Also doch, auch die Berliner Philharmoniker können pauschal klingen. Diese Überraschung währte allerdings nur kurz, dann präsentierte man dem Publikum die gewohnte Perfektion.
Das Violinkonzert h-Moll op. 61 von Edward Elgar gehört zu den großen, stimmungsreichen Solistenkonzerten, der Geiger Pinchas Zukerman begann mit melancholisch fragilem Impuls und entwickelte die Stimmung kunstvoll über innere Unruhe zu einem äußeren Aufgewühltsein. Schade, daß Dirigent Zubin Mehta dieser Interpretation nicht folgen wollte, bei ihm gab es keine zögernde oder tastende Phase, das Orchester entwickelte bereits in der Einleitung die Themen mit hoher Leidenschaft ohne Steigerungsmöglichkeit und hinterließ im Allegro im Gegenspiel zum Soloinstrument einen undifferenzierten Eindruck. Ab dem mittleren Andante spielten Violinist und Orchester dann das gleiche Konzert, die Idylle und leidenschaftliche Steigerung gelangen in Kooperation, das abschließende komplexe Allegro molto mit der Kadenz war der emotionale Höhepunkt, die Rekapitulation der Themen (auch die aus dem ersten Satz erfolgten nun mit und nicht gegen das Soloinstrument) führten zur geglückten Synthese. Zukermann spielte mit einem satten und vollen Klang, der auch fragil klingen konnte, ohne gebrechlich zu sein. Zukerman ist 68 Jahre, Mehta wird Ende April 81 - früher hätte man
altersweise Interpretation mit langsamen Tempi erwartet. Davon war nichts
zu bemerken, beide wirkten musikalisch jung. Alter spielte hier keine
Rolle, bzw. wenn, dann in routinierter Könnerschaft. Bravo!
Nach der Pause erklang von Tschaikowsky die Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64, Zubin Mehta dirigierte auswendig und zeigte seine große Meisterschaft in mustergültigen Tempi und perfekter (aber auch überraschungsfreier) Formgebung. Die Berliner Philharmoniker bewiesen ihre außergewöhnliche Spiel- und Klangkultur - das Publikum war zu recht begeistert.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.