Händels Jupiter in Argos (uraufgeführt 1739) stammt aus einer Zeit, als die italienische Oper in London im Niedergang war und sich Händels zweite Karriere als Oratorienkomponist abzeichnete. Kurz vor Giove in Argo war das Oratorium Israel in Ägypten aufgeführt worden. Hinweise für den sich ändernden Publikumsgeschmack finden sich auch in dieser Oper: es fehlen Kastraten, es gibt ungewöhnlich viele Chorsätze, mehr als in jeder anderen Händel Oper, und es ist ein relativ kurzes Stück: ca 2,5 Stunden Spieldauer.
Giove in Argo ist eine Pasticcio Oper, also eine Zusammenstellung bereits verwendeter Arien und Musik zu einer neuen Oper. Im 2. und 3. Akt ist zusätzlich jeweils eine Arie des Komponisten Franceso Arraia eingefügt. Die Ausnahmestellung dieses Werks beruht darauf, daß es die einzige Pasticcio Oper ist, für die Händel auch neue Musik komponierte. Unter der wieder verwerteten Musik finden sich unter anderem Chorsätze aus Acis und Galatea von 1717, aber auch Arien aus Händels Oper Faramondo von 1738, also aus über 20 Schaffensjahren.
Als Chor für die konzertante Aufführung im Zuge der Händel Festspiele wurden die knapp 30 Sänger (darunter auch Countertenöre) des Vocalensembles Rastatt verpflichtet, das von dessen Gründer und Leiter Holger Speck ideal einstudiert war und einen sehr guten Eindruck hinterließ. Die gewohnt souveränen Händel-Solisten wurden ebenfalls von Holger Speck dirigiert: wohl temperiert, aber zu gleichförmig und etwas zu langsam - Giove in Argo entwickelte bei ihm nicht das abwechslungsreiche und variable Orchesterspiel, das ansonsten die Händel Festspiele prägt. Doch dafür war der Musizierstil sehr Stimmen-freundlich: allen Sängern hörte man an diesem Abend sehr gerne zu!
Kirsten Blaise (Calisto) ist seit fast 10 Jahren die prägende Sängerin der Händel Festspiele. Wer Blaise in den vergangenen Jahren gesehen und gehört hat, der weiß um ihre sehr starke
Bühnenpräsenz. Selbst bei einer konzertanten Aufführung wie gestern nimmt sie das Publikum für sich ein. Als Gäste sangen die Mezzosopranistin Amira Elmadfa (Iside), der Tenor Markus Brutscher (Arete) und der Bassist Markus Flaig (Liacone). Dazu die bewährten Ensemblemitglieder Armin Kolarczyk (Erasto) und Ina Schlingensiepen, die für ihre erkrankte Kollegin Stefania Dovhan als Diana einsprang. Sängerisch eine rundum gelungene Aufführung.
Wer die nach heutigem Maß mythologisch überfrachtete Handlung
durchliest, hat schnell Verständnis für die konzertante Aufführung, die ein weiterer Baustein zur Vervollständigung der Händel-Opern in Karlsruhe darstellt. Bemerkenswert ist das Engagement der diesjährigen Festspielleitung: das Libretto zu Alessandro war seit Wochen im Internet abrufbar, gestern bekam das Publikum das komplette Textbuch von Giove in Argo zum Mitlesen. Ein sehr aufmerksamer Service - vielen Dank an das Staatstheater!