Montag, 26. Januar 2015

John Cranko - Der Widerspenstigen Zähmung, 25.01.2015

Die Premiere war umjubelt (mehr hier) und als Gute-Laune Stück ist dieses Ballett auch in der Wiederholung ein Juwel. Man muß schon sehr unleidig sein, um hier nicht amüsiert zu werden, vor allem wenn so hochklassig getanzt und musiziert wird wie in Karlsruhe. Die Reihe der grauen Wintertage scheint draußen kein Ende zu finden und hier drinnen klart der imaginäre Himmel auf. So gab es auch gestern minutenlangen Beifall und rhythmisches Klatschen im ausverkauften Großen Haus.
Die Presse bescheinigte dem Badischen Staatstheater, daß dieses Ballett -bei aller durchaus auch vorhandenen szenischen Angestaubtheit und überholtem Rollenverständnis- etwas wunderbar Frisches und Lebendiges bekommt, teilweise sogar etwas Überbordendes. Und das ist ein Verdienst der Tänzer des Badischen Staatsballetts, die nie in routinierte Halbherzigkeit abtauchen, sondern stets voller Einsatzfreude die Freude und den Spaß dieser Choreographie vermitteln können. Es ist immer wieder erstaunlich, wie gerade das körperlich so zehrende und fordernde Ballett es seit Jahren immer wieder schafft, selten routiniertes Mittelmaß und meistens gekonnte Hochklassigkeit zu präsentieren. Man tanzt auf hohem Niveau und agiert mit hoher Professionalität - und das ist ein großer Verdienst von Birgit Keil und Vladimir Klos, den Anspruch an ihre Kompagnie hoch zu halten, die Latte auch regelmäßig höher zu legen und für die richtige Motivation zu sorgen. Auch gestern saßen sie wieder auf ihren Stammplätzen im Zuschauerraum und schauten ihrer Kompagnie zu.
Ballett in Baden-Württenberg - das ist selbstverständlich das hochdotierte Stuttgart, aber inzwischen auch Karlsruhe. Der Südwesten als Ballett-Hochburg hat mit Birgit Keils und Vladimir Klos' Tätigkeit in Karlsruhe ein zweites Standbein erhalten. Man kann ihrem Engagement nur höchsten Respekt zollen.

Sonntag, 25. Januar 2015

Puccini - La Bohème, 24.01.2015

Ein Gespenst ging gestern um im Badischen Staatstheater. Doch dem Karlsruher Publikum wurde durch Spuk nicht bang und es buhte das Gespenst des Regietheaters (also eine Regie, die sich wichtiger nimmt als Werk, Künstler und Publikum) mit selten erlebter Vehemenz und Lautstärke von der Bühne und erhöhte damit auch den Druck auf die künstlerisch weiterhin problematische Intendanz von Peter Spuhler. Dabei gab es eigentlich eine gute Nachricht vorweg: es gibt es also doch noch, das Karlsruher Opernpublikum. Es kam nur einfach nicht mehr. Nach oft schwach besetzten Premieren war gestern ausverkauft und auch die Stehplätze besetzt. Die B-Premiere am 28.01. ist ebenfalls bereits voll. Die Auslastungskrise der Karlsruher Oper scheint also tatsächlich hausgemacht und in Verantwortung des Intendanten. Ob diese Bohème den erhofften Stimmungsumschwung bewirkt, ist allerdings fraglich.

Was ist zu sehen (1)?
oder
"Soll ich euch meine Brüste zeigen?"
Regisseurin Anna Bergmann "ist bekannt für genaue und einfühlsame Frauenporträts", so das Badische Staatstheater. Auf Mimi ruht die Konzentration der neuen Karlsruher Inszenierung. Und zwar nur auf Mimi, alle anderen Bühnenfiguren sind nur Beiwerk, gewinnen keine Konturen und hampeln teilweise herum, als ob sie unwichtige Hintergrundfiguren sind, für die man sich keine Gedanken machen muß.
Mimi ist die Außenseiterin: sie gehört bekanntlich nicht selber zur Bohème und ist unheilbar an Tuberkulose erkrankt. Die Regisseurin greift zu einem bekannten und inzwischen etwas abgeschmackten Vorgehen, um diesen Fokus zu erreichen: sie lässt Mimi auf der Bühne doppelt erscheinen: die Sängerin wird durch eine Schauspielerin ergänzt: Dazu die Regisseurin: "Mit der Doppelung – die Sängerin auf der einen, die Schauspielerin auf der anderen Seite – können wir zwischen einer realen und einer Traumebene wechseln und unterstreichen die traumhaft-romantischen Momente der Opernhandlung. Die Schauspielerin Jana Schulz zeigt uns eine realistische Mimì, die die Handlung rahmt und gleichzeitig auch motiviert. ... Bei der Sängerin ist es der zarte, liebliche bis leidenschaftliche Gesang gepaart mit einer eher entrückten Spielweise und bei der Schauspielerin ein körperlich-hingebungsvolles und offenherziges Spiel." Leider mißlingt dieser Ansatz und verzerrt die ganze Oper, denn Sängerin und Schauspielerin sind zwar meistens als Zwillinge gleichzeitig auf der Bühne, doch dabei dominiert die 'die Handlung motivierende' Schauspielerin: sie interagiert oft mit den Sängern und zieht die Konzentration auf sich, während die Sängerin abseits steht und singt. Eine Intensivierung des Bühnengeschehens erreicht man dabei nicht, ganz im Gegenteil. Die naturalistisch leidende und verstörte Mimi stört meistens einfach nur.
Zu Beginn des vierten Akts kippte dann gestern die Stimmung beim Publikum durch einen bedauerlichen Fehlgriff der Regie: Die Schauspielerin beginnt zu sprechen, und zwar einen viel zu langen und nichtssagenden Monolog, mit dem man Mimis Verzweiflung deutlich machen wollte und doch nur nervte. Spätestens wenn die Schauspielerin dem Publikum anbietet, ihre Brüste zu zeigen, erreicht man einen Grad von unfreiwilliger Komik, der die Regie peinlich bloßstellt. "Nein!" antworteten mehrere Zuschauer laut vernehmlich auf das Angebot und eine Welle der Qual und des Kopfschüttelns über so viel dramaturgische Unbeholfenheit durchströmte spürbar das Haus. Man möchte sich gar nicht vorstellen, was passieren könnte, wenn amüsierte Zuschauer künftiger Vorstellungen Ja! und Ausziehen! rufen. Der Text des Monologs reicht also nicht aus, um zu fesseln oder das Gefühl einer sinnvollen Ergänzung zu erreichen - er wirkte als Störfaktor. Die etwas zu simplen und sterilen Hauptideen und ratlosen Bühnenumsetzungen der Regisseurin können nicht überzeugen und bleiben ohne positive Wirkung.

Was ist zu beachten?
La Bohème ist die Oper des romantisierten und verklärten Elends. Episoden aus dem Gefühlsleben - man lebt, lacht, liebt und leidet, man friert, hungert und stirbt. Ist das Leben in der Bohème selbstgewählt oder aufgezwungen? Ist es mehr individuelle Wahl oder Notlage? Für den Autor Henri Murger (*1822 †1861) waren die Bohèmiens ihre eigenen Gefangenen: zum Künstler berufen leben sie ohne Glück und sterben ohne Ruhm. Sie wollen nichts anderes als dieses Leben und künstlerische Anerkennung und erreichen ihre Ziele doch nicht. Lieber gehen sie zugrunde als einen Brotberuf zu wählen. Kiez oder Ghetto? Jedes Inszenierungsteam steht vor dieser Entscheidung. Manche Regisseure haben die Bohème im Drogen- oder Außenseiter-Umfeld angesiedelt, also einer Bühnenausstattung, die im harten Kontrast zur Musik steht. In Karlsruhe hat man dies glücklicherweise nur halbherzig getan: Drei Damen vom Straßenstrich und ein Obdachloser geben ein unscharfes Bild. Die Sänger der Bohème bleiben hingegen überwiegend undefiniert und blaß. Nur Colline hat als psychisch auffällige Person mit Bindung an seinen Teddybären etwas eigenes, Alcindoro und Benoît bekommen durch Kostüme einen Typ. Rudolfo, Marcello und Mustetta sind hingegen leblose Avatare.

Was ist zu sehen (2)?
oder

Zwischen Fiebertraum und Persönlichkeitsspaltung
Viele ungewöhnliche Entscheidungen trifft sie Regisseurin. So spielt die Oper nicht in Paris, sondern in New York, genauer gesagt alle vier Akte spielen am Angel of the Waters-Brunnen im Central Park. Es gibt also keine Mansarde, kein Café Momus, keine Barrière d'enfer, sondern ein Einheitsbühnenbild, in dem sich Mimi Liebe und Liebesleid erträumt. Die Regisseurin erklärt: "Der berühmte Brunnen im Central Park mit der wunderbaren Engelsstatue, den man aus vielen Hollywood-Filmen kennt, stellt einen Ort der Zuflucht und der Begegnung dar, an dem Mimì neue Menschen kennen lernt, an dem sie sich in Rodolfo verliebt, aus dem Wasser sprudelt, welches wieder versiegt, und wo Mimì letztlich stirbt." Wer vorab die spannenden Fotos sah (aktuell kann man sich hier auf den Seiten des Badischen Staatstheaters einen Eindruck verschaffen), bekam mehr versprochen als die Bühne hält, denn nicht alle Stimmungen der Bohème werden überzeugend vermittelt. Dennoch gehört das Bühnenbild von Ben Baur zur Habenseite dieser Inszenierung.

Mimi ist also verdoppelt: die todkranke und wohnungslose Mimi (sie lebt im Auto) der Schauspielerin sucht Anschluß und phantasiert bzw. erträumt sich die Beziehung zu Rudolfo herbei, nachdem sie ihn um eine Zigarette angeschnorrt hat. Dazu die Regisseurin: "Die Liebesbeziehung zu Rodolfo wird zu einem Sehnsuchtstraum, der durch Mimìs existenzielle Not, ihre Armut und Krankheit, begründet ist. Deswegen zeige ich das gesamte 2. Bild als eine surreal gefärbte und wunderschöne Welt voller Liebespaare, in der Mimì trotz ihrer tödlichen Krankheit unbeschwert und fröhlich ist." Der zweite Akt  ist fast schon plakativ als Klischee inszeniert, der Kinderchor hat einen schönen Auftritt. Der dritte Akt zeigt den nächtlichen Brunnen bei Schneefall und belanglose Videoeinspielungen mit schnellen Schnitten, der reizlose vierte Akt bleibt atmosphärisch hinter der ersten drei zurück und zieht sich wie Kaugummi in die Länge.

Die einzige Pause ist übrigens nicht nach dem zweiten Akt, also nach Ende des ersten Abends, sondern nach dem dritten, da die Regisseurin den Kontrast der beiden zentralen Akte direkt aufeinander prallen lassen wollte. So geht der erste Teil ca. 80 Minuten bis zur Pause, der zweite Teil (4.Akt) gerade noch knapp 30 Minuten (davon über 5 Minuten Monolg). Eine weitere unglückliche Entscheidung ohne Wirkung.

Was ist zu hören?
Für die Regie gab es feindselige Buhs, aber das intelligente Karlsruher Publikum weiß zu differenzieren und machte zum wiederholten Male den Tenor Andrea Shin zum Star des Abends. Für seinen schön und souverän gesungenen Rudolfo bekam er unzählige Bravos. Es gab lange nicht mehr so viel Begeisterung für einen Sänger vom Karlsruher Premierenpublikum! Überhaupt war es der Abend der Koreaner, denn auch Seung-Gi Jung als Marcello beeindruckte durch Kraft und Klarheit. Um Shin und Jung kann man ein Repertoire bauen - ihnen sollte in Karlsruhe die Zukunft gehören.

Man entschied sich gestern nicht, die Rollen nur mit jungen Sängern zu besetzen, sondern setzte bei der Premiere auf Sicherheit. Drei Sänger waren schon in der letzten Karlsruhe Bohème dabei. Die wunderbare Barbara Dobrzanska hat als Mimi schon vor wenigen Jahren überzeugt. Ihr Rollenportrait wurde gestern doppelt beeinträchtigt. Die Regie legt den Fokus auf die Schauspielerin und Dobrzanska sang zwar wie gewohnt sicher, aber auch ein wenig zu verhalten, als ob die von der Regie auferlegte Zurückhaltung auch sängerisch galt. Auch Ina Schlingensiepen war schon zuvor als Musetta in Karlsruhe bekannt und litt gestern darunter, daß die Regie sie nur als Nebenfigur am Rande definiert- sie überzeugte mit einer makellosen Arie im zweiten Akt. Konstantin Gorny litt hingegen unter einer Erkältung und mußte im vierten Akt aufgeben, Gorny spielte auf der Bühne, seine Mantelarie sang der kurzfristig ins Staatstheater geeilte Avtandil Kaspeli überzeugend sicher und schön von der Seite.
Johannes Willig dirigierte zu Beginn etwas verhuscht und übereilt, fing sich dann aber und zeigte einen symphonischen Zugriff auf die Partitur, bei der er immer wieder das Orchester klangstark ausmusizieren ließ und dabei gelegentlich die Sänger übertönte oder durch seine Tempowahl forderte.

Fazit: So makaber es klingt - es hätte schlimmer kommen können. Gerade mit La Bohème rächen sich viele Opernhäuser an ihren Zuschauer, indem sie die Poesie der Musik durch Häßlichkeiten entwerten. Der Karlsruher Versuch ist hingegen legitim, aber einfach zu schwach durchdacht und unbeholfen in Szene gesetzt. Das massive Buh-Konzert der Premiere könnte einer mittelmäßigen Temperierung bei den weiteren Aufführungen folgen und durch die musikalischen Qualitäten wird diese Bohème sich vielleicht doch besser etablieren als gedacht.

PS: Manche Neuinszenierung kommt nach 27 Jahren einfach zu früh
Diese Neuinszenierung von Puccinis La Bohème hätte es eigentlich gar nicht geben dürfen. Die letzte Inszenierung von Giancarlo del Monaco (sie lief in Karlsruhe von 1987 bis 2007) war im besten Sinne ein zeitloser und beliebter Klassiker - eine Inszenierung, die sich nie in den Vordergrund drängte und Stimmungen und Hintergründe atmosphärisch ideal ergänzte. Daß sie aus dem Repertoire und Fundus geschmissen wurde, erschließt sich nicht auf Anhieb, wobei man bei den letzten Vorstellungen aber nicht umhin kam zu bemerken, daß das Bühnenbild nach 20 Jahren zwischen Lager und Oper deutlich gelitten hatte - eine restaurierte Wiederaufnahme dieses Dauerbrenners wäre nur logisch gewesen. Den Zauber und die Intensität der 87-Bohème erreicht der aktuelle Versuch nicht: weder den Humor und die Ausgelassenheit, noch die Verliebtheit und das Erleben des Augenblicks und auch nicht die Traurigkeit und Verzweiflung von del Monacos unvergesslicher Inszenierung.

Team und Besetzung:
Mimi: Kammersängerin Barbara Dobrzanska
Musetta: Ina Schlingensiepen
Rodolfo: Andrea Shin
Marcello: Seung-Gi Jung
Schaunard: Andrew Finden
Colline: Kammersänger Konstantin Gorny /Avtandil Kaspeli (4.Akt)
Parpignol: Max Friedrich Schäffer
Monsieur Benoît: Edward Gauntt
Alcindoro: Yang Xu 
Ein Zöllner: Marcelo Angulo
Sergeant bei der Zollwache: Andrey Netzner
Mimi-Double: Jana Schulz

Regie: Anna Bergmann
Bühne: Ben Baur
Kostüme: Claudia González Espíndola
Choreografie: Krystyna Obermaier
Video: Sebastian Pircher

Musikalische Leitung: Johannes Willig
Chorleitung: Ulrich Wagner
Einstudierung Kinderchor: Anette Schneider
Kinderchor: Cantus Juvenum Karlsruhe e. V.

Sonntag, 18. Januar 2015

Schiller - Die Räuber, 17.01.2015

ACHTUNG! Programmänderung: 'Die Hampelmänner'  statt  'Die Räuber'
oder  
Wieder eine Mogelpackung
Die Räuber werden in der Karlsruher Neuinszenierung dermaßen verhampelt, verharmlost und entaktualisiert, daß man sie nicht ernst nehmen kann. Es wird viel geblödelt und gealbert und das Publikum darf lachen und erlebt zwei gut konsumierbare Stunden, die oberflächlich und anspruchslos unterhalten. Es gelingt hier das Kunststück, Schiller gedankenlos zu inszenieren. Die Regisseurin gilt als Spezialistin für Kinder- und Jugendtheater und vorrangig an Schüler richtet sich auch diese Comedy-Variante. Als Bewerbung für den imaginären Till-Schweiger-Regienachwuchspreis für seichte Komödien mit pseudo-seriösen Elementen ist diese Produktion ebenfalls legitim. Wer mehr erwartet als Konsum -immerhin werden Die Räuber im normalen Abonnement gezeigt- wird wahrscheinlich weniger Freude haben. Es bleibt schleierhaft, wieso man am Karlsruher Schauspiel immer noch nicht wieder leistungsfähig genug ist, um das Jugendtheater vom normalen Regelbetrieb zu trennen.

Freitag, 16. Januar 2015

Und der nächste Falstaff wird ....

.... Pietro Spagnoli
Er gibt im Juli anscheinend sein Rollendebut in Karlsruhe (mehr dazu hier: / Nachtrag: Der Link ist inzwischen inaktiv) und wird damit Nachfolger von Ambrogio Maestri, der bei der letzten Karlsruher Inszenierung Begeisterung auslöste.

Weitere Gerüchte:
  • Meyerbeers Le Prophète in der Regie Tobias Kratzers 2015/16 in Karlsruhe (Die Welt berichtete im Oktober anlässlich des Meyerbeer-Jubiläumsjahr)
  • Händel Festspiele 2016 - Arminio mit Max E. Cencic? (Und zwar hier / Nachtrag: Die Internet-Seite mit dem Hinweis ist inzwischen wieder verschwunden)
Vielen Dank an den anonymen Finder der Links!

Krása - Verlobung im Traum, 15.01.2015

Gestern war es wieder ziemlich leer in den Zuschauerrängen. Schade, daß das Vertrauen des Publikums zu Intendanz und Programmzusammenstellung derart gesunken ist, denn sängerisch und darstellerisch ist die Verlobung im Traum eine Freude: mit Agnieszka Tomaszewska, Armin Kolarczyk, Dana Beth Miller, Katharine Tier, Jaco Venter und Christian Voigt ist man sehr gut besetzt und durch den spielfreudigen Chor ideal ergänzt. Und auch musikalisch ist das komponierter Zeitgeist: eine originelle Mischung aus verschiedenen Stilen und Einflüssen tönt aus dem Orchestergraben. Die Inszenierung nimmt die Entstehungszeit mit Charleston, Jazz und Revue anschaulich auf - eigentlich macht man alles richtig.

Trotz einer guten und problemlosen Umsetzung bekommen anscheinend sowohl Hans Krásas Verlobung im Traum (mehr zur Premiere findet sich hier) als auch der Doppelabend Ravel/Strawinsky kaum Publikumsresonanz und es wäre interessant zu wissen, für was durchschnittlich weniger Eintrittskarten verkauft wurden. So ambitioniert die Programmwahl der letzten drei Jahre mit vielen unbekannten Opern war, so wenig scheint sie honoriert worden zu sein. Und tatsächlich kann man nicht umhin, ein Gleichgewichtsproblem zu bemerken, das je nach Standpunkt mehr Leidenschaft und Beliebtes als Ausgleich benötigt.

Mit Puccinis La Bohème, Wagners Parsifal, Glucks Iphigenie auf Tauris und Verdis Falstaff folgen nun noch im restlichen Saison-Verlauf vielgespieltes Kernrepertoire und auch 2015/16 wird man keine Experimente eingehen. Unter den Stammzuschauern kursieren bereits die Pläne für die kommende Spielzeit, in der es fünf Opern des 19. Jahrhunderts (+ Händel, + Operette/Musical) geben soll. Die bereits zu Beginn der Intendanz in Aussicht gestellte Oper von Meyerbeer scheint nun dabei zu sein (und zwar Le Prophète (Regie: Tobias Kratzer), wie die Tageszeitung Die Welt hier bereits vermutet?) und auch sonst kursieren im Großen Haus nur bekannte Namen und auch eine Überraschung nach kurzer Frist ....

Freitag, 9. Januar 2015

Schiller - Kabale und Liebe, 08.01.2015

Weiterhin ein schöner Erfolg!
Diese Inszenierung lebt vor allem durch die Hauptdarsteller: Sophia Löffler und Thomas Halle als Luise und Ferdinand sind eine hervorragende Besetzung. Und im vierten Jahr der Ensemble-Zugehörigkeit muß man den beiden auch attestieren, daß sie den Weg zu wichtigen und relevanten Ensemble-Mitgliedern konsequent und erfolgreich gegangen sind. BRAVO! Ich freu mich auf die nächsten Hauptrollen der beiden.

Mittwoch, 31. Dezember 2014

Puccini - Tosca, 30.12.2014

Was für eine spannende und gelungene Tosca!
Ausgezeichnet gesungen und gespielt vor fast vollem Haus, zufriedenem Publikum und schöner Stimmung - wer dabei war, erlebte eine sehr gute Aufführung.

Sonntag, 28. Dezember 2014

Rokokotheater Schwetzingen: Jommelli - Fetonte, 27.12.2014

Jommellis Fetonte - das ist in Schwetzingen ein in jeder Hinsicht konventioneller und wenig auffälliger 1. Akt, gefolgt von zwei weiteren bemerkenswerten, eher kurzen und aufregenden Akten.

Freitag, 19. Dezember 2014

Offenbach - Fantasio, 18.12.2014

Das Badische Staatstheater hat in den letzten Jahren immer wieder interessante Raritäten für Opernliebhaber auf den Spielplan gestellt, wobei man überwiegend das 20. Jahrhundert im Blick hatte und Spontinis La Vestale eine Ausnahme war. Mit Werken von Benjamin Britten (Tod in Venedig), Bohuslav Martinu (Die Griechische Passion), Gottfried von Einem (Dantons Tod), Frederick Delius (Romeo und Julia auf dem Dorfe), Mieczyslaw Weinberg (Die Passagierin) oder zuletzt Hans Krása (Verlobung im Traum) hat man zwar keine Zuschauermassen angelockt, aber wertvolle Ergänzungen in meistens spannenden Inszenierungen präsentiert. Mit Fantasio hat man nun eine Kostbarkeit unter Wert präsentiert, indem man sie auf ein eher belangloses Operettenvergnügen reduziert hat. Dem Inszenierungsteam gelang leider kein mustergültiger Fantasio und verglichen mit Der Vetter aus Dingsda, ebenfalls von diesem Team inszeniert, kopiert man das Prinzip ohne Bemerkenswertes hinzuzufügen. Nicht jede Erfolgsformel hält mehrfach.

Die A-Premiere bewies bereits, daß Fantasio musikalisch viel zu bieten hat und die B-Premiere konnte diesen Eindruck vertiefen: was aus dem Orchestergraben tönt, ist inspirierter Offenbach! Alle Beteiligten sind engagiert dabei. Stefanie Schaefer als Fantasio spielt im positiven Sinn routinierter und flüssiger, dafür vielleicht weniger sinnlich und fragil als Dilara Bastar. Die Regie verpasste es leider, die Hauptfigur prägnanter zu charakterisieren. Fantasio bleibt unbestimmt und fern. Näher ist die Prinzessin: dafür hat man mit Jennifer Riedel, die ihr Gesangsstudium an der Hochschule für Musik in Karlsruhe absolvierte und in der Zwischenzeit eine erfolgreiche Karriere gestartet hat, die richtige Wahl getroffen.
Wiederum überzeugte Denis Sörös; er ist in der kleinen Rolle des Spark eine echte Entdeckung. Es ist ein Vergnügen seinem kraftvollen und klaren Bariton zuzuhören.
Nachträgliche Bravos zur A-Premiere: Klaus Schneider überzeugte als Marinoni ganz wunderbar, Renatus Meszar als König ist eine Luxus-Besetzung in dieser Rolle

Fazit: Auch nach der B-Premiere bleibt das Hindernis bestehen: Fantasio ist zu einseitig als Operette inszeniert - routiniert, teilweise mit etwas aufgesetzter Komik, mit schönen Choreographie-Elementen und ein bißchen vorgetäuschtem aktuellem Zeitbezug - doch man übersieht, daß viel mehr in der Oper steckt. So ergibt sich ein netter Abend, der aufregender und mehrdimensionaler hätte ausfallen müssen.

Sonntag, 14. Dezember 2014

Offenbach - Fantasio, 13.12.2014

Eine etwas vertane Chance
Über den neu editierten Fantasio konnte man vorab nur Lobeshymnen lesen: Die Oper gilt als wichtiger Zwischenschritt zu Hoffmanns Erzählungen und zu Unrecht als vernachlässigtes und vergessenes Meisterwerk. 142 Jahre nach der Premiere ist nun Offenbachs Oper zum ersten Mal wieder in der Ursprungsfassung für die Bühne inszeniert worden. Die Aufführung am Badischen Staatstheater zeigt szenisch und musikalisch Licht und Schatten. Es bleibt der Eindruck einer sehr guten Durchschnittlichkeit. Doch aus Fantasio hätte man mehr machen können.

Freitag, 12. Dezember 2014

Generalprobe zu Händels Teseo ab heute im Vorverkauf

Teseo bei den Händel Festspielen 2015 ist bereits fast ausverkauft. Das Badische Staatstheater hat heute deshalb den Vorverkauf für die Generalprobe am Mittwoch 18.02.2015 geöffnet.

Aber nicht vergessen: in einer Generalprobe singen viele Sänger nicht aus. Sängerisch muß also mit Einbußen gerechnet werden - es bleibt eine Probe!

Donnerstag, 11. Dezember 2014

Erpulat/Hilje - Verrücktes Blut, 10.12.2014

Brisantes Thema als leichte Unterhaltung
Seit der Premiere (mehr dazu findet sich hier) im Mai 2012 gehört Verrücktes Blut zu den Erfolgsproduktionen des Karlsruher Schauspiels. Die gestrige Wiederaufnahme zeigt weiterhin nur positive Qualitäten und hinterlässt weiterhin Fragezeichen. Es gab langen Applaus für eine fast runde Vorstellung. Zwei neue Schauspieler übernehmen Rollen: Johannes Schumacher ersetzt Simon Bauer als Hakim schon fast nahtlos,  Jonathan Bruckmeier (anstelle von Matthias Lamp) als Ferit beeindruckt durch genaue Körpersprache.

Montag, 1. Dezember 2014

Mythos, 30.11.2014

Geteiltes Glück ist doppeltes Glück - Hommage an Bruna Andrade
Da konnte man als regelmäßiger Ballettzuschauer kaum nein sagen: eine besondere Vorstellung, um die ausgezeichnete Bruna Andrade und das Badische Staatsballett für ihre Preis-Würdigkeit zu ehren. Seit Jahren beglückt das Ballett das Karlsruher Publikum und da ist es doch schön, wenn man als Publikum etwas zurückgeben kann  und so gab es dann nach Der Fall M. stehende Ovationen für Andrade, die die Tänzerin tief bewegten: von Schluchzern geschüttelt konnte sie kaum die Tränen zurückhalten, dazu Blumen aus dem Publikum, langer Applaus und Bravos - es war eine bemerkenswerte und herzliche Stimmung zur Pause. Und Der Fall M. mit seinem zentralen Pas de deux ist auch das spannende Herzstück des Abends und ein intensiv getanztes Drama, für das Andrade und das Karlsruher Staatsballett völlig verdient überregionale Aufmerksamkeit bekommen haben.

Wie überhaupt diese Ballett-Trilogie unter dem Namen Mythos (mehr dazu hier) noch mehr Zuschauer verdient hätte und etwas darunter zu leiden scheint, daß das Karlsruher Ballett-Publikum verwöhnt ist und die großen Handlungsballette mit Live-Musik bevorzugt. Doch schon Birgit Keil stand als Tänzerin auch immer für das Neue, das Experiment und Modernität. Das Karlsruher Ballett-Publikum scheint jedoch in dieser Hinsicht zweigeteilt: es gibt Ballett-Fans und es gibt strikter klassische Ballett-Fans, sonst wäre Mythos genauso oft ausverkauft wie Dornröschen oder Der Widerspenstigen Zähmung

Fazit: Viel verdienter Jubel für Bruna Andrade, Flavio Salamanka, den Choreographen Reginaldo Oliveira im Fall M. sowie für Blythe Newman und Pablo dos Santos in Orpheus und das komplette Badische Staatsballett für einen beeindrucken Mythos-Abend.

Sonntag, 30. November 2014

Mussorgsky - Boris Godunow, 29.11.2014

Der Karlsruher Boris Godunow des Regisseurs David Hermann bleibt -wenn man seine Trojaner als Referenz heranzieht- eine leichte Enttäuschung. Ein wenig zu reduziert beim Bühnengeschehen und unklar in der Aussage: weder Intrigen noch die wankelmütige öffentliche Meinung, weder Unruhe oder Aufruhr noch klare Personenbeziehungen. Vor allem der Chor hat zu wenig zu tun und ist zu statisch.
Zumindest die Stimmungen sind fast immer vorhanden. Eine der stärksten Szenen spielt im Kloster: Avtandil Kaspeli als Pimen hat hier seinen großen Auftritt, für den er auch gestern wieder viele Bravos bekam. Die schwächste Szene ist im Wirtshaus: sie wirkt wie ein Fremdkörper, der Humor funktioniert nicht - über Napoleon lacht keiner, geschweige denn über die skurril überzeichneten anderen Figuren. Das gestrige Publikum vergaß sogar deshalb überwiegend, zur Pause zu applaudieren. Eine sehr kühle Atmosphäre und auch sonst eine eher müde Stimmung. An der musikalischen Darbietung lag das allerdings nicht.

Für die gestrige Aufführung hatte man zwei Gäste engagiert: ursprünglich sollte Alexei Tanovitski als Boris Godunow singen. Doch er erkrankte und auch der Ersatz kämpfte mit einer Erkältung und ließ vor Beginn eine kurze Ansage geben. Man sah dem Bassisten Orlin Anastassov nach der Vorstellung seine Unzufriedenheit mit seiner Disposition an, aber selbst leicht angeschlagen lieferte er eine beeindruckende Vorstellung: mächtig von Stimme und Statur und intensiv in der Darstellung. Er gab Boris Godunow eine Haltung und steigerte sich immer wieder zu beeindruckenden Momenten. Eine gute Wahl der Karlsruher Oper. Und auch der russische Tenor Viktor Antipenko als Grigori ließ aufhorchen: eine schöne Stimme mit Kraft und Eleganz! Schade, daß die gezeigte Urfassung der Oper für ihn nur eine kleine Rolle beinhaltet.
Dirigent Christoph Gedschold, Orchester, Solisten und Chor trugen ihren Anteil zu der sehr guten Aufführung bei. Musikalisch hat man seine Meriten, dennoch scheint die Karlsruher Oper im vierten Jahr der Intendanz Spuhler im Stimmungstief zu sein. Der neue Operndirektor muß nun vertriebenes Stammpublikum zurückgewinnen, indem er konsequent auf Qualität setzt. Es gilt wieder ein größeres Repertoire aufzubauen, mehr bei der Programmauswahl auf das Publikum zu achten und die richtigen Stimmen zu engagieren bzw. einzusetzen.

Freitag, 28. November 2014

Festspielhaus Baden-Baden: Bellini - I Capuleti e i Montecchi, 27.11.2014

Bellini statt Jelinek
Im Schauspiel des Karlsruher Staatstheaters gab es gestern eine spannende deutsche Erstaufführung als Premiere: Schatten von Elfriede Jelinek. Aber das Abo zu tauschen und dafür gestern lieber die kurze Strecke nach Baden-Baden zu fahren war eindeutig die richtige Wahl! Ungetrübtes Belcanto-Glück, dahinschmelzende Bellini-Melodien und ein alles überragender Star - das waren die qualitativ unschlagbaren Trümpfe, die übrigens nicht wenige Karlsruher an diesem Abend nach Baden-Baden lockten.

Der sanfte Sizilianer
Es war ein sehr kurzfristiges Engagement: gerade mal 50 Tage hatte Bellini, um für das Teatro La Fenice in Venedig eine Oper zur Karnevalssaison fertig zu stellen. Man studierte den 1. Akt schon ein, bevor der 2. komponiert wurde. Um so schnell fertig zu werden, griff Bellini auf eine damals übliche Praxis zurück: er bediente sich der existierenden Musik einer seiner Opern. Zaira wurde im Jahr zuvor in Parma ein Mißerfolg beim Publikum und kaum gespielt. Bellini glaubte an seine Musik und verwendete sie größtenteils wieder. Die Premiere von I Capuleti e i Montecchi am 11. März 1830 und die Folgevorstellungen wurden zu einem überwältigendem Erfolg. "Die Begeisterung kannte kein Maß mehr" berichtete die Presse danach. Ein Triumph für Bellini, auch in anderen Opernhäusern - exakt getroffener Zeitgeschmack der frühen Romantik, der berührte und begeisterte. Richard Wagner schrieb bewundernd 1834: "... werde ich nie den Eindruck vergessen, den in neuester Zeit eine Bellinische Oper auf mich machte, nachdem ich des ewig allegorisierenden Orchestergewühls herzlich satt war und sich endlich wieder ein einfach edler Gesang zeigt." Wagner war ein Fan des von ihm so bezeichneten "sanften Sizilianers".

Romeo und Julia ohne Shakespeare
I Capuleti e i Montecchi - dahinter verbergen sich Romeo und Julia, allerdings nicht auf Basis des Shakespeare Dramas. Gerade noch 5 Sängersolisten werden benötigt: Romeo (ein Mezzosopran) und Julia (Sopran)  haben den mit Abstand größten Gesangsanteil. Nur eine kleine Rolle hat Romeos Konkurrent Tebaldo (der hier eine schwache Kombination von Tybalt und Mercutio ist), Julias Vater Capellio und der Arzt Lorenzo sind kleine Nebenrollen. Das Libretto nimmt nicht Shakespeare als Vorlage, also bspw. keine Amme, kein Mönch, szenisch auch kein Fest, bei dem sich die Liebenden kennenlernen. Die Balance zwischen äußerer Handlung und innerem Geschehen ist verschoben, es dominieren Lyrismen und Stimmungen, die von überwiegend langgezogenen, eher langsamen Melodien geprägt sind. Romeo und Julia - eine Liebeselegie mit wenig Konfrontationen und nicht durch äußere Spannung geprägt. Richard Wagners Kennzeichnung "sanft" ist nachvollziehbar, aber der gestrige Dirigent zeigte auch, daß man die Dramatik aus dem Orchestergraben forcieren kann, indem man die Tempi nicht schleifen lässt.

Oper mit Star
Für diese Koproduktion mit der Oper in Genf hat man einen Star engagiert: Elīna Garanča - eine wunderbar ausdrucksstarke  und voluminöse Stimme voller Schönheit und Eleganz und frei jeder Anstrengung, entspannt und weich. Allein für ihre Stimme lohnte sich schon der gestrige Abend in Baden-Baden. Doch auch die Giulietta von Ekaterina Siurina ließ beglückt aufhorchen. Die Russin singt international an den großen Opernhäusern wie bspw. der MET, der Scala, in Wien, London, Paris und München und sang zusammen mit Garanča  Capuleti e i Montecchi bereits in Berlin. Beide harmonierten perfekt und ließen keine Wünsche offen.
Für die kleinere Rolle des Tebaldo hat man den Tenor Yosep Kang von der deutschen Oper Berlin engagiert, der das Duo klangschön mit offener und nur in den obersten Höhen leicht angestrengter Stimme ergänzte. Anstelle des ursprünglich vorgesehenen Genfer Orchesters spielte die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern mit hoher Klangkultur. Die Herren des Genfer Opernchores sowie die weiteren Sänger vervollständigten diesen geglückten Abend.
Eine weitere Entdeckung war gestern der britische Dirigent Karel Mark Chichon der sehr prägnant und mit klarer Linie dirigierte und dabei das Orchester nie breiig oder sentimental werden ließ.

Fazit: Eine hochwertige Aufführung der selten gespielten Bellini-Schönheit

PS: Der Saarländischen Rundfunk hat die Aufführung aufgezeichnet und überträgt sie in seinem zweiten Programm am Samstagabend, 29.11.2014. Am 03.01.2015 folgt eine Ausstrahlung beim DLF.

Besetzung:
Romeo: Elīna Garanča
Giulietta: Ekaterina Siurina
Tebaldo: Yosep Kang
Capellio: Mathias Hausmann
Lorenzo: Nahuel Di Pierro

Dirigent: Karel Mark Chichon
Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern
Chor des Grand Théâtre de Genève
Eine Koproduktion mit dem Grand Théâtre de Genève.

Montag, 24. November 2014

Theo van Gogh - Das Interview / Lot Vekemans - Gift, 23.11.2014

Ein zweifaches Doppel: zwei spannende Stücke holländischer Autoren für jeweils zwei Schauspieler an einem Abend, die zukünftig auch einzeln gezeigt werden. Das Ergebnis ist höchst unterschiedlich: Das Interview ist geglücktes Theater, Gift hingegen enttäuscht auf ganzer Linie!

Sonntag, 16. November 2014

John Cranko - Der Widerspenstigen Zähmung, 15.11.2014

Jubel und Applaus
Birgit Keil und das Badische Staatsballett bringen mit Der Widerspenstigen Zähmung einen Klassiker des Balletts von Keils Mentor und Ballettlegende John Cranko auf die Karlsruher Bühne - und es ist gekommen, wie es kommen mußte: alle jubeln und  strahlen und sind begeistert. Ein durch und durch humorvolles Ballett, das viel zu schnell vorüber ist. Und wer schon immer wissen wollte, wieso Premierenkarten ein besonderes (und etwas kostspieligeres) Vergnügen sind, der konnte gestern anhand der Vorfreude, Spannung, der wunderbaren Stimmung und dem Enthusiasmus beim Publikum unmittelbar mitverfolgen, wie viel Glück und Harmonie gelungene Premierenstimmung in sich trägt. (Zumindest etwas von diesem Erfolg wünscht man in Karlsruhe auch Oper und Schauspiel, aber da liegt noch ein langer Weg mit viel Änderungsbedarf vor diesen Sparten, bevor man wieder annähernd diese Akzeptanz und Zuneigung des Publikums erringen kann. Doch auch die Schwäche der Oper hat anscheinend ihre Auswirkung aufs Ballett: wenn sich die Anzahl der spartenübergreifenden Abonnements verringert, bleiben auch öfters Karten im Ballett übrig.)

Dienstag, 11. November 2014

Bruna Andrade als FAUST-Preisträgerin

Alle freuen sich mit Bruna Andrade, die letztes Wochenende den FAUST-Preis als beste Tänzerin im Fall M. des Mythos-Ballettabends hochverdient gewonnen hat. Sogar die Frankfurter Allgemeine hat das im Internet kommentiert:

"FAUST-Preis für die brasilianische Ballerina Bruna Andrade
...die zum Glück in Karlsruhe tanzt, und nicht in Rio de Janeiro. Warum sie den Preis als "Beste Darstellerin Tanz" so verdient.
"

Mehr hier: http://blogs.faz.net/tanz/2014/11/10/faust-preis-fuer-die-brasilianische-ballerina-bruno-andrade-645/

Und ebenso preiswürdig und nicht zu vergessen: Die Choreographie, die es Bruna Andrade ermöglichte, den Preis zu gewinnen, ist vom Karlsruher Tänzer und Hauschoreographen Reginaldo Oliveira.

Dienstag, 4. November 2014

2. Symphoniekonzert, 03.11.2014

Ein Werk der Komponistin Vivian Fung war bereits letzte Spielzeit in einem Symphoniekonzert zu hören: ihr Harfenkonzert begeisterte und so war es nur folgerichtig, eine weitere Komposition dem Karlsruher Publikum vorzustellen: Dust Devils aus dem Jahr 2011 ist ein knapp zehnminütiges Werk, das all das beeindruckend zeigt, was viele sehr gute Komponisten heute können: eine meisterhafte Orchestrierung, verschiedene Stimmungen und Effekte, spannend arrangiert mit viel Schlagzeug-Einsatz und zum Abschluß ein durch Blechbläser verstärktes lautes Ende. Ein wenig könnte man meinen, daß das -zweifellos sehr gut gemachte- Gebrauchs- oder Filmmusik ist,  Fungs Harfenkonzert hatte etwas mehr Individualität und vielleicht sollte man eher ein weiteres Solokonzert für eines der nächsten Konzerte aussuchen.

Mieczysław Weinberg (*1919 †1996) ist durch seine Oper Die Passagierin einem größerem Publikum bekannt geworden und viele seiner Werke (mehr als 150 Kompositionen, darunter 22 Symphonien) warten auf ihre Entdeckung. Wie der frühere Karlsruher Dramaturg Bernd Feuchtner im sehr interessanten Programmheft beschreibt, wurde Weinbergs Musik in der UdSSR aufgeführt, aber der Westen ignorierte diese so gar nicht avantgardistische Musik, "die sich an der Symphonik des 19. Jahrhunderts orientierte". Nur Schostakowitsch hat sich durchgesetzt, Komponisten wie Weinberg oder Khatchaturian fristen auf den Konzertbühnen bis heute ein Schattendasein. Weinbergs Violinkonzert g-Moll op. 67 (UA 1961) war gestern in deutscher Erstaufführung zu hören. Es ist ein Konzert mit Substanz und Individualität, auch wenn man gelegentlich doch einen Doppelgänger Schostakowitschs zu hören vermeint: den Beginn des 2. Satzes kann man bspw. durchaus verwechseln, doch muß man beachten, daß Schostakowitsch auch von Weinberg beeinflusst wurde und beide sich sehr gut kannten. Die Abhängigkeiten sind durchaus beidseitig möglich: Schostakowitsch klingt vielleicht auch nach Weinberg.
Violinist Linus Roth hat Weinberg 2010 für sich entdeckt und es sich zur Aufgabe gemacht, Weinberg bekannter zu machen. Er spielte bereits zwei CDs mit seiner Musik ein: das Violinkonzert und sechs Violinsonaten. Roth hinterließ mit dem virtuos fordernden Konzert gestern einen sehr guten Eindruck (und einen sehr schönen Violinklang! Seit 1997 spielt Linus Roth die Stradivari „Dancla“ aus dem Jahr 1703, eine Leihgabe der L-Bank Baden-Württenberg). Nach unruhigen und eilendem Beginn wandelt sich das erst entschlossen wirkende Konzert schnell in einen getrieben und flüchtend wirkenden Modus. Die beiden ohne Pause gespielten mittleren Sätze sind langsam, innerlich und wehmütig; vor allem der dritte Satz steigert sich zu einem wunderbar innigen Geigenspiel. Der entspannte und  positive Schlußsatz lässt die Violine singen und dann langsam verklingen. Ein lohnenswertes Konzert und eine schöne Entdeckung, die sich vielleicht nicht beim ersten Hören umfänglich erschließt, aber der Mühe des Einhörens wert ist.
Nach einer Danksagung an das Badische Staatstheater für die Chance, Weinbergs Konzert vor Publikum zu spielen, gab Roth als Zugabe die Sarabande aus Bachs 2. Partita BWV1004.
 
Nach der Pause dann ein beliebter Favorit im Konzertrepertoire: Modest Mussorgskys Bilder einer Ausstellung ist das Ergebnis doppelter Individualität: Mussorgskys großartiger kompositorischer Eingebung und Maurice Ravels imposanter Orchestrierungsphantasie, die sich gegen andere Versionen immer noch souverän durchsetzt. Und auch gestern gab es viel Applaus, Bravos und Jubel für eine mitreißende, orchestral sehr gute, aber nicht ganz fehlerfreie Aufführung der Staatskapelle.

Wir schreiben das Jahr 2014. Zum ersten Mal in der über 300jährigen Geschichte des Karlsruher Orchesters stand eine Dirigentin am Pult der Badischen Staatskapelle: Mei-Ann Chen ist 1973 in Taiwan geboren und kam 1989 in die USA, wo sie als Dirigentin etabliert ist. Ihr Dirigierstil erinnert ein wenig an Leonard Bernstein: sehr körperbetont modelliert sie ihre Vorstellungen nicht nur mit voluminösen Einsatz von Armen und Händen, sondern auch durch starke Bewegungen des Körpers und anscheinend auch durch Mimik. Publikum und Orchester spendeten ihr herzlichen Applaus.

Ein sehr interessantes Konzert, das viele positive Eindrücke hinterließ und hoffentlich Folgen hat: sowohl Fung als auch Weinberg (bspw. mit seinem Cellokonzert oder eine seiner 22 Symphonien) könnten auch zukünftig wieder auf dem Programm stehen, sowohl Mei-Ann Chen und Linus Roth sollten wieder eingeladen werden.

Donnerstag, 30. Oktober 2014

Delaporte/de la Patellière - Der Vorname, 29.10.2014

Im Gegensatz zur Karlsruher Oper achtete man im  Karlsruher Schauspiel schon früher auf ein variables Programmangebot. Diese Schauspiel-Spielzeit erscheint bisher besonders geglückt: Mißerfolge hatte man bereits letzte Spielzeit schnell eliminiert und durch die vielen Wiederaufnahmen der bisherigen Erfolgsstücke der vorangegangen drei Spielzeiten mit neuen Darstellern hat man ein interessantes und attraktives Programm. Es sind Komödien, die besonders gut laufen, also Verrücktes Blut (zuerst 2011/12) - Vorname (2012/13) - Richtfest (2013/14)  sowie die Schülerstoffe Agnes (2012/13) - Dantons Tod (2012/13) - Kabale und Liebe (2013/14) und Singspiele wie z.B. der Sommernachtstraum (2013/14). Vergleichbares hat die Karlsruher Oper nicht zu bieten: Die Spielzeiten 2011/12/13 haben keine aktuellen Folgen.

Mittwoch, 22. Oktober 2014

Hübner/Nemitz - Richtfest, 21.10.2014

Seit der Premiere (mehr hier) ist Richtfest ein Publikumsrenner für das Karlsruher Schauspiel: eine intelligente Komödie mit abgründigen Figuren, einer sehr guten Regie und lauter sehr guten Schauspielern. Vor allem die Routiniers Gunnar Schmidt als Soziologieprofessor Ludger, André Wagner als Finanzbeamter Holger und Lisa Schlegel als dessen Frau Birgit zeigen, wie man eine Rolle virtuos aufwertet - ihr Auftritt ist besonders stark und einprägsam. Und auch Sophia Löffler spielt weiterhin mit hoher Präzision und Überzeugungskraft als überforderte Schwangere und Mutter.

Sonntag, 19. Oktober 2014

Krása - Verlobung im Traum, 18.10.2014

Ein sehr gelungener Einstieg in die neue Opernsaison und ein Erfolg in jeder Hinsicht: musikalisch und inszenatorisch, sängerisch und darstellerisch - die Verlobung im Traum lohnt das Kennenlernen!

Zu Person und Werk
Der deutsch-tschechische Komponist Hans Krása (*1899 †1944) starb im Konzentrationslager und teilte das traurige Schicksal anderer Komponisten wie bspw. Viktor Ullmann, Erwin Schulhoff, Pavel Haas und Rudolf Karel. Krásas 1933 in Prag (Dirigent: George Szell) uraufgeführte Oper Verlobung im Traum nach Dostojewskis Novelle Onkelchens Traum verschwand viele Jahrzehnte aus dem Blickfeld. 1994 gab es die deutsche Erstaufführung als Gastspiel aus Prag in Mannheim, 1996 folgte eine CD-Gesamtaufnahme beim Label DECCA und eine konzertante Aufführung in Berlin. Aber kein deutsches Opernhaus fühlte sich dadurch inspiriert, das Stück zu inszenieren. Der Riß in der Rezeptionsgeschichte war also nicht nur durch 12 Jahre NS-Dikatatur bedingt. Es interessierte sich einfach niemand in der vielstädtigen deutschen Opernlandschaft dafür. Warum? Die Gründe dafür kann man sich nach der gestrigen Karlsruher Premiere kaum erklären. Dem Badischen Staatstheater gelingt nun damit eine Entdeckung, die hoffentlich von einem breiten Opernpublikum gewürdigt wird.

Worum geht es?
Eine russische Kleinstadt. Die verschlagene Marja Alexandrowna will ihre hübsche Tochter Sina an einen auf einer Durchreise befindlichen alten und senilen Fürsten verheiraten, um an dessen Vermögen zu kommen und ihrer Tochter Auskommen und Stellung zu sichern. Die Mutter manipuliert den Fürsten dazu, Sina einen Heiratsantrag zu machen, Sina willigt ein. Doch sie hat die Rechnung ohne des Fürsten Neffen Paul gemacht, der seinerseits selber Sina begehrt. Paul verhindert die Ehe: er redet seinem debilen Onkel ein, alles nur geträumt zu haben. Marja Alexandrownas intrigante Schwägerin Nastassja unterstützt Paul bei der Demaskierung und plant eine gesellschaftliche Bloßstellung von Mutter und Tochter.
Die Hauptfigur Sina ist im Gewissenskonflikt: sie liebt den todkranken Fedja (der nicht in der Oper auftritt) und benötigt das Geld, um ihm zu helfen. Sina wird am Ende der Oper mit der Verkündung von Fedjas Tod zur tragischen Figur.
Im Prolog und Epilog tritt der Archivar auf. Zu Beginn erzählt er, daß er diese Geschichte dem Schriftsteller Dostojewski erzählt hat und stimmt auf die Charaktere ein ("schön wie Sina ... unglücklich wie Fedja ... tückisch wie Paul ... seltsam wie der Fürst .... Gott bewahre mich vor einer solchen Mutter"). Am Ende verkündet er, daß Sina letztendlich ohne Liebe eine andere gute Partie heiratet und eine unglückliche Zukunft hat: "Keine Freundschaft, keine Liebe. Sie empfindet nichts, ist kalt wie ein Stein".
   
Was ist zu hören? (1)
Beim ersten Zuhören hat man den Eindruck, Einflüsse verschiedener Komponisten und Stile zu finden, man meint bspw. Richard Strauss oder Kurt Weill (im Programmheft werden auch Strawinsky, Janáček und Gershwin genannt) herauszuhören und Anklänge der damaligen Zeit (Tanz- und Filmmusik). Immer wieder gibt es besondere und interessante musikalische Stellen in dieser Oper, die abwechslungs- und einfallsreich durch kontrastierende Elemente ist, voller Schwung und Esprit und vielen Ensembles. Die kurze Oper (zwei Akte, jeder ca. 50 Minuten) ist kurzweilig und spannend, auf den Punkt und nie sentimental. Ein Höhepunkt ist am Ende des ersten Akts: während Sina singt (Bellinis Casta Diva), um den Fürsten zu beeindrucken, beginnen die anderen Figuren zu tuscheln und übertönen sie schließlich. Das Programmheft bezeichnet das als "montageartigen Überzeichnung" einer "als Parodie zu verstehenden Multistilistik" und "Hans Krása lässt diese ganz unterschiedlichen Elemente so prägnant hervortreten, dass deren Eigensinn immer wieder den reinen Ausdrucksgehalt der dramatischen Situation überlagert. Gefühle treten musikalisch nicht nur als Gefühle der Figuren in Erscheinung, sondern auch als artifizielle Phänomene, die auf historische musikalische Chiffren von Gefühlen verweisen. In dieser Montagetechnik, ein in den 20er Jahren bevorzugtes Stilmittel, äußert sich ein Tonkünstler, der gleichzeitig dramatische Situationen beglaubigt und ihren theatralen Reiz in Szene setzt."
In der Summe eine brillante Leistungsschau des Komponisten, bei der vielleicht die eine unvergessliche Melodie, der eine besondere Moment fehlt - man bewegt sich auf einem Hochplateau ohne ausgeprägte Gipfel.  Vor allem der erste Akt überzeugt durch seine Steigerungen und sein Tempo. Im zweiten Akt gibt es geringfügige Längen und eine Stiländerung: die Figur der Sina verwandelt sich in eine Charakterrolle von Richard Strauss'schem Ausmaß: eine unglückliche Arabella, aber szenisch und musikalisch komischer und doch im Endeffekt traurig. Hier liegt vielleicht der Schwachpunkt -wenn man das überhaupt so nennen kann- dieser Oper: Was für ein Genre ist das denn eigentlich? Keine Buffa, keine Komödie im Sinne Tschechows (melancholische Heiterkeit vor ernstem Hintergrund) und Gogols (Gesellschaftssatire), aber auch keine richtige Charakterkomödie (Sina bleibt etwas zu blaß; ihre Liebe zum unsichtbaren Fedja unklar) und auch kein typisches Lustspiel (kein Liebesglück am Ende). Man sieht Operettenfiguren in einer tragikomischen Oper ohne Happy-End. Vielleicht war es dieser seltsame Stil-Mix einer verfremdeten Operette, die die bundesdeutsche Opernwelt bisher daran gehindert, das Werk zu inszenieren.

Was ist zu sehen?
Regisseur Ingo Kerkhof konzentriert sich auf das Operettenhafte. Er integriert Sinas Charakterschübe in einen amüsanten Hintergrund und vermeidet damit falsche musikdramatischen Komplikationen.  In Karlsruhe interpretiert und inszeniert man Verlobung im Traum mit Blick auf die Entstehungszeit der Oper - sie spielt in den Goldenen Zwanzigern, den 1920er Jahren. Man sieht ein Bühnenbild, das wie eine Szene aus Cabaret wirkt, der Archivar als Erzähler der Geschichte wird zum Conférencier im Frack. Man befindet sich in einer gut gelaunten Revue, die der Oper keine zusätzlichen Bedeutungsebenen aufzwingt. Man konzentriert sich durch viele gute Einfälle und reizvolle Details auf Schwung und Handlungsfluß. Humoristisch ist diese Inszenierung mehrgleisig: man setzt auf prägnante Typisierung der Figuren, die besonders dadurch amüsant wird, daß Sänger und Chor hier auch als Schauspieler gefordert sind und diese Anforderungen bei der Premierenbesetzung sehenswert erfüllt wurden. Dazu kommt eine Mischung aus Situationskomik, Slapstick und liebevoll gestalteten kleineren Einfälle. Immer wieder passiert mehr auf der Bühne als beim ersten Zuschauen wahrnehmbar ist.

Was ist zu hören? (2)
Nicht nur sängerisch, auch schauspielerisch zeigen Sänger und Chor eine homogene und starke Leistung. Agnieszka Tomaszewska ist neu im Karlsruher Ensemble, ihr Einstieg in der Hauptrolle der Sina setzt gleich zu Beginn ein sängerisches Ausrufezeichen: klangschön und höhensicher! Ein Auftritt, der einiges für die Zukunft verspricht. Jaco Venter in der Rolle des alten Fürsten und Katharine Tier als arme Schwägerin haben viel Spaß mit ihren Rollen und übertragen dies auf das Publikum. Armin Kolarczyk ist für die kleine Rolle des Archivars eine Luxusbesetzung.
Für viele Rollen hat man Gäste engagiert: besonders Dana Beth Miller in der Rolle der Mutter bekam für ihre großartige Darstellung viel Applaus, Tenor Christian Voigt hatte zwar mit einer Erkältung zu kämpfen, hinterließ aber einen sehr guten Eindruck.
Entscheidend zum musikalischen Erfolg dieser Oper trugen Justin Brown und das sehr variabel und spielfreudig auftrumpfende Orchester bei, die Krásas Multistilistik auf spannende Weise hörbar machen.

Fazit: BRAVO! In jeder Hinsicht einen lohnende Entdeckung für die das Badische Staatstheater viel Anerkennung und vor allem mehr Publikum verdient denn ...

PS: ... wo ist eigentlich das Karlsruher Opernpublikum abgeblieben?
Ein trauriges Bild bei einer Premiere (aber auch sonst immer öfters) - viele leere Plätze. Wie es so weit kommen konnte, lohnt der Analyse. Sind tatsächlich in den letzten drei Jahren so viele Opernfreunde altersbedingt in die Besucher-Rente gegangen und kommen nicht mehr? Oder gehen sie aktuell einfach nur lieber nach Baden-Baden, Stuttgart, Mannheim und Straßburg? Liegt es an Programm und Spielplan? Fehlt das Publikumsvertrauen in die Operndirektion bei der Wahl von Raritäten wie Verlobung im Traum? Hat es die aktuelle Intendanz innerhalb von drei Jahren geschafft, Stammpublikum zu vertreiben und die falsche Herangehensweise gewählt (teilweise wenig variable Spielpläne, Spezialitäten für Liebhaber statt Sattmacher für neue Zuschauer, tendenziell zu ernst und schwer, Fokus auf das Stadtgebiet unter Vernachlässigung des Umlands)? Vielleicht hat man drei Jahre verschenkt, in denen man sich breiter hätte positionieren können? Wieso ist die Oper anscheinend (oder doch nur scheinbar?) im Abseits gelandet? Die Antwort liegt irgendwo in der Grauzone dazwischen. Die Gewichtung ist diskutabel. Der Abgang von Operndirektor Schaback nach drei Jahren liefert einen weiteren Baustein zum Gesamtbild: die Vorbereitung des Intendanzstarts 2011 war suboptimal: im Schauspiel hatte Intendant Spuhler Planungsfehler bereits eingeräumt, in der Oper sollte er ebenfalls die Fehler benennen und ein erstes Besserungssignal senden. Im Schauspiel scheint das Training-on-the-job inzwischen klare Erfolge zu zeigen: man scheint auf einem guten Weg. Nun ist es an der neuen Opernleitung, das Interesse an der Karlsruher Oper wieder zu wecken und Zuschauer zurückzugewinnen. Am Ende der Spielzeit sollten vor allem die Anzahl der Opernbesucher und die Abonnentenzahlen im Fokus der Diskussion stehen.

Team und Besetzung:
Sina: Agnieszka Tomaszewska
Marja Alexandrowna: Dana Beth Miller (a.G.)
Barbara: Sofia Mara (a.G.)
Nastassja: Katharine Tier
Sofia Petrowna: Hatice Zeliha Kökcek (a.G.)
Paul: Christian Voigt (a.G.)
Archivar der Stadt Mordassow: Armin Kolarczyk
Fürst: Jaco Venter

Musikalische Leitung: GMD Justin Brown
Regie: Ingo Kerkhof
Bühne: Dirk Becker
Kostüme: Inge Medert
Choreografie: Darie Cardyn
Chorleitung: Ulrich Wagner

Sonntag, 12. Oktober 2014

NSA-Projekt: Ich bereue nichts (Edward Snowden), 11.10.2014

So macht Theater Freude und wer nach Ich bereue nichts nicht begeistert oder zumindest zufrieden und gut unterhalten Lust auf  auf mehr Schauspielbesuche bekommt, dem ist im Theater nicht zu helfen. Dem Karlsruher Schauspiel gelingt ein großartiger Spagat: informativ und doch unterhaltend, nachdenklich und doch humorvoll - und das bei einem ernsten und wichtigen Thema. Bravo!