Seit der Premiere (mehr hier) ist Richtfest ein Publikumsrenner für das Karlsruher Schauspiel: eine intelligente Komödie mit abgründigen Figuren, einer sehr guten Regie und lauter sehr guten Schauspielern. Vor allem die Routiniers Gunnar Schmidt als Soziologieprofessor Ludger, André Wagner als Finanzbeamter Holger und Lisa Schlegel als dessen Frau Birgit zeigen, wie man eine Rolle virtuos aufwertet - ihr Auftritt ist besonders stark und einprägsam. Und auch Sophia Löffler spielt weiterhin mit hoher Präzision und Überzeugungskraft als überforderte Schwangere und Mutter.
Drei Veränderungen sind bei der Wiederaufnahme im Fokus: ein örtlicher Bühnenwechsel und zwei neu besetzte Rollen: statt Ursula Grossenbacher (jetzt im Festengagement am Theater in Bonn) nun Antonia Mohr, statt Matthias Lamp (jetzt im Festengagement am Staatstheater Mainz) nun Ralf Wegner - während letzterer Tausch kaum spürbar ist, vermisst man bei Antonia Mohr ein wenig die Resolutheit und Aggressivität der vorherigen Rollenauslegung Grossenbachers.
"Wegen des großen Erfolges jetzt im Kleinen Haus" - diese Aussage hat wahrscheinlich nur eingeschränkte Gültigkeit. Richtfest an neuer Spielstätte kaschiert, daß man eine Schauspiel-Premiere weniger als üblich auf die Beine stellen kann. Die eingeschränkte Leistungsfähigkeit liegt am Weggang mehrerer Leistungsträger zum Ende der letzten Saison, durch die bei den Wiederaufnahmen Rollen erst durch neue Schauspieler ersetzt werden müssen und die Zeit für eine Premiereneinstudierung wahrscheinlich fehlte.
Richtfest war auf der kleinen Studio-Bühne eng dimensioniert,
doch dadurch fühlt man sich fast als Teil der Baugemeinschaft. Diese Nähe geht im Kleinen Haus verloren. Wer Richtfest im Studio sah, wird diese Unmittelbarkeit wahrscheinlich vermissen.
Fazit: Der Umzug ins Kleine Haus bringt keinen Gewinn fürs Publikum. Weiterhin gilt die klare Empfehlung: eine Komödie, die man nicht verpassen sollte, wenn man gerne lacht.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.