Da ist dem Festspielhaus Baden-Baden wirklich ein Coup gelungen, als man 2011 melden konnte, daß die Berliner Philharmoniker ab 2013 als Orchester die Osterfestspiele in der Kurstadt und nicht mehr in Salzburg bestreiten. Und wie in Baden-Baden üblich -immerhin kommt man in Deutschlands größter Bühne mit 2.500 Sitzplätzen ohne öffentliche Zuschüsse aus und der ganze Bau wurde nur von Sponsoren privat finanziert- wird den finanzkräftigen Besuchern in der Regel Bekömmliches, Bekanntes und Beliebtes (manche werden sagen Langweiliges) serviert. Entdeckungen und Ausgrabungen darf man nicht erwarten - Risiken kann sich ein selbstfinanziertes Festspielhaus nicht leisten und gibt damit das beste Beispiel, wieso die steuerfinanzierten Häuser unersetzlich sind.
Daß die erste Produktion mit den Berlinern nun gerade Mozarts Zauberflöte ist, wird einigen etwas zu brav und unspektakulär erscheinen, trifft aber die Erwartungen des Umfelds. Und Intendant Andreas Mölich-Zebhauser hat es bisher verstanden, mit zugkräftigen Namen seine Produktionen zu Ereignissen zu machen. Und es ist auch in einer anderen Hinsicht eine Premiere und kein Repertoirestück: Simon Rattle hatte zuvor noch nie die Zauberflöte dirigiert, der Berliner Philharmoniker sie zuletzt vor Jahrzehnten musiziert - für das Orchester und seinen Leiter ist es also keine Routine.
Was ist zu sehen und hören?
Der Abend vereint viel Bemerkenswertes, das sich allerdings nicht aufsummiert.
Zuerst ist das Orchester zu bemerken. Die Berliner Philharmoniker besitzen eine immens hohe Klangkultur; vor allem die treffsicheren und samtweichen Holz- und Blechbläsereinsätze können begeistern. Simon Rattle dirigiert die ca 50 Musiker im Orchestergraben allerdings immer wieder zu verhalten, nur selten gestaltet er die Musik, zu oft begleitet er nur. Wunderschön musiziert, doch nur wenige eigene Akzente werden beigesteuert. Man kann das sängerfreundlich nennen oder vermuten, daß die Berliner Philharmoniker halt kein Opernorchester sind.
Ähnliches ist bei den Sängern anzumerken. Eine hochklassige Sängerbesetzung mir wirklich bemerkenswerten Stimmen: Michael Nagy präsentiert sich als idealer Papageno, Pavol Breslik ist als Tamino tadellos und wird durch Kate Royal als Pamina ideal ergänzt. Aber der Funke will nicht richtig überspringen. Dimitry Ivashchenko singt Sarastro mit wunderschöner und beweglicher Stimme - und bleibt dennoch blaß.
Eigentlich sollte Simone Kermes die Königin der Nacht singen,
aber sie brach die Probenarbeiten aufgrund einer Bronchitis ab. Die
mazedonische Sopranistin Ana Durlovsky, die an der Mainzer und aktuell
Stuttgarter Oper für Aufsehen gesorgt hat, übernahm und sang eine perfekte Partie - leider ist ihre Stimme ein wenig zu klein für das große Festspielhaus.
Aufgrund der Live-TV- Übertragung im SWR und Arte gaben sich am
Ostermontag alle besonders Mühe - und doch fehlte etwas - der Handlungsfaden dieser Inszenierung ist zu dünn!
In den Feuilletons der Zeitungen wurde viel über Robert Carsens Regie geschrieben. Auf der Bühne ist viel Symbolik, die aber ohne klare Haltung auskommt. Was
bleibt ist eine schön bebilderte Oper zum Zuschauen -
und das ist bei der Zauberflöte oft eine sichere Lösung, die hier dennoch nicht funktioniert.
Fazit: Es scheint an der spannungslosen und sterilen Inszenierung zu liegen, daß die Sänger nie an Kontur gewinnen. Das Publikum spielte dafür perfekt heile Festspielwelt und klatsche stürmisch.
PS(1): Kostspieliger kann Oper in Deutschland fast nicht sein und man legt noch
zu. Gab es die Karten dieses Jahr in einem Preissegment von 68.- bis
310.- Euro, kostet Puccinis Oper Manon Lescaut an Ostern 2014 zwischen
84.- und 310.- Euro. Auf den günstigen und oft sichtbeeinträchtigten
Plätzen wird man die Zugangshürde etwas höher legen
PS(2): Baden-Baden wird zukünftig bei Opernproduktionen verstärkt
mit anderen Häusern kooperieren. Die Zauberflöte wird im Teatro Real in
Madrid und der Opéra Bastille in Paris gezeigt, 2014 wird Puccinis Manon
Lescaut wie evtl. 2016 ein Tristan in Zusammenarbeit mit der MET in New
York produziert, die auch eine Produktion von 2009 übernimmt
(Tschaikowskys Jolanthe, die damals mit Anna Netrebko und Piotr Beczala
umwerfend gut besetzt war und sängerisch ein herausragendes Erlebnis
war)
Besetzung und Team:
Königin der Nacht: Ana Durlovsky
Sarastro: Dimitry Ivashenko
Tamino: Pavol Breslik
Pamina: Kate Royal
Papageno: Michael Nagy
Papagena: Regula Mühlemann
Erste Dame: Annick Massis
Zweite Dame: Magdalena Kožená
Dritte Dame: Nathalie Stutzmann
Sprecher: José van Dam
Monostatos: James Elliott
Erster Geharnischter: Benjamin Hulett
Zweiter Geharnischter: David Jerusalem
Erster Priester: Andreas Schager
Zweiter Priester: Jonathan Lemalu
Drei Knaben: Aurelius Sängerknaben Calw
Musikalische Leitung: Sir Simon Rattle
Rundfunkchor Berlin
Berliner Philharmoniker
Regie: Robert Carsen
Bühnenbild: Michael Levine
Lichtdesign: Robert Carsen, Peter van Praet
Kostüme: Petra Reinhardt
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Hallo Honigsammler
AntwortenLöschenIm Fußball macht man gelegentlich die Erfahrung, dass eine Millionenmanschaft kein attraktives Spiel zusammenkriegt. Bei der Zauberflöte, die ich nur im Fernsehen verfolgt habe, ging es mir ähnlich: Da sollte durchweg etwas Grandioses, etwas Neues produziert werden. Regisseur, Dirigent, Sänger und selbst der Intendant standen unter diesem selbst auferlegten Druck. Vieles war neu - aber halt nicht gut.
Guten Tag Herr Kiefer, der Vergleich mit der Fußballmanschaft trifft den Nagel auf den Kopf. Der Trainer, also Regisseur Robert Carsen, fördert Einzelleistungen, aber das Spielkonzept ist zu karg und nur oberflächlich attraktiv. Bei den Sängern fehlte der letzte Einsatz: Taminos "Zu Hilfe" war nicht wirklich verzweifelt, Paminas "Ach ich fühls" zu distanziert und auch Rattle hat dazu keine Haltung. Formal war vieles richtig, und doch wird das nie und nimmer die Referenzaufführung für unsere Zeit.
LöschenÜbrigens: der Gala-Abend des Badischen Staatstheaters zur Zauberflöte war nicht wirklich Gala. Nur Johannes Martin Kränzle als Papageno hatte großes Format. Matthias Klink als Tamino und Valentina Farcas als Pamina sangen nichts, was man nicht schon in dieser Qualität gehört hat. Hatten Sie keine Zeit oder haben Sie geahnt, dass der besuch nur bedingt lohnt?
AntwortenLöschenVG
Martin
Hallo Martin.
LöschenDanke für die Info. Zu Ihrer Frage: beides.
Wenn meine Aufzeichnungen stimmen, dann hat Johannes Martin Kränzle 2003 den Papageno am Badischen Staatstheater in dieser Inszenierung schon gesungen. Damals war Jonas Kaufmann als Tamino in Karlsruhe.
Und dann muss ich ehrlich zugeben: die Zauberflöte ist so gar nicht meine Oper. Ich höre sie bevorzugt in diätischen Portionierungen. Zwei mal in einer Woche ist für mich zu viel ...
Hallo Honigsammler
AntwortenLöschenda habe ich etwas gefunden, was auch Sie bestimmt interessasnt finden:
http://www.staatsoper-berlin.de/de_DE/news_journal/13703/44292/185435
Grüssle
Klaus
Hallo Klaus,
Löschenherzlichen Dank für den Hinweis. Tolle Geschichte und den Namen Andreas Schager werde ich mir jetzt definitiv merken.
Einen schönen Tag und beste Grüße
H.S.
Hallo Honigsammler,
AntwortenLöschenich finde, GI Spuhler sollte lieber mal Dampf betr. Spielplan-Veröffentlichung 2013/2014 machen, als in der Weltgeschichte herumzugondeln. Jede kleine Klitsche hat bereits den Spielplan für die neue Saison veröffentlicht!
Aber Karlsruhe schafft es bis dato für die Ballettgala weder
Programm noch Teilnehmer zu benennen.
Ja! Leider ist das Badische Staatstheater traditionell spät mit der Veröffentlichung seiner Spielzeit-Planung Ende April/Anfang Mai. Ich hab schon wieder Karten für andere Städte gekauft, ohne zu wissen, ob es Überschneidungen mit dem Premieren in KA gibt.
LöschenAber immerhin hat man es verstanden, den Vorverkauf für die Händel-Festspiele 2014 zu starten, um sich Anruf- und Bestellungschaos zu ersparen.
Für die Ballettgala ist noch nichts veröffentlicht? Da bin ich im Urlaub - das war mir noch nicht aufgefallen. Keil wird ihre Gründe haben...
@Klaua
AntwortenLöschenVielen Dank für den Hinweis. Allerdings liegt München zur Zeit leider nicht auf meiner Besuchsliste.