Freitag, 18. November 2016

Eine Ohrfeige für die Intendanz

Das Badische Staatstheater hat einen ausgezeichneten Personalrat!
Es ist eine Ohrfeige, die die Intendanz des Badischen Staatstheaters in dieser Woche aus Berlin bekommen hat. Unter Peter Spuhler und Jan Linders wurden die gesetzlich vorgeschriebenen Arbeitszeiten ad absurdum geführt, wie man aus gut informierten Kreisen, von Angehörigen und Theater-Fans hörte, wurden Mitarbeiter unter Druck gesetzt, freie Tage nicht wie vorgeschrieben gewährt, Stundenlimits mißachtet, es mußten massiv Überstunden geleistet werden und die Stimmung am Badischen Staatstheater (vor allem im Schauspiel) erreichte einen Tiefpunkt.
Es ist den unermüdlichen Bemühungen des Personalrats zu verdanken, dem es durch viele Gespräche und wie man hört mit Hilfe eines Rechtsbeistands gelang, die Arbeitszeiten wieder auf gesetzeskonformes Maß zu drücken und schriftliche Arbeitszeitnachweise zu etablieren, um die schlimmsten Auswüchse des Spuhlerschen Regimes auf ein erträgliches Maß zu drücken.
Das wurde nun honoriert und ausgezeichnet beim Deutsche Personalräte-Preis 2016 (einem Preis, der eine Initiative der Fachzeitschrift "Der Personalrat" ist):
  • "Mit Bronze zeichnete die Jury den Personalrat des Badischen Staatstheaters Karlsruhe aus. Durch seine Initiative wird seit Ende 2014 erstmals die tatsächliche Arbeitszeit auch für künstlerische Mitarbeiter erfaßt und so die Einhaltung gesetzlicher Regelungen verbessert.
Man beachte die Formulierung - die Einhaltung gesetzlicher Regelungen wird verbessert. Es scheint noch immer einiges im Argen zu liegen.
  
Wenn man die Ursachen der Konfrontation zwischen dem Badischen Staatstheater und der Intendanz analysieren will, muß man meines Erachtens die Hintergründe berücksichtigen:
Intendant Spuhler kam 2011 nach Karlsruhe, um möglichst schnell wieder zu gehen. Das Badische Staatstheater sollte nur ein kurzes Karriere-Sprungbrett sein. Entsprechend verhielt man sich: Peter Spuhler erwies sich als der Investment-Banker unter den Intendanten, es ging ihm meines Erachtens um kurzfristige Gewinne auf dem Rücken anderer durch schnelle Ausbeutung von Ressourcen bei kurzem Planungshorizont. Die Betriebsabläufe  würden überhitzt und überlastet, um schnell Erfolgsmeldungen als Argument für den geplanten Wechsel an ein anderes Theater zu präsentieren und fehlende künstlerische Substanz zu übertünchen. Dabei scheint man durch rücksichtsloses Verhalten (vor allem auch im Schauspiel unter Jan Linders) an seine Verhaltensgrenzen gekommen zu sein - in Karlsruhe traf man auf Widerstand, der nun in Form des Personalrats gewürdigt wurde.
Das Badische Staatstheater wurde (und manche werden sagen: wird noch) in dieser Sichtweise als Beute und Tauschobjekt instrumentalisiert für persönliche Zwecke. Wer sich als Außenstehender nicht mit dem Anschein und der Oberfläche zufrieden geben wollte, konnte den Eindruck erhalten, daß die Selbstdarstellung der Intendanz und die Realität ein voneinander unabhängiges Dasein führen, das man, wenn man es literarisch verarbeiten wollte, mit den Stichworten Karrieristentum, Seilschaften und Klientelverhalten beschrieben werden könnte. Ähnliches scheinen inzwischen auch andere erkannt zu haben: auf alle Wechselgerüchte des Intendanten folgte unter der Hand Bedauern über weitere Absagen. Man muß sich wohl noch 4,5 Jahre in Karlsruhe miteinander arrangieren. In einem Interview ist Peter Spuhler bereits zurückgerudert - er kann sich wohl nun auch ein Leben jenseits einer Karriere als Intendant vorstellen. Man könnte meinen, die Einsicht kommt zu spät.
       
PS: Ob der sozialdemokratische Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe dem Personalrat des Theaters zu seinem Etappensieg gratuliert hat, ist dem Verfasser dieser Zeilen nicht bekannt.