Donnerstag, 18. Juli 2013

Rückblick (3): Die Spielzeit 2012/13 des Badischen Staatsheaters

Die Spielzeit 2012/13 ist fast zu Ende. Die normale Betriebstemperatur sollte erreicht sein. Nach zwei Spielzeiten wird es Zeit für Standortbestimmungen: Das Badische Staatstheater in Karlsruhe - das ist Ballett und Singspiele für die Massen, Oper und Konzerte für Liebhaber, ein Sprechtheater in der Krise, das sich auf Schüler- und Jugend-Theater konzentriert sowie ein Kindertheater, das sich schnell etabliert zu haben scheint.
 
Zuschauerzahlen haben sich normalisiert
Fast 100 Vorstellungen mehr als in der letzten Saison, ein Anstieg um über 12% auf 883 Aufführungen, und ein Publikumszuwachs von fast 9%. Man hatte zum ersten Mal seit der Spielzeit 1999/2000 knapp über 300.000 Besucher. Die Auslastung stieg um ca. 3% auf 85%. Doch zeigen diese Zahlen auch, daß Quantität nicht zwangsläufig für Qualität stehen muß. Es gibt anscheinend so viele Vorstellungen wie noch nie (1989/1990: 554 Vorstellungen mit ca 365.000 Zuschauer und 90% Auslastung) und doch fällt es den regelmäßigen Besuchern teilweise schwer, etwas Interessantes im Wochenplan zu finden.

Problemzone Schauspiel
Die beiden ersten Teile Rückblick (1) und Rückblick (2) beschäftigen sich mit der Karlsruher Problemsparte, bei der man im Sprechtheater enttäuschte und sich dagegen erfolgreich auf musikalische Beschallungsstücke sowie Schüler-und Jugendtheater konzentrierte. Schön, daß sich man sich so sehr um diese Gruppen kümmert, aber für den Erwachsenenbetrieb ist das Programm weniger abwechslungsreich als in den Jahren zuvor. Das Karlsruher Schauspiel verpasste dabei zudem den Anschluß an die Qualitätsstandards der letzten Jahre und kann überregional nicht mehr mithalten. Hier kann man nur vordergründig mit der Spielzeit zufrieden sein und darf sich nicht zurücklehnen.
Zu den Zahlen: 73 Vorstellungen mehr als letztes Jahr, davon 62 im Studio (ein Anstieg von 130 auf 192): Der Vorname und das 44 mal gespielte Abituriententhema Agnes waren meistens ausverkauft. Viele andere Produktionen im Studio verschwanden dagegen fast ungesehen vom Spielplan. Wie schon letztes Jahr retteten die beiden Singspiele die Bilanz des Schauspiels: ca 30% der 75.000 Besucher waren in Alice und Dylan.

Die Höhepunkte gab es in der Oper
Originell und spannend ist die Oper. Nicht nur in der Programmauswahl, sondern auch bei den Inszenierungen. Zu Beginn der Spielzeit rettete man den thematisch etwas unzeitgemäßen Tannhäuser durch eine optisch überzeugende Aufführung. Der Vetter aus Dingsda war musikalisch eine Meisterleistung, La Vestale eine schöne Rarität und wie die Regimentstochter solide umgesetzt. Die Passagierin hat vielleicht das meiste Prestige für die Karlsruher Oper gebracht und Peter Grimes war eine fesselnde Produktion. Die Händel-Festspiele enttäuschten etwas, doch die Vorschau für 2014 lässt kommende Spielzeit eine der bisher schönsten Festspielwochen erhoffen. 
Die Opern, die auch für ein sehr breites Publikum tauglich sind, holt man überwiegend aus dem Repertoire vergangener Intendanzen. (Erfolgreich waren in diesem Jahr bspw. Carmen, Zauberflöte und die einmalige Nibelungenring-Aufführung.) Dennoch wirkten die Wiederaufnahmen (bei denen  wahrscheinlich  nicht nur ich dachte: "schon wieder") auf einige langjährige Besucher ein wenig ermüdend. Doch auch hier scheint eine Relativierung notwendig, denn man muß sich bei dem bedienen, was in den Lagerräumen steht. Und hier könnte Achim Thorwald einiges entsorgt haben, was man als Zuschauer nun vermisst. Es wäre interessant zu wissen, was man überhaupt vor 2 Jahren als Repertoire im Lager vorfand.
Unzufrieden kann man darüber sein, daß der Spielplan nicht den Abwechslungsreichtum bot, den man gewohnt war. Wo die Entscheidung, was man unter der Woche besucht vor zwei Jahren gut durchdacht sein wollte, bekam man z.B. im Frühsommer wochenlang fast immer nur das gleiche Programm geboten.
Würde man nur auf die Besucherzahlen schauen, dann müßte man sich um die Oper die meisten Sorgen machen: in 143 Vorstellungen hatte man 102.118 Zuschauer, das letzte Jahr der Thorwald-Intendanz zog in 123 Vorstellungen 104.405 Besucher an. Hier muß sich Schaback bei Spielplanvielfalt und Programmauswahl also noch steigern. Mit dem Maskenball, der Fledermaus und den Meistersingern könnte dies nächste Spielzeit gelingen.  
Auffällig ist, wie sehr sich die Strategie des Musiktheaters von der des Schauspiels unterscheidet. Schaback/Feuchtner laufen dem Publikum nicht hinterher, sondern verfolgen in den ersten beiden Spielzeiten ihre eigene künstlerische Linie, von der in Karlsruhe vor allem die Opernliebhaber profitieren, bekommt man doch fast nur Werke zu hören, die es sehr lange nicht mehr oder noch nie in Karlsruhe auf dem Spielplan standen. Vor einem Jahr ließ man sich bereits übertriebenerweise für das "beste" Opernprogramm feiern - mit Blick auf dann drei Spielzeiten kam man aber in jedem Fall ein wirklich interessantes Programm feststellen. Die Oper ist in Karlsruhe die Sparte, die aufgrund ihrer künstlerischen Leistung mehr Zuschauer verdient hätte. Also ein Glückwunsch und vielen Dank an Joscha Schaback und Bernd Feuchtner, die Sänger sowie den Karlsruher Chor mit Ulrich Wagner und alle anderen Beteiligten. Ich freue mich auf die kommende Spielzeit.
  
Symphoniekonzerte - Best of Anthony Bramall in Kazushi Ono Style
Es war ein sehr gutes Jahr, das vor allem durch die Solisten begeisterte: Boris Berezovsky, Benjamin Moser, Maximilian Hornung, Gidon Kremer - hochkarätige Künstler gab es zu hören. Viel bekanntes Repertoire der letzten ca 10 Jahre wurde in dieser Spielzeit gespielt, also Stücke, die bereits Anthony Bramall auf das Programm setzte. Nächstes Jahr gibt es dazu im Gegensatz sehr viele Raritäten, die ihre  Publikumstauglichkeit beweisen müssen. Wie schon beim früheren GMD Kazushi Ono setzt man in den Konzerten auch wieder stärker auf Zeitgenössisches und Unbekanntes. Justin Brown ist als GMD nicht nur unumstritten, sondern beim Publikum in hohem Maß beliebt und akzeptiert. Auch hier kann man sich auf die nächsten Konzerte freuen.

Publikumslieblinge - Ballett im bewährten Modus
Das Ballett bleibt weiterhin die Sparte mit der höchsten Auslastung - fabelhafte 94 %! Diese Spielzeit hatte einen Übergangscharakter. Nach den gefeierten Uraufführungen der vorangegangen Spielzeit (Siegfried und Momo) gab es die Wiederaufnahme von Giselle und eine deutsche Erstaufführung: das kurze, knapp einstündige Ballett In den Winden im Nichts kann öfters getanzt werden und hatte mit ca 12.500 Besucher den höchsten Ballett-Zuspruch der Saison. Schwanensee, Nußknacker und Giselle waren ständig ausverkauft und erreichten sogar 100% Platzauslastung.
Birgit Keil hat bisher immer verstanden, die richtigen Werke für Ihre Kompagnie auszusuchen und dennoch muß man ein wenig darauf achten, nicht zu sehr in Tschaikowsky-Programm-Routine zu geraten. Dornröschen wird nächste Spielzeit ein großer Erfolg, das Karlsruher Publikum hat ein Faible für klassisches Handlungsballett. Oder fehlt nur die richtige Alternative, bspw. ein musikalisches moderneres Ballett abseits der Klassiklinie?

Das Junge Staatstheater
Innerhalb von zwei Jahren etabliert und mit starker Ausstrahlung. Hier scheint die einzige wichtige neue Errungenschaft der letzten zwei Jahre zu sein. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Besucherzahl um 10 % auf 34.000 gestiegen, davon über 21.000 im Weihnachtsmärchen Die zertanzten Schuhe. 453 Schulen haben das Theater besucht (170 mehr als im Vorjahr) und das konnte man auch bei Schauspielbesuchen bemerken: dort profitierte man von den vielen Schülern, die bspw. durch Agnes, Dantons Tod, Werther etc. geschleust wurden und die Zuschauerzahlen wachsen ließen.

Zur Außendarstellung - Intensiver Selbstapplaus
Eigenlob stinkt, so heißt es zumindest in der Umgangssprache und wer glaubt, daß dieser Satz treffend ist, der wird im Verlauf der letzten beiden Spielzeiten erstaunt zur Kenntnis genommen haben, daß man auf der Internetpräsenz des Badischen Staatstheaters nicht nur -und völlig zu Recht- positive Rezensionen über die eigene Arbeit veröffentlicht, sondern auch selber darüber schreibt, was man vermeintlich Tolles geleistet hat. Unfreiwillig komisch wird es immer dann, wenn das Zentralkomitee des Badischen Staatstheaters nach Premieren bekannt gibt, wie seine eigene Arbeit zu beurteilen ist
und die Feelings beschreibt, die es mit seinen Inszenierungen meint, ausgelöst zu haben. In der vorangegangenen Spielzeit fand man sich oft "berührend". Man schwärmte über die berührende Kraft der eigenen Arbeit, man konnte in den offiziellen Mitteilungstexten die Rührung darüber spüren, sich berührend zu fühlen. In letzter Zeit ist das Lieblingswort des Badischen Staatstheaters "intensiv". Man beschreibt sich selber damit und wäre es so gerne: intensiv wahrgenommen, intensiv gefragt, intensiv rezipiert, bestimmt auch intensiv bezahlt. Tatsächlich ist man im Schauspiel überwiegend intensiv langweilig, im Ballett und bei Singspielen dafür intensiv beliebt und in Oper und Konzert intensiv auf Kurs. Nächstes Jahr wird man sich dann vielleicht als "intensiv berührend" oder "berührend intensiv" bezeichnen. Wer sich über die Humorlosigkeit des Schauspiels beschwerte, kann sich zumindest über die unfreiwillig komische Selbstdarstellung amüsieren. Man scheint also weder den eigenen Produktionen noch dem Publikum zu vertrauen und erweckt den Eindruck, als fühle man sich nicht richtig gewürdigt und schreibe sich deshalb gerne selber schön. So wundert es nicht, welches Schauspiel auch zukünftig zu erwarten sein wird. Schon jetzt kann man prognostizieren, daß man auch zukünftig die Selbstapplausmühle für das wieder-mal-nicht-so-Besondere heftig drehen wird. Einen unguten Beigeschmack werden dabei einige aufmerksamere Zuschauer nicht ignorieren können. Oder geht es hier nur um die anstehende Vertragsverlängerung der bis 2016 engagierten aktuellen Intendanz?
  
'And the winner is' oder 'Mehr Schein als Sein'
Heute gehört es also zum fragwürdigen Ton, sich selber anzupreisen und die vermeintlichen eigenen Verdienste ins Rampenlicht stellt. Dazu passen auch die obskuren Preise, die man verliehen bekommen hat, vor allem, weil es Theorie-Preise sind, bei denen es nicht um die Qualität der künstlerischen Arbeit und Aufführungen geht, sondern um aus der Ferne bewertete Konzepte. Auf den Programmheften und sonstigen Publikationen bedankte man sich für die Preise, als wüsste man genau, daß man sie weniger durch harte Arbeit verdient als vielmehr verliehen bekommen hat.

Zum Abschluß ein Ergebnis: 37:5  
37:5 - so meine persönliche Statistik zugunsten des Badischen Staatstheater, das ich in dieser Spielzeit an 42 Abenden nur fünfmal enttäuscht verließ. Dennoch hinterließ die Spielzeit nur den Eindruck einer normal durchschnittlichen Saison mit Höhen und Tiefen und immer wieder fand ich nichts im Wochenprogramm, was mich interessierte oder ein zweites mal sehen wollte. Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit sah ich mir wieder verstärkt das Programm der umgebenden Städte an, um Alternativen an freien Abenden zu finden.
   
FAZIT: Eine durchwachsene Spielzeit mit Licht und Schatten, deren Glanzpunkte musikalisch gesetzt wurden. Die neue künstlerische Leitung des Staatstheaters hat die langjährige Akzeptanz beim Publikum aufrecht erhalten können und durch Singspiele, Schüler-und Kinder-Programme sogar Publikumsgewinne erzielt. Das Schauspiel bleibt die Problemzone und kann mit anderen wichtigen Theatern nicht konkurrieren.

In eigener Sache:
HERZLICHEN DANK für die vielen sehr guten Kommentare, die diesem Blog im Verlauf des Jahres zu zahlreichen neue Aspekten verhalfen!
Für mich immer noch überraschend, daß dieses kulturelle Wahrnehmungstagebuch so viele Leser findet und sich deren Anzahl im Verlauf der Spielzeit mehr als verdoppelt hat. Ich nehme es als gutes Zeichen für das Interesse an den Menschen, die in den 883 Vorstellungen dieser Spielzeit ihren Zuschauern so viel Glück und Spannung schenkten. Deshalb HERZLICHEN DANK vor allem an alle Mitarbeiter des Badischen Staatstheater für ein bei meinen Besuchen stets reibungsloses und professionelles Jahr!


ÜBERSICHT:

Oper:

Barry - The Triumph of Beauty and Deceit
Berlioz - Die Trojaner
Bizet - Carmen
Britten - Peter Grimes
Delius - Romeo und Julia auf dem Dorfe
Donizetti - Die Regimentstochter
Händel - Alessandro
Händel - The Triumph of Time and Truth
Künneke - Der Vetter aus Dingsda
Spontini - La Vestale
Wagner - Rheingold
Wagner - Die Walküre
Wagner - Tannhäuser
Weinberg - Die Passagierin

Ballett:
Giselle
In den Winden im Nichts
Der Nußknacker
Siegfried

Schauspiel:
Delaporte/Patelliere - Der Vorname
Richter - My Secret Garden
Schnitzler  - Der einsame Weg
    
Singspiel
Waits - Alice
  
Jugend-/Schülertheater:
Büchner - Dantons Tod
Kleist - Prinz Friedrich vom Homburg
Shakespeare - Wie es euch gefällt 
Stamm - Agnes
Tschechow - Die Möwe

Konzerte:
8 Symphoniekonzerte + Schönberg - Gurrelieder

Diverses:
Händel Festspiele 2013
Theaterfest 2013
Zuschauerumfrage + Publikumsanalyse


PS: Nur zum privaten Gebrauch / persönliche Statistik für die Spielzeit 2012/2013:
19 Opernbesuche / 13 Produktionen
3 Schauspielbesuche / 3 Produktionen
1 Singspielbesuch / 1 Produktion
5 Jugend-/Schülertheater-Besuche / 5 Produktionen
9 Konzertbesuche / 9 Konzerte
4 Ballettbesuche / 4 Produktionen
Theaterfest
Fazit: 42 Abende im Badischen Staatstheater. Es gab schon deutlich bessere Jahre.

Dienstag, 16. Juli 2013

8. Symphoniekonzert, 15.07.2013

Das 4. Violinkonzert des deutsch-russischen bzw. wolgadeutschen Komponisten Alfred Schnittke (*1934 †1998) wurde 1984 von den Berliner Philharmonikern unter Christoph von Dohnányi uraufgeführt. Der 1947 im lettischen Riga geborene Gidon Kremer spielte bereits damals den Solopart und sagte, daß er in dieser Musik die Seele seines Freundes Alfred Schnittke finde, der ihm das Konzert auch gewidmet hatte. Das viersätzige 4. Violinkonzert (bei dem jeder neue Satz länger dauert als sein Vorgänger und das durch den Einsatz von Perkussion- und Tasteninstrumenten auffällt) scheint eine anspielungsreiche biographische Musik zu sein über das Leben im Sowjetkommunismus und über die langjährige Freundschaft zwischen Interpret und Komponist. Kremer half maßgeblich, den unbekannten und in der damaligen UdSSR ignorierten Schnittke den Stellenwert zu verschaffen, den er heute besitzt.
Die heile Welt des eröffnenden Andante stürzt im 4. Violinkonzert nach wenigen Takten unerwartet und plötzlich in einem kurzen schreienden Akkord ab. Schnittke beschreibt die vordergründige Harmonie: "Zwei schöne Plüschmelodien (die eine sich als „fatum banale“ durch das ganze Stück ziehend und die andere als falsche Erlösung im 3. Satz erscheinend) sind nur zwei 'geschminkte Leichen'." Es gibt nur einen schnellen Abschnitt - das als Passacaglia angelegte Vivo ist leidenschaftlich und vorwärtststrebend und vielleicht für Hörer der interessanteste Satz: in dessen Verlauf übertönt das Orchester zunehmend den Solisten. Ein Violinkonzert mit zwielichtigem Charakter, das immer wieder auf eine verschleiernde Weise indirekt wirkt, als wollte es sich in Gegensätzen und Anführungszeichen ausdrücken.
Erhöhte Eintrittspreise im freien Verkauf - für dieses Konzert will man mehr Geld. Doch wer sich nach dem Konzert fragte, für was es sich lohnte, der könnte vielleicht antworten: für Gidon Kremer, für Justin Brown und die Badische Staatskapelle, für Bruckners Neunte. Aber wird jemand Schnittkes Konzert als Hauptgrund nennen? Freundlich starker Applaus zur Pause.
  
Anton Bruckners 9. Symphonie gehört zu den klassischen Schwerstgewichten des Symphoniebetriebs. Und gleich vorab: Justin Brown dirigierte eine sehr beeindruckende Sicht auf Bruckner, die -wollte man sie mit nur einem Wort beschreiben- zutreffend als schnell bezeichnet werden könnte. Ca. 56 Minuten benötigte Brown bei durchweg raschen Tempi, die vor allem im äußerst gelungenen mittleren Scherzo fast schon körperlich auf die Zuhörer wirkten. Dennoch -wie schon bei Browns Dirigat zu Lohengrin- könnte man Brown ein Defizit ankreiden: sein Bruckner ist zupackend und weltlich - und ganz ohne spirituelle und transzendente Momente. Es gehört zwar nicht hier her und sehr gute Aufnahmen von Bruckners 9. Symphonie sind zahlreich, doch eine liegt mir besonders am Herzen. Wer zufälligerweise eine benötigt, der höre sich die Aufnahme der Wiener Philharmoniker mit Carlo Maria Giulini an. Es ist mit ca. 68 Minuten Dauer eine der langsameren, aber für mich auch eine der spannendsten und großartigsten Einspielungen, die mich bei jedem Anhören wieder in ihren Bann zieht. Sergiu Celibidaches meditierend buddhistisches Schweben über der Partitur benötigt noch mal 10 Minuten mehr, also ca. 78 Minuten oder anders ausgedrückt: als Brown gestern den zweiten Satz beendete, hätte Celibidache gerade nur den ersten dirigiert.

Ein stark applaudierter und teilweise bejubelter Abschluß der Konzertsaison. Und wenn ich so meinen Abo-Nachbarn zuhöre, dann kann man sagen, daß Browns Beliebtheit und Reputation einen Spitzenwert erreicht hat. Glückwunsch an unseren GMD!

Dienstag, 9. Juli 2013

Rückblick (2): Problemzone - Das Karlsruher Schauspiel in der Spielzeit 2012/13

Gefällt Ihnen zur Zeit das Schauspiel des Badischen Staatstheaters?
Ja? Sie Glückliche/r! Dann müssen Sie hier nicht weiterlesen.
Nein? Dann könnten Sie sich in meinen zahlreichen Mangel- und Leidenswahrnehmungen vielleicht wiedererkennen.

Badische Staatskapelle mit Boris Berezovsky als SWR-Download

Das 1.Klavierkonzert von Johannes Brahms mit dem großartigen Pianisten Boris Berezovsky und der Badischen Staatskapelle unter Justin Brown aus dem ersten Symphoniekonzert der Spielzeit 12/13 (mehr dazu hier) wird vom SWR als mp3-Download der Woche zur Verfügung gestellt.

Hier der Pfad zum SWR:
http://www.swr.de/swr2/musik/musikstueck/brahms-klavier-orchester-nr1-d-moll/-/id=2937886/nid=2937886/did=11652848/1v45wmt/index.html

PS: Nächste Spielzeit kommt Berezovsky wieder nach Karlsruhe: am 29.06./30.06.2014 mit einem Klavierkonzert von Rachmaninow, leider nur mit dem vierten.

Sonntag, 7. Juli 2013

Britten - Peter Grimes, 06.07.2013

Peter Grimes brachte dem Komponisten Benjamin Britten einst internationalen Ruhm, seine Oper ist ein frühes Meisterwerk und wurde als der englische Wozzeck gerühmt - die gestrige Karlsruher Premiere wurde dem gerecht und zu einem weiteren schönen, bemerkens- und empfehlenswerten Erfolg für das Badische Staatstheater.
 
Zum Geburtstag
Man soll die Feste feiern, wie sie fallen und runde Jubiläen gibt es 2013 genug: bspw. der 200. Geburtstag von Wagner, Verdi und Büchner und der 100. Geburtstag von Benjamin Britten. Und es scheint eine Herzensangelegenheiten für viele Mitarbeiter des Badischen Staatstheaters zu sein, die mit englischer Muttersprache aufgewachsen sind, die vielleicht bedeutendste britische Oper in Karlsruhe aufzuführen. Der Karlsruher Generalmusikdirektor Justin Brown, Bühnenbildner Charles Edwards und Tenor John Treleaven, um nur drei gestern maßgeblich beteiligte Briten zu nennen, - ihnen allen war das Engagement und der Wille zum Erfolg anzumerken.

Great Britten und Karlsruhe

Benjamin Britten (*1913 †1976) und Dimitri Schostakowitsch (*1906 †1975) erscheinen heute als die beiden bedeutendsten Komponisten innerhalb des 20. Jahrhunderts, da bei ihnen beides, ihre Biographie und ihre Musik exemplarisch für ihre Zeit und ihre Zeitgenossenschaft herangezogen werden können.
Vor ca. 55 Jahren hatte die künstlerische Leitung der Karlsruher Oper bereits den richtigen Geschmack, denn es gab fast so etwas wie eine Aufführungstradition für Brittens Bühnenwerke. Schon 1957 gab es die Karlsruher Erstaufführung von The Rape of Lucretia (Uraufführung 1946), 1958 folgte Peter Grimes (UA 1945) -es wäre interessant zu wissen, wie man vor 55 Jahren in Karlsruhe die Oper hörte und beurteilte-, 1961 Albert Herring (UA 1947), 1967 The Beggar's Opera (UA 1948), 1968 dann die Kinderoper The little sweep (UA 1949), 1972 Noye's Fludde (UA 1958), 1982 A Midsummer Night's Dream (UA 1960), 1988 erneut Albert Herring und dann, nach 20 Jahren ohne Britten'sche Oper, erfolgte 2009 Death in Venice. Die Neuinszenierung von Peter Grimes ist also ein weiterer Schritt der Karlsruher Britten Tradition. Zwei wichtige Opern fehlen meines Wissens noch im Badischen Staatstheater: Billy Budd (UA 1951) und The Turn of the Screw (UA 1954).

Worum geht es?
Der alleinstehende Fischer und Dorfaußenseiter Peter Grimes wird von der Dorfgemeinschaft argwöhnisch beobachtet. Durch einen Unfall kam sein Lehrjunge beim Fischfang ums Leben und im kurzen Prolog wird er bei einer Gerichtsverhandlung zwar freigesprochen, aber aufgefordert keine weiteren Lehrlinge zu beschäftigen. Doch ohne Hilfe ist sein Metier kaum auszuüben und die verwitwete Lehrerin Ellen Orford bringt ihm aus dem Waisenhaus einen neuen Jungen, bei dem sie später blaue Flecken findet. Orford vermutet eine Mißhandlung und will Grimes befragen, der jedoch darüber erbost in Streit mit ihr gerät. Die Dorfgemeinschaft will Grimes zur Rede stellen, doch dann passiert ein zweites Unglück: der neue Lehrling stürzt bei einem Unfall die Klippe herab. Grimes sieht keine Chance, seine Unschuld zu beweisen und begeht nach Aufforderung Selbstmord, um dem Lynch-Mob zu entgehen.

Peter Grimes – Kinderschinder? Kinderschänder? Oder ein Opfer?
Peter Grimes ist im literarischen Vorbild von 1810 ein sadistischer Bösewicht, den die göttliche Strafe ereilt. Benjamin Britten sah die Figur anders; er sagte seinem Neffen Alan Britten, daß seine Oper von Gerüchten handele, über abscheuliche Vorurteile, eine Krankheit, die die Massen vergifte. Der Tenor Peter Pears -der erste Sänger des Grimes und Lebensgefährte Brittens- bestätigte, daß die Geschichte das Drama eines  Individuums gegen die engstirnige Masse darstellen sollte. Im Libretto wurden Anspielungen auf Sadismus oder Homosexualität beseitigt und erst rückblickend, mit Wissen um Brittens Leben (in seinen Opern geht es generell oft um das Unglück tabuisierten Verlangens) kann man erahnen, daß es auch die Tragödie eines Homosexuellen sein könnte. Warum begeht Grimes Selbstmord? Wird er nur durch Feindseligkeiten und Ablehnung seiner Umwelt in den Tod getrieben? Oder in welchem Maße ist die Einsicht in die eigenen charakterlichen Defizite, die Ablehnung der sadistischen oder päderastischen Tendenzen seiner Persönlichkeit ausschlaggebend? Die Karlsruher Inszenierung gibt eine klare (und für einige wenige vielleicht etwas zu einfache und einseitige) Antwort: Grimes ist ein Opfer. Regisseur Christopher Aldens Regie übernimmt und entspricht damit Benjamin Brittens Sicht.

Was ist zu sehen?
Die Zwillingsbrüder Christopher Alden und David Alden wurden 1949 in New York geboren und sind beide seit Jahrzehnten als Opernregisseure aktiv und bekannt und werden wahrscheinlich regelmäßig verwechselt. Beide inszenieren 2013 Peter Grimes. David Aldens Regie hatte im Januar Premiere an der Deutschen Oper in Berlin (allerdings war das eine Übernahme, die 2009 in London erstmals gezeigt wurde), Christopher Alden folgte gestern in Karlsruhe. Peter Grimes ist bei Ch. Alden vor allem also eines: das Opfer einer feindseligen Gruppendynamik, die ein Feindbild benötigt. Die Bewohner des Fischerdorfs fanatisieren sich immer stärker gegen den gesellschaftlichen Außenseiter und werden zu einer paranoid faschistischen Masse, die leicht den Schritt zum Lynch-Mob nimmt.
Alden beweist sich als gewiefter, geschickter und einfallsreicher Opernregisseur: ihm genügt ein (übrigens sehr gut gemachter) Einheitsraum auf der Bühne, um alle Szenen zeigen zu können. Die Kostüme passen zur Entstehungszeit der Oper, Aldens Figuren erhalten ein klares Profil. Immer wieder ergeben sich spannende Situations- und Szenenwechsel, Stimmungsumbrüche und phantasievolle Momente. Wenn man etwas an dieser Inszenierung kritisieren will, dann, daß sie zu plakativ moralisierend ist. Armbinden und Fahne, die Verbindung zum englischen Faschismus eines Oswald Mosley und der doppelte Tod am Ende der Oper (Grimes begeht Selbstmord - doch dieser wird auch noch als gesellschaftlicher Mord gezeigt): deutlicher hätte der Regisseur nicht werden können.

Was ist zu hören?
Peter Grimes ist eine große Choroper und deshalb zuerst ein Bravo an die Chorsänger des Opern- und Extra-Chores, die von Ulrich Wagner sehr gut vorbereitet erschienen. Und auch die Badische Staatskapelle spielte unter Justin Brown eindrucksvoll und auf gewohnt sehr hohen Niveau. Peter Grimes ist vielen dadurch bekannt, daß Britten für den Konzertsaal fünf der sechs orchestralen Zwischenspiel als Sea Interludes zusammenstellte. Im Programmheft schreibt Justin Brown: "Die Darstellung des Nebeneinanders von Mensch und Natur ist das eigentliche Charakteristikum in Peter Grimes und vielleicht Brittens allergrößte Leistung". Brown brachte das zu Gehör: in den Zwischenspielen, der Sturmszene. Immer wieder gab es große und beeindruckende szenische und musikalische Momente, berückend schön gelang z.B. das Frauen-Quartett des zweiten Akts. Bravo!

John  Treleaven hörte ich vor ca. 18 Jahren zum ersten Mal in Karlsruhe und seitdem u.a. als Siegmund, Tristan, Apollo,... und im Konzert (Lied von der Erde). Gestern nun -zu einem späten Zeitpunkt in seiner Karriere- hatte er vielleicht seinen größten Auftritt am Badischen Staatstheater: seine Rolleninterpretation als Peter Grimes setzte einen Maßstab, an den man sich erinnern wird. Bravo!
Neben Treleaven bekam Heidi Melton als warmherzige und zweifelnde Ellen Orford besonders viel Applaus und auch alle anderen Sänger an diesem spannenden Premierenabend verdienten sich ein herzliches Bravo für eine dichte und hochwertige Aufführung!

Fazit: Nach Tannhäuser und Die Passagierin folgt nun mit Peter Grimes die dritte außergewöhnliche und besondere Operninszenierung der Spielzeit. Glückwunsch an das Opernteam des Badischen Staatstheaters für ein wirklich sehr gutes Inszenierungsjahr und einen starken Saisonabschluß!

Team und Besetzung

Peter Grimes: John Treleaven
Ellen Orford: Heidi Melton
Balstrode: Jaco Venter
Auntie: Suzanne McLeod
Mrs. Sedley: Katharine Tier
Swallow: Renatus Meszar
Ned Keene: Gabriel Urrutia Benet
Bob Boles: Steven Ebel
Horace Adams: Eleazar Rodriguez
Hobson: Lucas Harbour
Erste Nichte: Melanie Spitau
Zweite Nichte: Lydia Leitner
Fischer: Thomas Rebilas
Advokat: Doru Cepreaga
Fischersfrau: Susanne Schellin
Erster Bürger: Andreas Netzner
Zweiter Bürger: Marcelo Angulo
Dritter Bürger: Thomas Krause
Vierter Bürger: Alexander Huck
Fünfter Bürger: Doru Cepreaga
Sechster Bürger: Kwang-Hee Choi
Sopran Solo: Maike Etzold
Junge: Lino Weber

Musikalische Leitung: Justin Brown
Regie: Christopher Alden
Bühne: Charles Edwards
Kostüme: Doey Lüthi

Donnerstag, 4. Juli 2013

Oper Stuttgart: Rossini - La Cenerentola, 03.07.2013

Das Badische Staatstheater scheint gegen Spielzeitende eine Schwächephase zu haben: im Schauspiel hat man einen vielfältigen Spielplan, kann aber qualitativ nicht mit früheren Leistungen mithalten, in der Oper arbeitet man hingegen auf hohem Qualitätsniveau, nur der Spielplan ist gerade nicht besonders abwechslungsreich (mehr dazu auch hier). Es sind also gute Gründe vorhanden, um mal wieder über den eigenen Tellerrand zu blicken. Nach der Bestätigung, daß im Schauspiel Frankfurt das Theater geboten wird, das man in Karlsruhe schmerzlich vermisst, zeigte der Ausflug nach Stuttgart, daß man in der Karlsruher Oper bestens aufgestellt ist und man nur am Spielplan feilen sollte.

Die Neuinszenierung von Rossinis La Cenerentola hatte vor wenigen Tagen am 30.06. Premiere in Stuttgart. (Am Badischen Staatstheater wurde sie übrigens zuletzt vor über 30 Jahren inszeniert). Rossinis Aschenbrödel ist ohne märchenhafte Elemente (keine Fee und kein Zauber) - eine bürgerliche Komödie vom Aufstieg eines armen und herzensguten Mädchens durch Liebe. In Stuttgart ist die Handlung modernisiert: der Prinz ist ein Konzernerbe und wird während der Ouvertüre vom Aufsichtsrat (der Männerchor, bei dem zwei Männer in Frauenkleidern stecken, um die Frauenquote zu erfüllen) aufgefordert zu heiraten, um den Firmenbesitz als Erbe zu erhalten. Don Ramiro tauscht mit seinem Diener die Rollen und beide ziehen los, um die passende Kandidatin zu suchen, unterstützt vom Unternehmensberater Alidoro, der die Handlungsfäden in der Hand hat. Cenerentola ist in dieser Inszenierung anfänglich eine schüchterne und gehemmte Person, deren verarmter Stiefvater Don Magnifico versucht, seine zwei anderen heiratswütigen Töchter finanziell lohnend unter die Haube zu bringen und sie auf den vermeintlichen Prinzen hetzt.  Der Ball wird zur enthemmten Party mit Stripperinnen und Alkoholexzessen, der Aufsichtsrat hat Bündel mit Geldscheinen in der Hand und spielt im Casino. Cenerentolas verzeihende und versöhnende Schlußarie hat fast schon utopische Qualitäten: sie steht auf dem Tisch des Aufsichtsrats, der sich angesichts ihrer humanen Worte unter dem Tisch versteckt. Cenerentola und Don Ramiro brennen am Ende durch und rennen gemeinsam weg.
Das Bühnenbild ist geteilt: im Vordergrund steht der halbrunde Tisch der Konzernführung, im Hintergrund befindet sich die kleine und enge Wohnung Don Magnificos, die in einer der stärksten Bühnenbildszenen nach hinten wegfährt und zum Entsetzen Cenerentolas im Boden nach unten versinkt und ihre kleine Welt (vor allem den Fernseher, der Drei Haselnüsse für Aschenbrödel zeigt) verschwinden lässt.
Regisseurin Andrea Moses
zeigt eine Mischung aus Hollywood-Komödie und Kapitalismuskritik, die vielleicht einen Schwachpunkt hat: sie ist etwas halbherzig und es fehlen ihr die ganz großen Bühnenmomente und Bilder. Dennoch handelt es sich um eine solide Arbeit: die Regisseurin hat viele Ideen - gute und auch solche, die nicht funktionieren, aber sie ist nie einfallslos. Manchmal inszeniert sie zu viel Nebenhandlung und Slapstick und verliert dabei ihre Hauptfigur aus den Augen: Cenerentola als Figur bleibt blaß. Die unerwartete Wendung des trostlosen, jämmerlichen und ungerechten Schicksals der ungeliebten Halbschwester und Stieftochter zur verzeihenden und gütevollen Prinzessin geht verloren und andere Figuren dominieren das Geschehen. Dennoch unterhält man sich gut, es wird oft gelacht und die Produktion kann sich sehen lassen, denn Rossinis Cenerentola ist in Stuttgart eine auf hohem Niveau ausgeglichene und bestens besetzte Oper, die qualitativ ähnlich wie Donizettis Regimentstochter am Badischen Staatstheater mit spielfreudigen Sängern umgesetzt ist.

Sängerisch hat man einiges zu bieten. Das erste Ausrufezeichen des Abends setzte im ersten Akt der junge polnische Bass Adam Palka als Alidoro, der besonders für Karlsruher Besucher interessant ist: seine Stimmfarbe und Stimmkraft erinnert an den jungen Konstantin Gorny. Palka gehört ab der kommenden Spielzeit zum Ensemble der Stuttgarter Oper. In Stuttgart hat man zwei interessante Gäste engagiert: Enzo Capuano war gestern der ideale Don Magnifico - er wirkte wie ein distinguierter Marcello Mastroianni-Typ mit beweglicher Bass-Stimme. Der junge Tenor Bogdan Mihai bewies mit seiner klaren und hohen Stimme eindrucksvoll, wieso er auch schon beim Rossini Festival in Pesaro gesungen hat und mit Franco Fagioli in Rossinis Oper Aureliano in Palmira aufgetreten ist.
Die junge, 26jährige kroatische Mezzosopranistin Diana Haller gehört seit der Saison 2010/11 dem Ensemble der Oper Stuttgart an und hinterlässt als Cenerentola einen sehr guten und vor allem koloratursicheren Eindruck. Sie scheint ein Publikumsliebling in Stuttgart zu sein und erhielt viel Applaus, wie übrigens an diesem Abend alle Sänger und der Dirigent José Luis Gomez, der vielleicht manchmal etwas zu langsam war (subjektiv gefühlt), aber alle Höhepunkte mit viel Schwung und Rossini-gerecht musizieren ließ. Das Publikum reagierte sehr angetan und zustimmend, die Inszenierung und die Sänger kommen beim Publikum gut an.

Besetzung & Team:   
Angelina (Cenerentola): Diana Haller
Don Ramiro: Bogdan Mihai
Dandini: André Morsch
Don Magnifico: Enzo Capuano
Alidoro: Adam Palka
Tisbe: Maria Theresa Ullrich
Clorinda: Catriona Smith

Musikalische Leitung: José Luis Gomez
Regie: Andrea Moses
Bühne: Susanne Gschwender
Kostüme: Werner Pick

Montag, 1. Juli 2013

Vorverkauf für 2013/14 gestartet

Ab heute kann man sowohl Eintrittkarten für den beliebten abendlichen Spielzeit-Cocktail des Theaterfests (hier der Link dahin) sowie für die Vorstellungen im September (hier der Link) und Oktober (hier der Link) erwerben.
    
Und auch alle Abonnements können im Internet gebucht werden (hier der Link)

Samstag, 22. Juni 2013

Schauspiel Frankfurt: Euripides - Medea, 21.06.2013

Wer mit dem "Schauspiel" des Badischen Staatstheaters (vielleicht das bestsubventionierte Kinder-, Schüler-, Jugend-, Singspiel- und Volkstheater der Republik) zur Zeit unglücklich ist und in den Zielgruppenplanungen (mehr dazu hier) sich nicht mehr berücksichtigt fühlt, wer der Eindimensionalität und Langweiligkeit des aktuellen Karlsruher "Schauspiels" entkommen will, für den lohnt sich ein Ausflug nach Frankfurt. Dort hat der seit 2009 tätige Intendant Oliver Reese das Schauspiel zurück in die Spitzengruppe deutscher Theater geführt.

Die Frankfurter Medea (Premiere war im April 2012) eröffnete im Frühjahr dieses Jahres die Berliner Theaterfestwoche als eine der zehn bemerkenswertesten Inszenierungen der letzten Saison. Zu Recht! Regisseur Michael Thalheimer hat es geschafft, Medea (sozusagen die Quentin Tarantino Rachegeschichte unter den griechischen Tragödien) in unsere Zeit zu retten und zeigt eine Inszenierung ohne Verfremdungen und Launen, die stark getragen wird von den Fähigkeiten der Schauspieler. Die Geschichte um den Raub des Goldenen Vlieses durch Jason und dessen Helferin Medea, die aus Liebe alles für Jason aufgab, kulminiert in dieser Eifersuchtsgeschichte, in der Medea aus Rache dafür, von Jason verlassen zu werden und eine andere zu heiraten, ihre gemeinsamen Kinder und dessen zukünftige Braut tötet.

Thalheimer wertet und denunziert seine Figuren nicht und das ist auch das Großartige an seiner Regie: man folgt der Inszenierung stets mit dem Eindruck, etwas Mustergültiges und Zeitloses zu sehen, jenseits vom archaischem Mythos, klassischem Pathos oder distanzierender Künstlichkeit. Man wird Zeuge eines Beziehungsdramas, das bis aufs Blut geführt wird - nervenaufreibend, hoch spannend und packend. Nie wird um den heißen Brei herum geredet, hier zählt keine wie auch immer geartete Correctness oder Rücksicht - hier geht es um ein brutales Beziehungsende. Constanze Becker spielt und spricht die gekränkte und gedemütigte Medea unerbittlich. Wie in Stein gemeiselt und unabänderlich sind auch Ihre Sätze, Vorwürfe, Tiraden und Rechtfertigungen, eine Sprache der Alternativlosigkeit. Ihr Handeln wird geprägt von der eisernen Konsequenz der totalen Selbststimmung. Sie liebt und hasst absolut. Ihr ganzes Glück lag alleine in der Beziehung zu Jason, ihre Rache bricht alle Brücken hinter ihr ab, ihre Wut verleiht ihr übermenschliche, grauenvolle Entschlossenheit. Nach ihr die Sintflut. Larger than life ... und doch so real und erschreckend überzeugend in der Irrationalität ihrer Handlung - das ist der Kern des Kunststücks, das Thalheimer/Becker zeigen.

Auf einem erhöhten Bühnenabschnitt im Hintergrund agiert die durch Tränen Wimperntuschen-verschmierte Medea, während alle anderen zu ihr kommenden Figuren von oben herab von Medea angesprochen werden. Es besteht viel Raum zwischen ihr und den anderen und erst als sie ihren Racheplan entworfen hat und sie Jason die Fügung in ihr Schicksal vortäuscht, fährt ihr erhöhtes Podest wie eine bedrohliche, erdrückende Gewalt nach vorne und lässt den anderen kaum noch Platz. Wie eine Spinne in ihrem Netz kauert sie dabei anfänglich und versucht dann, den Gatten zu umgarnen. Frei ist hier nur, wer sich jeder mitmenschlichen Verpflichtung entledigt. Emanzipation und Selbstverwirklichung beginnen nach der Auslöschung ihres früheren Lebens. Der Schritt zu dessen Zerstörung zeigt eine verformte, verkrampfte, fratzenhafte Medea; Becker reißt den Mund auf und streckt weit ihre Zunge heraus, als wolle sie alles herausbrüllen und herauswürgen, was sie noch mit der Demütigung des Verlassenwerdens verbindet. Laute Musik und Piktogramme des Familienglücks begleiten den seelischen Weg zum Mord. Die Konsequenzen sind desaströs und von eisiger Kälte geprägt. Erst als sie ihre Rache genommen hat, wird Medea sich auf eine Ebene zu den anderen herab begeben, proper und adrett im kleinen Schwarzen und Trenchcoat zieht sie in ihr neues Leben und lässt Jason gebrochen und am Boden zerstört hinter sich.

Thalheimers Inszenierung ist darin mutig, daß sie reduziert und doch überbordend, nüchtern und doch expressiv ist. Alles wirkt folgerichtig, nichts falsch oder überbelichtet. Keine Ausreden, kein Getue - Thalheimers Theater ist nicht verzagt oder mutlos. Auf der kargen Bühne ist für überflüssigen Schnickschnack kein Platz. Und sogar die Video- und Musikeinspielung folgen der Inszenierungslogik und setzen sich positiv ab von all den Theatern, die Musik und Gesang beliebig einsetzen, weil es irgendwie nett und entspannend für die Zuschauer ist, wenn zwischendurch mal öfters etwas Englisches geträllert wird oder Stimmungen entstehen sollen, die eigentlich sonst durch Schauspieler und Bühne erschaffen werden.

Fazit: Die volle Wucht griechischer Tragödie! Eine großartige, unglaublich direkte und fesselnde Aufführung, die durch Constanze Becker in der Hauptrolle zum aufwühlenden Ereignis wird. Ein Glücksfall, wie er nicht oft gelingt und der zeigt, wieso Live-Erlebnisse unschlagbar sind und Theater unerlässlich. Aber Achtung: es besteht Suchtgefahr und erhöht gleichzeitig den Schmerzfaktor angesichts der aktuellen Karlsruher Zustände.
   
PS: 2014 inszeniert Thalheimer in Frankfurt Kleists Penthesilea!

Besetzung & Team
Amme: Josefin Platt
Chor der korinthischen Frauen: Bettina Hoppe
Medea: Constanze Becker
Kreon: Martin Rentzsch
Jason: Marc Oliver Schulz
Aigeus: Michael Benthin
Bote: Viktor Tremmel

Regie: Michael Thalheimer
Bühne: Olaf Altmann
Kostüme: Nehle Balkhausen
Musik: Bert Wrede
Video: Alexander du Prel
Dramaturgie: Sibylle Baschung

Dienstag, 18. Juni 2013

7. Symphoniekonzert, 17.06.2013

Heiße 36°C im Verlauf des Tages, doch wer befürchtete, ermattete Musiker nach der ersten Hitzewelle des Jahres anzutreffen, lag falsch. Gestern Abend war das Kunststück einer hoch konzentrierten und doch glücklich gelösten Aufführung zu bestaunen. Justin Brown und die Badische Staatskapelle spielten ein famos gelungenes Konzert.

Meeresimpressionen - groß besetzte Orchestergemälde über maritime Themen und ein Liederzyklus, Musik aus England und Frankreich stand auf dem Programm des 7. Symphoniekonzerts, das auch zur Einstimmung und Vorbereitung auf den kommenden Höhepunkt in der Oper nützt: Benjamin Brittens 1945 uraufgeführtes Meisterwerk Peter Grimes hat am 06.07.13 Premiere im Großen Haus - eine Oper, aus der Britten fünf orchestrale Zwischenspiele -Sea Interludes- für den Konzertgebrauch zusammenstellte, die den gestrigen Abend ergänzt hätten, aber aus guten Grund so kurz vor der Premiere fehlten.

Frank Bridge (*1879 †1941) war der Kompositionslehrer von Benjamin Britten. The Sea ist ein zwischen Ruhe und Aufruhr, Idylle und Naturgewalt angesiedelte musikalische Bilddichtung in vier Sätzen, die ihren Ursprung in der Spätromantik hat. Ein klangschönes, teilweise schwelgerisches Konzertstück - zwar keine Entdeckung, aber dennoch eine schöne Ausgrabung.
 
Benjamin Brittens musikalisch abwechslungs- und stimmungsreicher Liedzyklus für hohe Stimme und Streichorchester Les Illuminations ist -wie auch die Anfang der Spielzeit aufgeführte Sinfonia da Requiem- ein Resultat seines USA Aufenthalts zwischen 1939 und 1942. Mit Eleazar Rodriguez hat man einen Sänger im Karlsruher Ensemble, der innerhalb von zwei Spielzeiten nur positiv auf sich aufmerksam gemacht hat und dem man nach seinem sympathischen, engagierten gestrigen Auftritt und spannend vorgetragenen Liedzyklus sowie bspw. der Hauptrolle in Donizettis Regimentstochter, regelmäßig Hauptrollen und noch viele schöne Jahre am Badischen Staatstheater wünscht. Bravo an alle Beteiligte für eine sehr gelunge Aufführung!

Der britische Komponist Benedict Mason (*1954) hat für seine Komposition Lighthouses of England and Wales die britische Küste bereist und versucht, Leuchtfeuer und Leuchttürme in ihrer Rhythmik und Besonderheit musikalisch zu erfassen. So originell die Entstehungsgeschichte auch erscheint - dem Durchschnittshörer bleibt als Charakteristik wohl nur etwas im Ohr, das sich dreht und kreist. Ob man mit dieser Musik ein Leuchtfeuer assoziiert oder die Musik als Schwindelgefühl, Agonie und Katerstimmung nach einer durchzechten Nacht interpretiert, bleibt eine individuelle Wahrnehmung. Zumindest gab es einige interessante Klangeffekte. Der mäßige Applaus sprach für wenig seemännische Begeisterung im Publikum.

Doch Begeisterung löste Justin Brown  an diesem Abend mit einer umwerfend großartigen Aufführung zum Abschluß aus. Der Abend endete wie er begann - mit der im Vergleich zu Bridges The Sea deutlich bekannteren (und beeindruckenderen) französischen Meeresbeschreibung La Mer von Claude Debussy.  Es war einer der seltenen Glücksfälle, bei denen man den Eindruck hat, daß ein Dirigent eine ausgesprochen hohe Affinität zu einer Komposition hat und eine mustergültige und vorbildliche Interpretation spielt. Noch mal an alle Beteiligten: Bravo und vielen Dank für das schöne Konzert!

Mittwoch, 12. Juni 2013

Donizetti - Die Regimentstochter, 11.06.2013

Bald endet das zweite Jahr der neuen Intendanz und man sollte im Badischen Staatstheater Betriebstemperatur erreicht haben. Aber hat man das denn?
Immer wieder fiel mir in den letzten Wochen und Monaten auf, daß mich das Opernprogramm nicht glücklich macht. Warum? Was stand bzw. steht denn unter der Woche im Mai und Juni überhaupt auf dem Programm? Man hat zwei Monate lang die Qual der Wahl unter 3 (drei) Stücken: an Werktagen kann man acht Wochen lang nur entweder Der Vetter aus Dingsda oder Die Regimentstochter oder Die Passagierin hören. Kommt nur mir das etwas wenig und abwechslungsarm vor?
Kurze Stichproben in den Jahren 2009 und 2010 zeigen, daß damals jeweils sechs Opern unter der Woche auf dem Programm standen, also doppelt so viel Auswahlmöglichkeiten.
(2010: Herzog Blaubarts Burg, Die griechische Passion, Cosi fan tutte, Der Barbier von Seviglia, Fidelio, Tosca und in Vorstellungen am Wochenende: Euryanthe, Masnadieri, Don Carlos, Rosenkavalier).
Leidet man in Karlsruhe bezüglich des Opernprogramms aktuell unter einer gewissen Eintönigkeit und mangelnden Wahlmöglichkeiten oder ist man einfach noch nicht soweit, einen vielfältigeren Spielplan mit dem neuen Ensemble auf die Beine zu stellen?

Die Oper geht ja einen anderen Weg als das Schauspiel: man orientiert man sich an den Liebhabern und Kennern und präsentiert ihnen Opern, die es in den letzten Jahrzehnten in der Regel nicht oder noch nie zu hören gab. Ob das wirklich den etwas  beliebig anmutenden Titel "Bestes Opernprogramm" verdient, gehört zur Kategorie überflüssiger, bedeutungsloser, aber modischer Ranglisten-Erörterungen (neudeutsch: Rankings), die mehr Zeitvertreib als Erkenntnisgewinn versprechen. Und dennoch möchte ich hier mal ausdrücklich Joscha Schaback und Bernd Feuchtner loben. Das Programm ist interessant und bemerkenswert, dennoch fehlt mir etwas, das nur schwer zu umschreiben ist - eine wöchentliche Möglichkeit etwas Bekömmliches anzuhören, das über eine Operette hinaus gehen soll (obwohl mir Der Vetter aus Dingsda sehr gefällt) und wiederum für einen spontanen Besuch nach Feierabend weniger schwer und ernst ist als Wallenberg oder Die Passagierin.

Auf die gestrige Vorstellung von  Donizettis Regimentstochter habe ich mich deshalb richtig gefreut. Die Inszenierung ist, wie auch bereits Spontinis La Vestale, solides Handwerk. Beide hätten meines Erachtens -und das ist wertungsfrei gemeint- auch in der Thorwald-Zeit so produziert werden können und nur zur Intendanz Pavel Fiebers (dessen Opernprogramm für mich besser war als sein Ruf) hätten sie wohl nicht gepasst.

Die A-Premiere  der Regimentstochter war ein gut unterhaltsames und sängerisch hochwertiges Erlebnis und in der Besetzung fast identisch mit der gestrigen Vorstellung (für die kranke Tiny Peters sprang Multitalent Anna-Magdalena Beetz ein), bei der alle Beteiligten unverändert viel Spielfreude und Virtuosität zeigten. Vor allem das zentrale Quartett Schlingensiepen / Eleazar (an beide: Bravo!) und Gauntt / Hudarew trugen zur guten Stimmung bei dieser harmlosen Inszenierung bei, die einen kurzweiligen ersten Akt und einen sich etwas ziehenden zweiten aufweist. Das Publikum reagierte wie schon in der Premiere sehr angetan von der Aufführung und gab allen Beteiligten viel und langen Applaus.

Samstag, 1. Juni 2013

Siegfried (Ballett), 31.05.2013

Die Wiederaufnahme nach einem Jahr bestätigt die bisherigen Beobachtungen (mehr dazu hier, hier und hier): was für ein eindrucksstarkes und abwechslungsreiches Ballett, wie spannend getanzt vom Badischen Staatsballett und wie packend dirigiert und gespielt von Christoph Gedschold und der Badischen Staatskapelle. Es macht einfach Spaß zuzusehen und zuzuhören, abwechselnd oder zusammen. Entweder auf der Bühne oder im Orchestergraben oder auch gleichzeitig - es passiert immer etwas Bemerkenswertes.

Dienstag, 28. Mai 2013

6. Symphoniekonzert, 27.05.2013

Zu Beginn erklang eine ungewohnt "runde" Sache des 1974 in Innsbruck geborenen Johannes Maria Staud. Sein Preludio für Orchester Tondo ist kreisförmig angelegt - ein musikalisches Perpetuum mobile, bei dem das Ende in den Anfang übergeht und das ca. zehnminütige Stück vom Dirigenten beendet werden muß oder es sich sonst da capo wiederholt. Das Stück wirkte bemüht, vor allem bemüht um Originalität und war als visueller Eindruck für viele wahrscheinlich interessanter denn als akustischer: ein großes Orchester mit viel Schlagzeug und unterschiedlichsten Klangeffekten. Zumindest Filmmusikqualitäten kann man Tondo beim ersten Hören attestieren.

Mozarts Klarinettenkonzert benötigt keine weiteren Worte. Fast genau vor 10 Jahren war es zuletzt in Karlsruhe zu hören und auch diesmal hat es wieder verzaubert. Der Solo-Klarinettist der Badischen Staatskapelle Frank Nebl spielte mit souveräner Gelassenheit einen wunderbar beredten und eloquenten Mozart. Bravo!

Nach der Pause folgte die vierte Symphonie von Bohuslav Martinů. Vor drei Jahren war Martinůs Oper Die Griechische Passion mit schönem Erfolg in Karlsruhe gespielt worden und seine vierte Symphonie, die im Sommer 1945 im amerikanische Exil fertig wurde, gilt als seine beliebteste, schönste und optimistischste unter den sechs Werken dieser Gattung. Eine freudvolle Erwartung und etwas ausgelassen Hoffnungsvolles durchzieht diese originelle Symphonie, die durch rhythmische Melodien auch etwas Unruhiges hat. Nur im langsamen dritten Satz gibt es längere Kantilenen.

Es war vielleicht ein Konzert, das mit ca. 75 Minuten Musik ein wenig zu kurz geplant war.  Johannes Willig und die Badische Staatskapelle spielten wie gewohnt sehr gut und bekamen langen Applaus zum Abschluß.

Donnerstag, 23. Mai 2013

Karlsruher Schauspiel vor bitterem Einschnitt

Gestern wurde das Spielzeitheft 2013/14 im Internet veröffentlicht. Hier der Link zu dem ca. 11 MB großen pdf-Dokument. Falls es keine Druckfehler auf den Seiten 187/188 und bei der Legende auf Seite 192 gibt (** bedeutet "für einen Teil der Spielzeit"), trüben sich die Aussichten für das Schauspiel noch weiter ein.

Ein Schock für alle Schauspiel-Fans

Das Badische Staatstheater verliert einen Großteil seiner Hauptdarsteller: Cornelia Gröschel, Timo Tank, Georg Krause und Jonas Riemer verlassen das Schauspiel-Ensemble im Verlauf der nächsten Spielzeit.

Die Karlsruher Problemsparte steht vor einem bitteren Einschnitt
Ob man diesen Qualitätsverlust während der verbleibenden drei Jahre unter der aktuellen Schauspielleitung kompensieren kann, darf in hohem Grad bezweifelt werden. Bei dem in den letzten zwei Spielzeiten zu beobachtenden Umbau des Staatstheaters hin zu einem Schüler-, Volks- und Singspieltheater, bei dem das Sprechtheater nur eine untergeordnete Rolle spielt, konnte man leider eines feststellen: gerade bei den Schauspielern hat man Qualitätseinbußen.

Schauspiel ohne Hauptdarsteller
Blickt man wenige Jahre zurück, dann war es vielleicht die goldene Zeit des Karlsruher Schauspiels:
Unterschiedliche Typen, aber alle Charismatiker mit ungewöhnlich hoher Bühnenausstrahlung. Und man muß es ehrlich zugeben: keiner von den seit 2011 gekommenen Schauspielern hätte sich gegen diese Gruppe durchsetzen können. Jan Andreesen, Simon Bauer, Matthias Halle und Matthias Lamp wären wirklich gute Ergänzungen, sind aber kein Ersatz.
 
PS: Sebastian Kreutz wird diesen Sommer bei den Schlossfestspielen Ettlingen die Hauptrolle in der Komödie “Der Diener zweier Herrn” von Carlo Goldoni übernehmen. Liebes Badisches Staatstheater, holt ihn doch wieder zurück. Ihr benötigt dringend Hauptrollen-Schauspieler!

NACHTRAG:
Über Facebook hatte ich dem Badischen Staatstheater folgende Frage gestellt:
 "Verstehe ich das (**) richtig: Cornelia Gröschel, Timo Tank, Georg Krause und Jonas Riemer verlassen im Verlauf der nächsten Spielzeit das Schauspiel-Ensemble???"
   
Freundlicherweise hat Jan Linders folgende Antwort geschickt
"... Die von Ihnen genannten Schauspieler werden 2013/14 mit Teilspielzeitverträgen am Staatstheater zu sehen sein.
Cornelia Gröschel spielt die Agnes,
Timo Tank spielt in Dantons Tod, Der Einsame Weg und Prinz von Homburg.
Georg Krause spielt in Der Einsame Weg, Alice und neu in Gas.
Jonas Riemer spielt seine Hauptrolle in Der Vorname.
Neu engagiert haben wir Florentine Krafft von der Zürcher Hochschule.
Neu auf den Bühnen des Staatstheaters werden u. a. Tim Grobe aus dem Ensemble des Schauspielhauses Hamburg sowie Andrej Kaminsky aus dem Ensemble des Centraltheaters Leipzig zu sehen sein.
Mit freundlichen Grüßen
Jan Linders
Schauspieldirektor
"

Mittwoch, 22. Mai 2013

Vorschau: Symphoniekonzerte 2013/14 der Badischen Staatskapelle

Gastsolisten in der kommenden Spielzeit: u.a. Boris Berezovsky, Leon Fleisher (nicht nur ein berühmter Solist, sondern u.a. auch Justin Browns Lehrer), Chloë Hanslip

1. Symphoniekonzert

Andrew Norman - Unstuck
Richard Strauss - Don Quixote
Ludwig van Beethoven - Symphonie Nr. 7 A-Dur

Franziska Dürr - Viola, Thomas Gieron - Violoncello, Justin Brown - Dirigent
22.9.13, 23.9.13


2. Symphoniekonzert

Arvo Pärt - Cantus in Memoriam Benjamin Britten / Arbos
Sergej Prokofjew - Klavierkonzert Nr. 4 B-Dur
Jean Sibelius - Symphonie Nr. 6
Jean Sibelius - Symphonie Nr. 7

Leon Fleisher - Klavier, Justin Brown - Dirigent
20.10.13, 21.10.13


3. Symphoniekonzert

Wolfgang Amadeus Mozart - Symphonie Nr. 40 g-Moll KV 550
Musik aus Lateinamerika

Alondra de la Parra - Dirigentin
24.11.13, 25.11.13


4. Symphoniekonzert

Maurice Ravel - Menuet Antique
Francis Poulenc - Litanies à la Vierge noire
Claude Debussy - Nocturnes
Igor Strawinsky - Oedipus Rex

Matthias Wohlbrecht: Oedipus, Ks. Ewa Wolak: Jokaste, Renatus Meszar: Kreon, Luiz Molz: Tiresias, Renatus Meszar: Bote, Steven Ebel: Hirte, Gunnar Schmidt:  Sprecher, Justin Brown - Dirigent
2.2.14, 3.2.14 20.00


5. Symphoniekonzert

Felix Mendelssohn Bartholdy - Violinkonzert e-Moll
Josef Suk - Symphonie c-Moll „Asrael“

Chloë Hanslip - Violine, Tomáš Hanus - Dirigent
9.3.14, 10.3.14 20.00
   
    
6. Symphoniekonzert
Toru Takemitsu - Spirit Garden
Germaine Tailleferre - Concertino für Harfe und Orchester
Vivian Fung - Harfenkonzert
Robert Schumann - Symphonie Nr. 1 „Frühlingssymphonie“

Bridget Kibbey - Harfe, Johannes Willig - Dirigent
30.3.14, 31.3.14 20.00


7. Symphoniekonzert

Johann Sebastian Bach / Anton Webern - Ricercar
Arnold Schönberg - Ein Überlebender aus Warschau
Alban Berg - Drei Stücke für Orchester op. 6
Henryk Górecki - Symphonie der Klagelieder

Ks. Barbara Dobrzanska, Renatus Meszar, Justin Brown - Dirigent
18.5.14, 19.5.14
 

8. Symphoniekonzert

Georg Friedrich Haas - Opus 68 (Skrjabin)
Sergej Rachmaninow - Klavierkonzert Nr. 4
Dimitri Schostakowitsch - Symphonie Nr. 15

Boris Berezovsky - Klavier, Justin Brown - Dirigent
29.6.14, 30.6.14


Die Planung für 2013/14 in den anderen Sparten findet sich hier
http://badisches-staatstheater-karlsruhe.blogspot.de/2013/04/vorschau-auf-die-spielzeit-201314-in.html

Dienstag, 21. Mai 2013

Festspielhaus Baden-Baden: Mozart - Don Giovanni, 20.05.2013

Die kurze Fahrt von Karlsruhe nach Baden-Baden hat sich an Pfingsten mehr als gelohnt: Don Giovanni ist musikalisch und sängerisch ein besonderes Erlebnis, das begleitet wird von einer eher nichtssagenden Inszenierung, die aber nie stört und sich in Don Giovannis Höllenfahrt dann noch zu großer Bühnenwirksamkeit steigert.

Sonntag, 19. Mai 2013

Weinberg - Die Passagierin, 18.05.2013

Der Kontrast war deutlich: draußen endlich mal wieder ein sonniger und warmer Frühlingstag und dann geht man an einem schönen Samstagabend in Mieczysław Weinbergs Die Passagierin - wahrlich keine leichte Kost, sondern eine Oper mit ernstem und bedrückendem Thema. Doch der Abend wurde in mehrfacher Hinsicht zu einem Triumph. Die Passagierin ist eine hochwertige, wertvolle und spannende Opernerfahrung und eine wirklich lohnenswerte Repertoire-Erweiterung, die man nicht verpassen sollte!

Freitag, 17. Mai 2013

Kleist - Prinz Friedrich von Homburg, 16.05.2013

Es gab einen guten Aspekt am gestrigen Abend: Timo Tank (mehr zu ihm hier), der vielseitigste und wandelbarste Schauspieler des Badischen Staatstheaters, der in dieser Saison wie kein anderer herausragte und Höhepunkte in My secret Garden und Der einsame Weg setzte, wurde gestern nach der Premiere zum Staatsschauspieler ernannt. Herzlichen Glückwunsch!

Zuvor gab es bei der Premiere von Prinz Friedrich von Homburg wenig Licht, aber viel Schatten. Wer bisher das Schauspiel unter Jan Linders als große Enttäuschung wahrgenommen hat, der wird auch gestern konsterniert nach Hause gegangen sein. Wer danach das Programmheft las, um nach Regiehinweisen zu suchen, der mußte mit weiteren Frustrationen rechnen. Konzipiert ist das Stück für Schüler. Der etwas lang gewordene folgende Text versucht, den verschiedenen Defiziten auf den Grund zu gehen.

Freitag, 3. Mai 2013

Rückblick (1): Die große Enttäuschung. Das Karlsruher Schauspiel in der Spielzeit 2012/13

Wenn Leidenschaft Leiden schafft
Ich würde so gerne etwas Gutes über das Karlsruher Schauspiel berichten. Seit fast 25 Jahren pflege ich diese Leidenschaft und fühle mich besonders dann motiviert, etwas für mich aus einer Inszenierung zu ziehen, wenn ich sie als sperrige und schwierige Herausforderung sehe. Seit zwei Jahren wird diese Zuneigung auf die bisher härteste Probe gestellt, denn dem Schauspiel kann ich nur noch sehr wenig abgewinnen. Bei fast allen Vorstellungen erlebe ich einen Dimensionsverlust, wie ich ihn sonst nur bei Besuchen von schlechteren Bühnen (als das Badische Staatstheater war und sein sollte) kenne. Die qualitativen Unterschiede zu kleineren Bühnen sind nicht mehr deutlich. Die Leuchtturmqualitäten, die ich von einem Staatstheater erwarte, nehme ich nicht mehr wahr. Das Schauspiel hat für mich ein durchschnittliches und langweiliges Mittelmaß erreicht. Welche Gründe gibt es dafür?

HfM: Turnage - Greek, 02.05.2013

Endlich hat es die Karlsruher Hochschule für Musik geschafft: mit dem fertiggestellten Neubauten -dem neuen Unterrichtsgebäude (Fany-Solter-Haus) und dem Multimedia- und Bühnenkomplex MUT (für Musik, Medien und Theater)- neben dem Gottesauer Schloß können nach Jahrzehnten endlich alle Lehreinrichtungen an einem Ort vereint werden und bieten Platz für die 900 Studenten, Dozenten und Angestellte. Am 25. April 2013 war die feierliche Eröffnung und zu Beginn gibt es bis Mitte Mai ein attraktives Fest-Programm. Der neue Konzert- und Theatersaal (das Wolfgang-Rihm-Forum) ist ein kleiner Bühnensaal auf dem neusten Stand der Technik mit ca. 400 Plätzen.

Der britische Komponist Mark-Anthony Turnage (*1960) komponierte 1988 die Oper Greek als Auftragswerk von Hans-Werner Henze für die Münchener Biennale. Es handelt sich dabei um eine modernisierte Version des antiken Ödipus-Themas und spielt im Londoner Unterschichts- und Arbeitermilieu der 1980er Thatcher-Zeit. Ödipus heisst hier Eddy und wurde von einer einfachen Arbeiterfamilie aufgezogen. Eines Tages flüchtet er aus der heimischen Enge, kommt zwischen die Fronten der sozialen Unruhen der Thatcher-Zeit und wird bei einem Krawall von Polizisten zusammengeschlagen. Später erschlägt er selber im Streit wegen eines Kaffees und Käsekuchen einen Cafébesitzer und beginnt eine Beziehung mit dessen Frau -seine Mutter, die ihn als Kleinkind bei einem Unglück auf der Themse verloren hatte und für tot hielt- mit der er glücklich zusammenlebt bis seine Eltern ihm eines Tages erzählen, daß er ein Findelkind ist und die Umstände die Wahrheit ans Licht bringen. Das Ende bleibt seltsam offen und zweideutig: Eddy blendet sich und wird vom Chor in einem Marsch davongetragen, kommt dann aber wieder sehend zurück, um doch bei seiner Mutter bleiben zu wollen.

Das Libretto ist teilweise drastisch ordinär, Turnages Musik ist es nicht. Rhythmisch vorwärtsdrängende Momente stehen neben Sprechgesang und brutalen Orchesterschlägen, schrille und harsche Momente neben ruhigen Glücksmomenten. Viel Schlagzeug und Blechbläser für  harten Realismus, Streicher für die Liebesbeziehung. Es ist ein Wechsel von guten und schwachen Momenten: beeindruckend die Aufruhr mit dem Polizeiaufmarsch, etwas wie ein Fremdkörper der Auftritt der Sphinx. Ein kleines Orchester von ca. 17 Musikern wird dafür benötigt.

Die vier Hauptssänger sind sehr gut besetzt und tragen die Oper, allen voran Lucian Eller als charismatischer Eddy und die mit der intensivsten Stimme des Abends auffallende Dilara Baştar als seine wahre Mutter, sowie Florian Kontschak als Dad und Simone Hirsch als Mum. Baştar und Kontschak sind bekannter- und verdientermaßen beide Mitglied des Opernstudios des Badischen Staatstheaters.

Fazit: Kein Meisterwerk, aber interessante 80 pausenlose Minuten mit spannenden Momenten und wenigen Durchhängern.

Weitere Vorstellungstermine: 15. und 17. Mai 2013, jeweils 19.30 Uhr
Hier der Link zur HfM Karlsruhe (http://www.hfm-karlsruhe.de/)   

Besetzung:

Eddy: Lucian Eller
Frau: Dilara Baştar
Dad: Florian Kontschak
Mum: Simone Hirsch 
und weitere Solisten des Instituts für Musiktheater (IMT)
Orchester der Hochschule für Musik Karlsruhe
Musikalische Leitung: Alicja Mounk
Inszenierung: Andrea Raabe
Bühne: Tobias Dinslage
Kostüme: Julia Schnittger

Dienstag, 30. April 2013

5. Symphoniekonzert, 29.04.2013

Um eine Response, also eine Erwiderung bzw. Antwort zu verstehen, ist es nützlich, die Ursprungsaussage zu kennen. Jonny Greenwoods (*1971) Orchesterstück 48 Responses to Polymorphia aus dem Jahr 2005 ist eine Erwiderung auf Polymorphia für 48 Streichinstrumente des polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki aus dem Jahr 1961. Pendereckis Polymorphia klingt wie die Hintergrund-Musik eines nervenzerreissenden Horror-Films - und tatsächlich wurden Ausschnitte daraus 1980 für den Film Shining des Regisseurs Stanley Kubrick verwendet (Hauptdarsteller Jack Nicholson versucht darin in einem eingeschneiten leeren Hotel seine Familie mit einer Axt zu erschlagen). Penderecki lässt das ca. zehnminütige Polymorhia mit einer Pointe enden: mit einem C-Dur-Akkord. Diesen verwendet Greenwood, um seine neun (nicht 48) Variationen jeweils damit zu beginnen und ihn dann zu verfremden. Nach einer persönlichen Einleitung durch GMD Justin Brown und 15 mäßig unterhaltenden Minuten mit Klangeffekten anstelle von Musik, versöhnte der rhythmische Schlußteil das Publikum zu etwas zu starkem Applaus und bewies, daß es der letzte Eindruck ist, der entscheidet.

Mit Maximilian Hornung hat man einen sehr jungen und bereits sehr renommierten Cellisten engagieren können, der gestern tadellos musizierte und sich mit einem schwierigen Konzert vorstellte, nämlich das des Polen Witold Lutoslawski (*1913 †1994). Dieses 1969/70 entstandene Cellokonzert hat einen programmatischen Hintergrund: Eine einzelne Stimme gegen die Machthaber und die Gleichgültigen, so beschreibt es das Programmheft. Und tatsächlich hört man die Qual und buchstäblich das Wimmern und Winseln des geschundenen und unterdrückten Künstlers im osteuropäischen Sozialismus des Kalten Krieges. Doch auch wer Zahnschmerzen gerne sinnlich-musikalisch erleben will, der kann dieses Konzert als narkosefreie Behandlungserinnerung zur Vorbereitung und Abhärtung hören. Das 30minütige Konzert-Martyrium endet nach zwischenzeitlich akutem, bohrendem, ja panischem Schmerz ungelindert. Ein nervenaufreibendes Konzert, das man nicht regelmäßig ertragen möchte, vor allem nicht, wenn es so intensiv wie von Maximilian Hornung gespielt wird.
Die Zugabe war dann klug zur Erholung kombiniert: Bachs Prélude aus seiner ersten Cello-Suite erklang wie ein helles Aquarell mit leichtem Pinselstrich gemalt.

Nach der Pause dann ein Hauptwerk deutscher Orchestermusik: Johannes Brahms' vierte Symphonie, deren Partitur als eine der schwierigsten und kompliziertesten des Komponisten gilt: ein Meisterwerk der Variationenentwicklung, aber auch ein Werk, dessen Charaker schwer zu bestimmen ist. War es Clara Schumann, die als erstes diesem Werk einen sehr männlichen und herben Charakter attestierte? Bei Justin Brown konnte man diese Aussage nachempfinden: herb mit geheimmisvoll unklaren tragischen Verstrickungen. Der erste Satz steigerte sich verschlungen zu dunkler Leidenschaft. Dem feierlichen und am Ende fast schon sakral endenden zweiten Satz folgte ein fröhliches und teilweise überbordendes Allegro giocoso. Das abschließende Allegro energico e passionato führte zu keiner Stimmungsaufhellung. Justin Brown ließ die Badische Staatskapelle immer wieder energisch aufspielen und steigerte Brahms in den Höhepunkten zu etwas Unerbittlichem.

Ein sehr schönes Konzert des Orchesters (trotz einiger Unkonzentriertheiten bei Brahms), des groß aufspielenden Solisten und des souveränen Dirigenten Justin Brown, das mit viel Applaus belohnt wurde.

PS: Und einen Dank muß man in diesem Jahr bereits jetzt aussprechen, nämlich für die Gast-Solisten. Mit Maximilian Hornung, Benjamin Moser und Boris Berezovsky hatte man bisher herausragend gute Musiker engagiert. Gideon Kremer folgt zum Abschluß der Saison

Sonntag, 28. April 2013

Künneke - Der Vetter aus Dingsda, 27.04.2013

Wer nach der gestrigen Vorstellung nicht zufrieden und in guter Laune nach Hause ging, dem war an diesem Samstagabend auch nicht mehr zu helfen. Nach der Premiere (mehr dazu hier) war die Überraschung groß: musikalisch ist Der Vetter aus Dingsda eine außergewöhnliche und hervorragende Operette, die szenisch sehr gut umgesetzt ist. Und auch die gestrige Aufführung zeigte, daß es sich um einen der seltenen Fälle handelt, bei der eine Operette nicht betulich oder gezwungen um Komik bemüht ist, sondern das Publikum auf beste Art amüsiert und lachen lässt. Beispielhaft sei die Batavia-Erzählung vor der Pause genannt, bei der so gelungen gesungen und getanzt wird, daß das Publikum aus dem Lachen nicht mehr herauskommt.

Hervorheben muß man die homogene Leistung der Sänger, denen man den Spaß und die Freude an dieser Produktion anmerkt und die sich auf das Publikum überträgt.
Sebastian Kohlhepp ist großartig als Sänger und Darsteller und wenn man ihm zuhört, bedauert man, daß es keinen CD-Mitschnitt dieser Operette gibt. BRAVO!
Rebecca Raffell ist ein Ereignis für sich: Allein für ihre Bühnenpräsenz lohnt sich der Besuch! Bei ihr ist keine Sekunde langweilig und man könnte den ganzen Abend ihren Rollenauftritt beobachten und würde dabei mehr erleben, als bei so manchen anderen Komplettproduktionen. BRAVO!
Veronika Pfaffenzeller gehört für mich in dieser Spielzeit zu den positiven Überraschungen. Die junge Sängerin ist angekommen im Ensemble. An sie und alle anderen Beteiligten: BRAVO!

Auch der musikalische Aspekt rechtfertigt einen wiederholten Besuch: was für eine zündende und abwechslungsreiche Musik! Die von Dirigent Florian Ziemen einstudierte Operette wurde gestern vom jungen Nachwuchsdirigenten Justus Thorau ohne Übergabeverlust präsentiert.

Fazit: Operette als Volltreffer - hier ist's geschehen.

Besetzung:
Julia de Weert: Veronika Pfaffenzeller
Hannchen, ihre Freundin: Lydia Leitner
August Kuhbrot, der erste Fremde: Sebastian Kohlhepp
Roderich de Weert, der zweite Fremde: Andrew Finden
Joseph Kuhbrot: Kammersänger Hans-Jörg Weinschenk
Wilhelmine Kuhbrot: Rebecca Raffell
Egon von Wildenhagen: Max Friedrich Schäffer
Diener Hans: Frank Wöhrmann
Diener Karl: Eric Rentmeister

Dienstag, 23. April 2013

Vorschau auf die Spielzeit 2013/14 in Karlsruhe

Hier eine erste Zusammenfassung der Pläne für 2013/14 ohne Berücksichtigung des Volks-, Kinder- und Projekttheaters.
Das Programm der Symphoniekonzerte wird am 6. Juni veröffentlicht.


OPER

EIN MASKENBALL
Oper von Giuseppe Verdi
REGIE Aron Stiehl
12.10.13

DIE FLEDERMAUS
Operette von Johann Strauß
REGIE Lorenzo Fioroni
14.12.13

DOCTOR ATOMIC
Oper von Johns Adams
REGIE Yuval Sharon
26.01.14
  
RICCARDO PRIMO

Oper von Georg Friedrich Händel
HÄNDEL-FESTSPIELE 2014, Mehr dazu auch hier
REGIE Benjamin Lazar
23.02.14
  
RINALDO
Oper von Georg Friedrich Händel
HÄNDEL-FESTSPIELE 2014
02.03.14
(mehr zu der Marionetten-Inszenierung findet sich in diesem Video: http://vimeo.com/26574249)

DIE MEISTERSINGER VON NÜRNBERG
Oper von Richard Wagner
REGIE Tobias Kratzer
Mit: Renatus Meszar als Hans Sachs, Daniel Kirch als Stolzing
26.04.14

DAS KIND UND DIE ZAUBERDINGE / DIE NACHTIGALL
Kurzopern von Maurice Ravel und Igor Strawinsky
14.06.14

BORIS GODUNOW
von Modest Mussorgsky, Urfassung
REGIE David Hermann
19.07.14

Wiederaufnahmen: 
DER FLIEGENDE HOLLÄNDER,  27.10.13
PETER GRIMES, 15.09.13
DIE HOCHZEIT DES FIGARO, 21.09.13
DIE REGIMENTSTOCHTER; 03.10.13
RIGOLETTO, 03.11.13
HÄNSEL UND GRETEL, 08.12.13
DIE ZAUBERFLÖTE, 12.01.14
TANNHÄUSER, 09.02.14
DIE PASSAGIERIN, 21.03.14

Anmerkung: Was ist denn aus der Reihe Große Französische Oper geworden? Und was aus den Meisterwerken des 20. Jahrhunderts? Ravel/Strawinsky ist in der Hinsicht eine bescheidene Auswahl. Geht dem Badischen Staatstheater schon nach zwei Spielzeiten die Planungs-Luft aus?
Und wieso schon wieder die unattraktive Rigoletto-Inszenierung? Ist das Repertoire-Lager wirklich so leer?

BALLETT

DORNRÖSCHEN – DIE LETZTE ZARENTOCHTER
Ballett von Youri Vámos
16.11.13

MYTHOS
Kreationen von Jörg Mannes, Reginaldo Oliveira & Tim Plegge     
22.03.14

CHOREOGRAFEN STELLEN SICH VOR
Ein Ballettabend zur Entdeckung neuer Talente
URAUFFÜHRUNGEN
Juli 2014

Dazu fünf Wiederaufnahmen: Momo, Giselle, In den Winden im Nichts, Nußknacker und Schwanensee


SCHAUSPIEL
Eine Bemerkung vorab: Entweder Jan Linders ist erbarmungslos oder er kennt wirklich nur sehr wenige Regisseure - man trifft schon wieder auf die Namen, die bisher bereits nur für wenig interessantes Schauspiel standen ....
Und schon wieder Shakespeares Sommernachtstraum? Wie ideenlos ist das denn?? Der stand doch erst vor wenigen Jahren im Programm!?! Es gibt so viele andere Komödien von Shakespeare und anderen Autoren .....

KLEINES HAUS:  
  

KABALE UND LIEBE

Ein bürgerliches Trauerspiel von Friedrich Schiller
REGIE Simone Blattner
03.10.13

ENDSTATION SEHNSUCHT
von Tennessee Williams
REGIE Sebastian Schug
21.11.13

EIN SOMMERNACHTSTRAUM
Komödie von William Shakespeare
REGIE Daniel Pfluger
30.01.14

MAIENSCHLAGER
Schauspiel von Katharina Gericke
REGIE Stefan Otteni
17.04.14

GAS I & II
aus der Sozialen Trilogie von Georg Kaiser
REGIE Hansgünther Heyme
08.05.14

DAS GLASPERLENSPIEL
nach dem Roman von Hermann Hesse
REGIE Martin Nimz
Juni 2014


STUDIO Bühne: 

RICHTFEST

Komödie von Lutz Hübner
29.11.13

BENEFIZ – JEDER RETTET EINEN AFRIKANER
von Ingrid Lausund
23.01.14 

HOHE AUFLÖSUNG

von Dmytro Ternovyi
Juni 2014


SINGSPIEL

RIO REISER –  KÖNIG VON DEUTSCHLAND
Eine musikalische Biografie von Heiner Kondschak
28.09.13

LIEDER AUS DEM ALL
Ein Liederabend von & mit Natanaël Lienhard & Jakob Bussmann
Oktober 2013


Ein kurzes persönliches Fazit:
  • Ein interessantes Neuprogramm mit Opern, die es lange nicht mehr oder noch nie in Karlsruhe zu hören gab. Doch es fehlen spannende Wiederaufnahmen. Nur Der fliegende Holländer ergänzt sinnvoll das Programm. Es freut mich, daß (schon wieder) Die Fledermaus kommt. Die letzte Inszenierung ist ja erst knapp 10 Jahre her und war ein großer Erfolg und ich habe sie noch vor Augen und sogar im Ohr, aber ein bißchen langweilig in Hinsicht auf Repertoire-Vielfalt ist das schon ....
  • Im Ballett konnte man Dornröschen ja fast schon erwarten. Handlungsballette sind beim Karlsruher Publikum so beliebt, daß man jetzt schon von ständig ausverkauften Vorstellungen ausgehen kann.
  • Das Schauspiel-Programm ist so uninteressant wie .... ja wie bisher noch nie. Karlsruhe zeigt Theater für Gruppierungen und grenzt eine Gruppe leider aus: die, die einfach gerne gutes Theater sieht. Bei der Auswahl der Regisseure kann man sich gruseln - so öde und freudlos war Theater in Karlsruhe zuletzt phasenweise in den 1990ern.
    Liebes Badisches Staatstheater, alles ist zyklisch und irgendwann gilt es, einen neuen Schauspielchef & Team zu wählen. Bitte nehmt keine Theoretiker und Verwalter, sondern einen Praktiker - jemand, der sich selber mit seinen Inszenierungen vor sein Publikum traut, jemand, dem es um die Umsetzung geht, dessen Theater sinnlich und prall ist und nicht aufgrund von inhaltlichen Erwägungen berechenbar, trocken und langweilig.

Sonntag, 21. April 2013

Donizetti - Die Regimentstochter, 20.04.2013

Endlich mal wieder etwas aus dem Belcanto-Repertoire! Und das war vielleicht das Schönste an der gestrigen Premiere: der einhellige und herzliche Jubel für Ina Schlingensiepen und Eleazar Rodriguez, die ihre anspruchsvollen Hauptrollen so schön und sicher sangen. Es heißt, daß Felix Mendelssohn Die Regimentstochter bewunderte und gerne selber komponiert hätte. Donizettis komisches Meisterwerk bietet große Szenen und berühmte Arien für die Sänger, eingängige Musik und viel Leichtigkeit und Witz - in Karlsruhe gelingt dies in hohem Maße in einer guten Inszenierung.

Worum geht es?
Die Oper spielt zu Zeiten Napoleons. Die französischen Revolutionstruppen kämpfen 1805 gegen Österreich und sind in Tirol. Die Handlung von Donizettis fröhlichster Oper ist harmlos und eingänglich. Kurz gesagt: das von Soldaten großgezogene Sopran-Findelkind Marie findet ihre Mutter (die Marquise von Berkenfield) wieder und darf am Ende den Tenor Tonio heiraten.

Marie, Tochter einer illegitimen Beziehung zwischen einem bürgerlichem Soldaten und einer adligen Mutter, die sie nie kennenlernte, wurde nach dem frühen Tod ihres Vaters von dessen Regimentskameraden und dem Sergeanten Sulpice großgezogen. Marie kennt nur das Soldatenleben und hat viele "Väter" im Regiment. In Tirol verliebt sie sich "in den Feind" - in den Tiroler Tonio. Um Marie heiraten zu können, tritt dieser in die französische Armee ein - er will so die Zustimmung von Maries "Väter" erhalten. Doch kaum ist dies geschehen, wendet sich das Blatt. Sulpice findet in Tirol durch Zufall Maries Tante, die sich später als deren Mutter erweist: die Marquise von Berkenfield nimmt die burschikose Marie mir auf ihr Landgut, um aus ihr eine Dame der besseren Gesellschaft zu machen und sie standesgemäß zu verheiraten. Eine schwierige und für das Publikum amüsante und unterhaltsame Aufgabe. Doch letztendlich gibt die Marquise nach: Marie kriegt Tonio.

Was ist zu sehen?
Regisseurin Aurelia Eggers stand vor einer einfachen Aufgabe: Die Regimentstochter muß Spaß machen. Diese Aufgabe hat sie gut gelöst, im ersten Akt gab es zwei mal Szenenapplaus für die Inszenierung. Das Bühnengeschehen ist abwechslungsreich mit überwiegend guten Einfällen.
Eggers bemüht sich vor allem um politische Korrektheit. Um die 200 Jahre alte Militärseligkeit dieser Oper zu entwaffnen und verniedlichen, setzt sie auf Satire und lässt bspw. die Soldaten im ersten Akt zum Lange-Unterhosen-Appell antreten, bei der Marie die Regimentsväter mit der passenden Alpen-Unterwäsche ausstattet. Die Bühne ist in einen Rahmen gefasst, das Bühnenbild ist pittoresk im Stil eines kolorierten Stichs. Der historische Kriegshintergrund wird zur allegorischen Auseinandersetzung zwischen den von Schauspielerinnen gespielten Ländern Frankreich und  Österreich, die während der Ouvertüre in Streit geraten und sich mit Kanonen beschießen.
Auf Kostümebene sind die französischen Soldaten in typischen Uniformen der napoleonischen Zeit; Eleazar Rodriquez ist als Tonio anfänglich fesch in Trachtenbekleidung, Marie ist dagegen zu Beginn in einem aktuell zeitgemäßerem Outfit. Der Landadel hingegen besteht aus Gruftis und erinnert an Figuren aus alten amerikanischen Schwarz-weiß-Gruselfilmen. Bei ihrem Auftritt zeigt die Regisseurin buchstäblich uralten Adel. Nachdem sich kurz zuvor Donzetti im Trio Tous les trois réunis als musikalisches Vorbild für Jacques Offenbach zeigte, inszeniert Eggers im Schlußbild eine kurze Offenbachiade mit entsprechenden musikalischen Anleihen - dieser Abschnitt ist der diskutabelste dieser Regimentstochter, da sein Witz nur auf Klamauk beruht und den Schluß eher zu verzögern scheint, statt zum Ende nochmal Tempo zu gewinnen.

Was ist zu hören?

Donizettis 67 erhaltene Opern haben ein wechselvolles Bühnenleben. Vor allem die drei komischen Opern Der Liebestrank, Die Regimentstochter und Don Pasquale sowie die tragische Lucia di Lammermoor sind immer auf den Opernbühnen präsent gewessen. Andere werden mehr oder weniger regelmäßig wieder neu entdeckt oder vergessen. Donizettis für Paris in französisch komponierte komische Oper La fille du régiment ist eine der schönsten und witzigsten ihres Genres mit sehr anspruchsvollen und schwierigen Rollen für die Sänger. Maries Abschiedsarien Il faut partir am Ende des 1. Akts und Par le rang et par l'opulence im 2. Akt sind große Arien, die auch in Donizettis tragischen Opern ihren Platz gefunden hätten und wurden gestern von Ina Schlingensiepen zum Dahinschmelzen schön gesungen. Sie bleibt ihrer Rolle als Marie nichts schuldig: anfänglich lebhaft burschikos und doch feinfühlend und entwaffnend beherrscht sie in jeder Hinsicht die Szenerie und wird von Eleazar Rodriguez ideal ergänzt. Besonders die erste Arie des Tonio am Ende des 1. Akts gilt wegen der extrem hohen Lage (neun hohe C!) als schwierige Paraderolle und wurde von dem jungen Mexikaner bravourös gesungen. Für den Tenor eine geglückte und glückliche Premiere. Das Ganze wird verfeinert durch Edward Gauntt als Sulpice, Sarah A. Hudarew als Marquise und einem sehr guten Chor. Es lohnt sich auch immer wieder, der Badischen Staatskapelle unter Johannes Willig zuzuhören und sich bewußt zu machen, was dort Schönes und Großes von Donizettis erklingt.

Fazit:  Ein Triumph für Ina Schlingensiepen, viel Jubel für Eleazar Rodriguez, Edward Gauntt und Sarah A. Hudarew, die zusammen mit allen andern Sängern und dem Chor sowie dem Orchester die Garanten dafür sind, daß diese Regimentstochter immer wieder fröhlich und ausgelassen wirkt und ihr Publikum fast durchgängig sehr gut unterhält. 

PS(1): Ina Schlingensiepens großes Rollendebut wurde noch veredelt: Intendant Peter Spuhler und sein Vorgänger Achim Thorwald kamen beim Schlußapplaus auf die Bühne und verliehen ihr den Titel Kammersängerin. Herzlichen Glückwunsch!

PS(2): Die Idee, Marie als Regimentswäscherin zu zeigen, wobei im Hintergrund lange Unterhosen zum Trocknen aufgehängt sind, erinnert allerdings sehr stark an die DVD Produktion des Royal Opera House 2007 mit Natalie Dessay und Juan Diego Flórez ...

PS(3): Im Publikum waren neben Achim Thorwald bspw. auch Thomas Brux, Justin Brown, Katharine Tier und Stefan Viering

Team und Besetzung
Marie: Kammersängerin Ina Schlingensiepen 
Tonio: Eleazar Rodriguez
Sulpice: Kammersänger Edward Gauntt
La Marquise de Berkenfield: Sarah Alexandra Hudarew
Hortensius: Lucas Harbour
La Duchesse de Crakentorp: Tiny Peters
Ein Offizier: Thomas Rebilas
Ein Bauer: Jan Heinrich Kuschel
Ein Notar: Martin Beddig

Dirigent: Johannes Willig
Regie: Aurelia Eggers
Bühne & Kostüme: Rainer Sellmaier

Donnerstag, 11. April 2013

Konstantin Gorny und Anna Netrebko im Radio

Ö1 überträgt am Samstag, 27. April 2013 ab 19:30h Tschaikowskys Eugen Onegin in einer Aufzeichnung aus der Wiener Staatsoper. Neben Anna Netrebko (Tatjana) und Dmitri Hvorostovsky (Eugen Onegin)  singt der Karlsruher Baß Konstantin Gorny den Fürsten Gremin.
Mehr dazu hier: http://oe1.orf.at/programm/335632

Am Samstag, 20. April -aber aufgepasst, da darf niemand rund um Karlsruhe Ina Schlingensiepen und Eleazar Rodriguez in der Premiere von Donizettis Regimentstochter verpassen- überträgt Deutschlandradio Kultur eine Aufzeichnung vom 15.03.2013 einer konzertanten Aufführung von Richard Wagners Götterdämmerung aus der Philharmonie Berlin mit den früheren Karlsruher Ensemblemitgliedern Lance Ryan als Siegfried und Edith Haller als Gutrune
Mehr dazu hier: http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/konzert/2026236/

Dienstag, 2. April 2013

Festspielhaus Baden-Baden: Mozart - Die Zauberflöte, 01.04.2013

Da ist dem Festspielhaus Baden-Baden wirklich ein Coup gelungen, als man 2011 melden konnte, daß die Berliner Philharmoniker ab 2013 als Orchester die Osterfestspiele in der Kurstadt und nicht mehr in Salzburg bestreiten. Und wie in Baden-Baden üblich -immerhin kommt man in Deutschlands größter Bühne mit 2.500 Sitzplätzen ohne öffentliche Zuschüsse aus und der ganze Bau wurde nur von Sponsoren privat finanziert- wird den finanzkräftigen Besuchern in der Regel Bekömmliches, Bekanntes und Beliebtes (manche werden sagen Langweiliges) serviert. Entdeckungen und Ausgrabungen darf man nicht erwarten - Risiken kann sich ein selbstfinanziertes Festspielhaus nicht leisten und gibt damit das beste Beispiel, wieso die steuerfinanzierten Häuser unersetzlich sind.