Dienstag, 30. April 2013

5. Symphoniekonzert, 29.04.2013

Um eine Response, also eine Erwiderung bzw. Antwort zu verstehen, ist es nützlich, die Ursprungsaussage zu kennen. Jonny Greenwoods (*1971) Orchesterstück 48 Responses to Polymorphia aus dem Jahr 2005 ist eine Erwiderung auf Polymorphia für 48 Streichinstrumente des polnischen Komponisten Krzysztof Penderecki aus dem Jahr 1961. Pendereckis Polymorphia klingt wie die Hintergrund-Musik eines nervenzerreissenden Horror-Films - und tatsächlich wurden Ausschnitte daraus 1980 für den Film Shining des Regisseurs Stanley Kubrick verwendet (Hauptdarsteller Jack Nicholson versucht darin in einem eingeschneiten leeren Hotel seine Familie mit einer Axt zu erschlagen). Penderecki lässt das ca. zehnminütige Polymorhia mit einer Pointe enden: mit einem C-Dur-Akkord. Diesen verwendet Greenwood, um seine neun (nicht 48) Variationen jeweils damit zu beginnen und ihn dann zu verfremden. Nach einer persönlichen Einleitung durch GMD Justin Brown und 15 mäßig unterhaltenden Minuten mit Klangeffekten anstelle von Musik, versöhnte der rhythmische Schlußteil das Publikum zu etwas zu starkem Applaus und bewies, daß es der letzte Eindruck ist, der entscheidet.

Mit Maximilian Hornung hat man einen sehr jungen und bereits sehr renommierten Cellisten engagieren können, der gestern tadellos musizierte und sich mit einem schwierigen Konzert vorstellte, nämlich das des Polen Witold Lutoslawski (*1913 †1994). Dieses 1969/70 entstandene Cellokonzert hat einen programmatischen Hintergrund: Eine einzelne Stimme gegen die Machthaber und die Gleichgültigen, so beschreibt es das Programmheft. Und tatsächlich hört man die Qual und buchstäblich das Wimmern und Winseln des geschundenen und unterdrückten Künstlers im osteuropäischen Sozialismus des Kalten Krieges. Doch auch wer Zahnschmerzen gerne sinnlich-musikalisch erleben will, der kann dieses Konzert als narkosefreie Behandlungserinnerung zur Vorbereitung und Abhärtung hören. Das 30minütige Konzert-Martyrium endet nach zwischenzeitlich akutem, bohrendem, ja panischem Schmerz ungelindert. Ein nervenaufreibendes Konzert, das man nicht regelmäßig ertragen möchte, vor allem nicht, wenn es so intensiv wie von Maximilian Hornung gespielt wird.
Die Zugabe war dann klug zur Erholung kombiniert: Bachs Prélude aus seiner ersten Cello-Suite erklang wie ein helles Aquarell mit leichtem Pinselstrich gemalt.

Nach der Pause dann ein Hauptwerk deutscher Orchestermusik: Johannes Brahms' vierte Symphonie, deren Partitur als eine der schwierigsten und kompliziertesten des Komponisten gilt: ein Meisterwerk der Variationenentwicklung, aber auch ein Werk, dessen Charaker schwer zu bestimmen ist. War es Clara Schumann, die als erstes diesem Werk einen sehr männlichen und herben Charakter attestierte? Bei Justin Brown konnte man diese Aussage nachempfinden: herb mit geheimmisvoll unklaren tragischen Verstrickungen. Der erste Satz steigerte sich verschlungen zu dunkler Leidenschaft. Dem feierlichen und am Ende fast schon sakral endenden zweiten Satz folgte ein fröhliches und teilweise überbordendes Allegro giocoso. Das abschließende Allegro energico e passionato führte zu keiner Stimmungsaufhellung. Justin Brown ließ die Badische Staatskapelle immer wieder energisch aufspielen und steigerte Brahms in den Höhepunkten zu etwas Unerbittlichem.

Ein sehr schönes Konzert des Orchesters (trotz einiger Unkonzentriertheiten bei Brahms), des groß aufspielenden Solisten und des souveränen Dirigenten Justin Brown, das mit viel Applaus belohnt wurde.

PS: Und einen Dank muß man in diesem Jahr bereits jetzt aussprechen, nämlich für die Gast-Solisten. Mit Maximilian Hornung, Benjamin Moser und Boris Berezovsky hatte man bisher herausragend gute Musiker engagiert. Gideon Kremer folgt zum Abschluß der Saison

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