Elfen schweben schwerelos im weißen Tütü
La Sylphide ist ein magisches Ballett mit Geistern und Hexen und handelt von der unmöglichen Liebe eines Menschen zu einem Wesen aus einer anderen Welt. Die gestrige Premiere hatte viel tänzerische Magie, in der großen Schlußszene des ersten Akts gab es ansteckende Freude einer hochmotivierten Compagnie und Birgit Keils Tänzer wurden wie üblich lange beklatscht.
Worum geht es?
Der junge Schotte James verliebt sich am Tag seiner
Hochzeit in eine Sylphide - einen gutartig-naiven Luftgeist, der bei der Hochzeit James
den Ring entwendet, bevor er ihn seiner Verlobten anstecken kann. James
verzichtet auf die Zeremonie und rennt der Sylphide hinterher. Eine Hexe
gibt ihm einen magischen Schal, mit der er seine Angebetete fangen kann.
Doch als ihm dies gelingt, stirbt sie (La Sylphide ist deshalb ein Ballett ohne Pas-de-deux). James wird das Herz doppelt gebrochen, denn auch seine frühere Verlobte
heiratet einen anderen.
Ein doppelter Blick in die Geschichte
La Sylphide ist ein zentrales Werk des romantischen Ballett und gilt als das älteste der Ballettwelt noch erhaltene Ballett. Bei der Uraufführung 1832 zeigten die Tänzerinnen zum ersten Mal Bein und konnten springen - das Tütü war erfunden, damals war es noch wadenlang (gestern auch) und ersetzte die Reifröcke, die Männer tragen Schottenrock. Auch der auf Zehenspitzen schwebende Tanz gehörte erstmals zu dieser Tanzsprache und revolutionierte das Ballett - La Sylphide ist ein Schlüsselwerk, das historisch eminent bedeutsam ist und das der später entstandenen Giselle (1841) ähnelt, die im zweiten Akt eine größere dramatischen Kraft bietet als ihre Vorgängerin.
Bei der Karlsruher Inszenierung setzt man
auf Bewährtes: Die seit der Erstaufführung 1979 beliebte Choreographie
des dänischen Tänzers Peter Schaufuss, der sie auch in Karlsruhe mit
seinem Sohn Luke persönlich einstudierte, basiert auf einer historisch
überlieferten Fassung eines anderen dänischen Choreographen - Auguste
Bournonville hatte sie 1836 für Kopenhagen entworfen. Es ist also ein
nostalgischer Blick in die Ballettgeschichte, der in Karlsruhe auf die
Bühne kommt, Kostüme und Ambiente lassen frühere Zeiten
wiederauferstehen.
Ballettdirektorin Birgit Keil hat die Titelpartie übrigens in dieser Choreographie von Schaufuss bei der deutschen Erstaufführung 1982 selber getanzt.
Was ist zu sehen?
Zwei neue erste Solisten tanzten gestern die Premiere. Harriet Mills hat sich die Haare für ihre Rolle als Sylphide rot gefärbt (wie sie hier in ihrem Blog berichtet), um auch visuell ins schottische Ambiente zu passen. Ihr Auftritt strotzte vor Selbstverständlichkeit und Souveränität, schon in der ersten Szene übertrug sich die Unbekümmertheit des Luftgeists auf das Publikum, ihr ätherisches Wesen drückt sich in häufigen Passagen mit Spitzentanz aus - Brava. James wird von Zhi Le Xu mit eleganten Bewegungen und hohen Sprüngen charakterisiert. Admill Kuyler hat einen starken und vor allem ausdrucksstarken Auftritt als Hexe Madge. James Verlobte Effie war gestern mit Blythe Newman luxuriös besetzt. Bruna Andrade und Flavio Salamanka sind bei dieser Premiere in kleineren Rollen zu sehen, um den jüngeren Kollegen den Vortritt zu lassen. Beide werden die Hauptrollen in weiteren Aufführungen ebenfalls tanzen. Den meisten Applaus bekamen gestern die Kinder der Ballettschule Lagunilla & Reijerink, die im ersten Akt einen wunderbaren Auftritt haben. Und auch Musikalisch gab es nichts zu mäkeln: Die Badische Staatskapelle unter Steven Moore musizierten immer wieder dichte Szenen.
Fazit: Romantisches Ballett mit einem humorvollem Flair im ersten und zauberhaften Momenten im zweiten Akt. Wem Giselle gefällt, der sollte auch La Sylphide sehen.
Besetzung und Team:
Die Sylphide: Harriet Mills
James: Zhi Le Xu
Madge, eine Wahrsagerin: Admill Kuyler
Effie, Verlobte von James: Blythe Newman
Gurn: Kammertänzer Flavio Salamanka
Anna, Mutter von James: Hélène Dion
Mary, Effies Cousine: Bruna Andrade
Freunde von James: Bledi Bejleri, Andrey Shatalin
Pas de Huit: Moeka Katsuki, Juliano Toscano, Patricia Namba, João Miranda, Naoka Hisada, Reginaldo Oliveira, Momoka Kikuchi, Ronaldo dos Santos
Hexen: Ronaldo dos Santos, Jason Maison, João Miranda, Roger Neves
Erste Sylphide: Rafaelle Queiroz
Zwei Sylphiden: Lisa Pavlov, Carolin Steitz
Sylphiden: Anastasiya Didenko, Amelia Drummond, Naoka Hisada, Moeka Katsuki, Momoka Kikuchi, Su-Jung Lim, Carolina Martins, Larissa Mota, Patricia Namba, Mizuki Tabata, Isabell Weigner, Eriko Yamada
In weiteren Rollen: Solisten, Ballettensemble & Ballettstudio des Badischen StaatsballettsStudierende der Akademie des Tanzes Mannheim, Schülerinnen der Ballettschule Lagunilla & Reijerink Karlsruhe
Musik: Herman S. Løvenskjold, bearbeitet von Ole Nørlyng
Musikalische Leitung: Steven Moore
Choreografie & Inszenierung: Peter Schaufuss nach August Bournonville
Einstudierung: Peter Schaufuss, Luke Schaufuss
Bühne & Kostüme: David Walker
Licht: Steen Bjarke
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.