikumswirksamer Opern wurden zu oft in den Sand gesetzt und nicht jede Besetzung war optimal. Gestern waren
geschätzt 40% aller Plätze leer - Schade! Die Qualität der Karlsruher Oper (Sänger, Chor, Musiker) stimmt und der erst sehr blaß gebliebene Operndirektor Fichtenholz scheint sich mehr um Sänger und Stimmen zu kümmern als sein Vorgänger. Man scheint wieder auf Kurs zu kommen. Jetzt gilt es, Publikum dazu und vor allem zurück zu gewinnen. Dafür -so hatte man vor 4 Jahren gedacht- wurde Peter Spuhler als Generalintendant engagiert, doch der ist aktuell Teil des Problems und kein Teil der Lösung. Man kann Michael Fichtenholz wünschen, daß er aus dem Schatten von Spuhler treten kann und sich als Operndirektor weiter profilieren wird.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.