Donnerstag, 2. Februar 2012

Delius - Romeo und Julia auf dem Dorfe, 01.02.2012

Die B-Premiere hatte Stärken und Schwächen.

Justin Brown und die Badische Staatskapelle hinterlassen bereits über die ganze Spielzeit einen herausragenden Eindruck. Rechtzeitig zum 350. Geburtstag des Orchesters (hab ich das richtig mitbekommen: das sechst älteste Orchester der Welt mit durchgehender Tradition!?!) ist es in bester Verfassung, auch wenn es gestern hörbar weniger konzentriert als in der Premiere spielte. Orchestrale Höhepunkte gibt es in Delius' Romeo und Julia auf dem Dorfe einige: zum Hinhören ist insbesondere die Einleitung zum 3. Bild (in Karlsruhe die Klatschmohnszene) und das lange Zwischenspiel zum letzten Bild, der sogenannte Gang zum Paradies.
 
Die frühere Ballett-Tänzerin Arila Siegert verleugnet ihre Herkunft nicht. Sie hat gelernt auf eine Partitur zu tanzen und die Regie ist deswegen so interessant, weil sie auf die Partitur hört. Die Bilder dieser Oper sind ruhig, traumhaft und ausdrucksstark. Eigentlich sind ja alle Drehbühneninszenierungen ähnlich und doch hat man hier den Eindruck etwas anderes zu sehen: ständig werden neue Räume von großer bühnenarchitektonischer Qualität geschaffen, die eine labyrinthische Ausweglosigkeit suggerieren.
Das 4. Bild ist das kontrastreichste und in jeder Hinsicht gelungenste: Vrenchens Abschied vom Elternhaus ist der innigste sängerische Moment, dann das schicksalhafte Duett mit Sali und die visionäre Traumszene der gemeinsamen Hochzeit mit Orgel und Glockenklang, die, wenn auch nur für einen kurzen Moment, orchestral überwältigt.

Nicht jedem wird die choreographierte Bebilderung und der gleichförmige emotionale Pegel der Musik zusagen. Es ist eine handlungs- und spannungsarme Oper, sie hat aber in ihren besten Momenten etwas harmonisch Fließendes, ein ausatmendes und versöhnliches Element, trotz aller Melancholie. Manch einer mag weinen wollen angesichts dieser lyrisch-schönen Traurigkeit, die Musik und Inszenierung so kongenial ausdrücken.

Die B-Premiere hatte eine durchgehend neue Besetzung, bei der in den Nebenrollen keine wesentlichen Qualitätseinbußen zu bemerken waren. Gabriel Urrutia Benet als schwarzer Geiger konnte erwartungsgemäß nicht Armin Kolarczyk vergessen machen.

Der junge Tenor Steven Ebel, der ab der Spielzeit 2012/2013 fest in Karlsruhe engagiert sein wird, sang den Sali. Man kann nur hoffen, daß er gestern keinen guten Tag erwischt hatte, denn sein Auftritt war nicht überzeugend. Im 2. Bild konnte er kurz den Ton nicht halten und dieser entglitt ihm zu einem spektakulären Tarzan-Jodler, wie ich ihn lange nicht mehr auf einer Bühne gehört habe. Für den jungen Tenor scheint diese Rolle zu früh, seine Stimme  noch zu klein. Vor allem auch im Vergleich mit dem gestrigen Vrenchen. Die positive Überraschung war die junge russische Sängerin Ekaterina Isachenko, die noch mehrfach als Gast zu hören sein wird. Sie verkörperte ihre Rolle und sang mit schöner, voluminöser Stimme. Manch einer wird sich gewünscht haben, daß sie doch fest ins Karlsruher Ensemble wechseln möge. Für ihren Auftritt lohnte gestern der Besuch.

Wie zu erwarten ist Delius’ unbekannte Oper noch kein Publikumsmagnet, aber es herrschte auch strenger Frost und eisiger Wind. Die nächsten Vorstellungen scheinen besser gebucht. Ich befürchte trotzdem, Delius wird es unverdient schwer haben: Raritäten scheinen aktuell wenig Publikum anzuziehen ...