Heiße 36°C im Verlauf des Tages, doch wer befürchtete, ermattete Musiker nach der ersten Hitzewelle des Jahres anzutreffen, lag falsch. Gestern Abend war das Kunststück einer hoch konzentrierten und doch glücklich gelösten Aufführung zu bestaunen. Justin Brown und die Badische Staatskapelle spielten ein famos gelungenes Konzert.
Meeresimpressionen - groß besetzte Orchestergemälde über maritime Themen und ein Liederzyklus, Musik aus England und Frankreich stand auf dem Programm des 7. Symphoniekonzerts, das auch zur Einstimmung und Vorbereitung auf den kommenden Höhepunkt in der Oper nützt: Benjamin Brittens 1945 uraufgeführtes Meisterwerk Peter Grimes hat am 06.07.13 Premiere im Großen Haus - eine Oper, aus der Britten fünf orchestrale Zwischenspiele -Sea Interludes- für den Konzertgebrauch zusammenstellte, die den gestrigen Abend ergänzt hätten, aber aus guten Grund so kurz vor der Premiere fehlten.
Frank Bridge (*1879 †1941) war der Kompositionslehrer von Benjamin Britten. The Sea ist ein zwischen Ruhe und Aufruhr, Idylle und Naturgewalt angesiedelte musikalische Bilddichtung in vier Sätzen, die ihren Ursprung in der Spätromantik hat. Ein klangschönes, teilweise schwelgerisches Konzertstück - zwar keine Entdeckung, aber dennoch eine schöne Ausgrabung.
Benjamin Brittens musikalisch abwechslungs- und stimmungsreicher Liedzyklus für hohe Stimme und Streichorchester Les Illuminations ist -wie auch die Anfang der Spielzeit aufgeführte Sinfonia da Requiem- ein Resultat seines USA Aufenthalts zwischen 1939 und 1942. Mit Eleazar Rodriguez hat man einen Sänger im Karlsruher Ensemble, der innerhalb von zwei Spielzeiten nur positiv auf sich aufmerksam gemacht hat und dem man nach seinem sympathischen, engagierten gestrigen Auftritt und spannend vorgetragenen Liedzyklus sowie bspw. der Hauptrolle in Donizettis Regimentstochter, regelmäßig Hauptrollen und noch viele schöne Jahre am Badischen Staatstheater wünscht. Bravo an alle Beteiligte für eine sehr gelunge Aufführung!
Der britische Komponist Benedict Mason (*1954) hat für seine Komposition Lighthouses of England and Wales die britische Küste bereist und versucht, Leuchtfeuer und Leuchttürme in ihrer Rhythmik und Besonderheit musikalisch zu erfassen. So originell die Entstehungsgeschichte auch erscheint - dem Durchschnittshörer bleibt als Charakteristik wohl nur etwas im Ohr, das sich dreht und kreist. Ob man mit dieser Musik ein Leuchtfeuer assoziiert oder die Musik als Schwindelgefühl, Agonie und Katerstimmung nach einer durchzechten Nacht interpretiert, bleibt eine individuelle Wahrnehmung. Zumindest gab es einige interessante Klangeffekte. Der mäßige Applaus sprach für wenig seemännische Begeisterung im Publikum.
Doch Begeisterung löste Justin Brown an diesem Abend mit einer umwerfend großartigen Aufführung zum Abschluß aus. Der Abend endete wie er begann - mit der im Vergleich zu Bridges The Sea deutlich bekannteren (und beeindruckenderen) französischen Meeresbeschreibung La Mer von Claude Debussy. Es war einer der seltenen Glücksfälle, bei denen man den Eindruck hat, daß ein Dirigent eine ausgesprochen hohe Affinität zu einer Komposition hat und eine mustergültige und vorbildliche Interpretation spielt. Noch mal an alle Beteiligten: Bravo und vielen Dank für das schöne Konzert!
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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