Es gibt Konzerte zeitgenössisch populärer Musik, bei denen man kurz nach Ende den Konzertmitschnitt auf einem USB-Stick käuflich erwerben kann. Schade, daß dies gestern nicht möglich war, denn erneut präsentierte Franco Fagioli Barockarien in einer Kombination von Ausdruck und Virtuosität, die man in dieser Bandbreite selten zu hören bekommt. Eine herzöffnende Vorstellung in herzlicher Stimmung zwischen Publikum, Sänger und Musiker.
Georg Friedrich Händel und Nicola Antonio Porpora waren in London Konkurrenten, 1733 kam der Italiener nach England und ein ruinöser Wettbewerb über vier Spielzeiten zweier Opernunternehmen setzte ein, Porpora holte den großen Farinelli nach London (der nie eine Oper von Händel sang) und komponierte mit Polifemo seine vielleicht berühmteste Oper, aus der auch gestern zwei Arien zu hören waren. Porpora ist heute eher als Gesangslehrer zweier der größten Virtuosen unter den Kastraten (Farinelli
und Caffarelli) denn als Opernkomponist bekannt. Mit jeweils vier Arien von Händel und Porpora gelang Franco Fagioli eine spannende Gegenüberstellung und ein erneuter Beweis seiner umfangreichen stimmlichen Fähigkeiten und seines Stimmumfangs. Fagioli ließ ertönen, was er zu bieten hat, er sang viel, auch viel Schweres und scheute vor keinem Hindernis. Es fällt schwer, eine der neun Arien hervorzuheben, Fagioli sang sie alle so überzeugend, daß sich ein beglückendes Konzert ebenbürtiger Werke ergab.
Mit zwei Arien des Bertarido aus Händels Rodelinda begann Fagioli. "Pompe vane di morte ... Dove sei amato bene“ erklang sehnsuchtsvoll und leidenserfüllt, das wütende „Vivi tiranno“ kontrastierte mit Entschlossenheit und Kraft. Nach einem orchestralem Intermezzo folgte Porporas wehmütige Arie der Ericlea „Torbido intorno al core“ - Fagioli schwelgte in langen Gesangsbögen und innigem Ausdruck. Mit „Crude furie“ aus Serse schloß Händel des ersten Teil wiederum virtuos. "Dolci freschi aurette" aus Poropras Polifemo erklang zu Beginn des zweiten Teils anschmiegsam und verführerisch und kontrastierte mit „Se bramate d'amar chi vi sdegna“ aus Händels Serse. Eine Entdeckung war die Arie „Non lasciar chi t’ama tanto“ aus Porporas Kantate Il Vulcano, hingebungsvoll die Interpretation. Mit Acis Arie „Nell’attendere il mio bene” aus Polifemo endete das offizielle Konzert mit überbordender Freude, die Fagioli mit "Dopo notte" aus Ariodante als Zugabe erneut aufnahm.
Dirigent George Petrou und Armonia Atenea hinterlassen aktuell einen exzellenten Eindruck in Karlsruhe, sowohl mit Arminio als auch gestern im Konzert, das sie nicht nur begleiteten, sondern selber auch gestalteten indem sie vier Konzerte zwischen den Arienblöcken virtuos spielten und damit das Programm deutlich aufwerteten. Händels Concerto grosso F-Dur op. 3, 4, Vivaldis Konzert für zwei Violinen a-Moll op. 3, 8 und dessen Fagottkonzert e-Moll RV 484 - beide spannende Hörerlebnisse -
sowie J.A. Hasses Mandolinenkonzert e-Moll RV 484. Der Konzertteil machte Lust auf mehr!
Fazit: Herzliche Freude und Begeisterung im Publikum. Franco Fagioli erwies sich erneut als der aktuell vielseitigste Künstler seiner Stimmlage.
PROGRAMM
Händel - Concerto grosso F-Dur op. 3, 4 HWV 315 (Overture - Andante - Allegro - Minuetto)
Händel - Rodelinda, regina de’ Longobardi HWV 19 (1725)
„Pompe vane di morte … Dove sei amato bene“ - Recitativo accompagnato e Aria (Bertarido)
„Vivi tiranno“ - Aria (Bertarido)
Vivaldi - Concerto per 2 violine a-Moll op. 3, 8 (Allegro - Adagio con spirito - Allegro)
Solo-Violine: Sergiu Nastasa, Carmen Otilia Alitei
Porpora - Meride e Selinunte (Venedig, 1727)
„Torbido intorno al core“ - Aria (Ericlea)
Händel - Serse HWV 40 (1738)
„Crude furie“ - Aria (Serse)
- Pause -
Porpora - Polifemo (London, 1735)
„Dolci freschi aurette“ - Aria (Aci)
Händel - Serse HWV 40 (1738)
„Se bramate“ - Aria (Serse)
Johann Adolf Hasse - Concerto per mandolino G-Dur op. 3, 11 (Allegro - Largo - Allegro)
Mandoline: Theodoros Kitsos
Porpora - Il Vulcano (Cantata)
„Non lasciar chi t’ama tanto“ - Aria (Vulcano)
Vivaldi - Concerto per fagotto e-Moll RV 484 (Allegro - Andante - Allegro)
Fagott: Alexandros Economou
Porpora - Polifemo (London, 1735)
„Nell’attendere il mio bene” - Aria (Aci)
- Zugabe -
Händel - Ariodante (London, 1735)
„Dopo notte" - Aria (Ariodante)
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.