Sonntag, 29. Januar 2012

Delius - Romeo und Julia auf dem Dorfe, 28.01.2012

Wo immer man versucht sich über Delius‘ Oper Romeo und Julia auf dem Dorfe zu informieren, findet man die Beschreibung unbekanntes Meisterwerk. Die Musik der Oper changiere stilistisch zwischen Grieg, Wagner und Debussy, ist harmonisch vielfältig mit stark impressionistischen Zügen. Delius‘ reife Werke seien von überwältigender Klangschönheit. Am Badischen Staatstheater kann man nun überprüfen, wie Delius klingt. Knapp 105 Jahre nach der Uraufführung in Berlin ist Romeo und Julia auf dem Dorfe zum ersten Mal in Karlsruhe zu hören.



Der deutschstämmige und in England geborene Fritz Delius (1862-1934) nahm erst 1903 den Vornamen Frederick an. Seine interessante Biographie zeigt, daß er viele prominente Unterstützer hatte: der befreundete Edvard Grieg animierte ihn dazu, Komponist zu werden, der große britische Dirigent Thomas Beecham förderte ihn. Paul Gauguin, August Strindberg und Edvard Munch sollen mit Delius befreundet gewesen sein. Heute ist er fast vergessen.

Gottfried Kellers bekannte Novelle „Romeo und Julia auf dem Dorfe“ bildet die Grundlage dieser Oper, die in Karlsruhe in der deutschen Version aufgeführt wird. Den sich liebenden Bauernkinder Vrenchen und Sali, deren Väter sich durch einen Rechtsstreit über ein Stück Land gegenseitig ruiniert haben, bleibt eine Chance auf einen bürgerlichen Ehestand versagt und sie beschließen ihr Leben gemeinsam zu beenden. Delius hat dafür eine große, aber durchsichtige Orchesterbesetzung und eine besondere, suggestiv-poetische Klangfarbe erschaffen, die insbesondere in den orchestralen Zwischenspielen ihre Höhepunkte besitzt.

Warum ist die Oper so unbekannt? Sie bietet den Sängern keine dankbaren Rollen. Abgesehen von der Rolle des Schwarzen Geigers gibt es wenig Möglichkeit zu glänzen. Musikalisch fehlt das wiedererkennbare Motiv oder die eine, die besondere und in Erinnerung bleibende Melodie. Die Partitur zeichnet sich durch eine geringe Bandbreite an Stimmungen aus, ist fast durchgehend lyrisch und frei von Monumentalität: sie durchlebt keine Höhen und Tiefen, sondern bewegt sich in allen sechs Bildern um eine emotionale Mittellage. Delius setzt nicht auf Spannung oder Dramatik, sondern beschreibt Seelenvorgänge. Am innigsten wird er in den besonders traurigen und wehmütigen Momenten. Kurz gesagt: Delius' Oper stirbt in Schönheit.

Die Regisseurin  Arila Siegert ist sehr nahe an Delius' Partitur und übernimmt deren Besonderheiten: reduziert, ohne große emotionale Ausbrüche beschreibt sie die Ereignisse durch ruhige, träumerische Bilder und eine auf die lyrische Musik abgestimmte Subtilität. Frank Philipp Schlössmann hat dafür ein einfallsreiches, visuell ansprechendes Bühnenbild geschaffen, das durch den Einsatz von hohen geschwungenen Wänden auf der Drehbühne eine das Liebespaar umschließende Welt darstellt. Der finale Liebestod ist szenisch und musikalisch verklärend und ohne Härten.

Viel Zustimmung erhielten vom Publikum das Orchester und Dirigent Justin Brown, die bei dieser Oper besonders gefordert sind. Die Besetzung der Sänger ist ausgewogen und rollengemäß: Die drei Hauptakteure Stefania Dovhan (Vrenchen), Carsten Süß (Sali) und vor allem Armin Kolarczyk als Schwarzer Geiger  bekamen sehr viel Applaus und Bravos. Delius' Oper ist Bariton-freundlich: neben Kolarczyk kann man in den Nebenrollen auch die Stimmen von Seung-Gi Jung, Jaco Venter und Andrew Finden genießen. Für die wie immer von Ulrich Wagner sehr gut einstudierten Chormitglieder ergaben sich einige kleine Einzelrollen. Die Zuschauer gaben durch starken und langen Applaus allen Beteiligten ihre Zustimmung zur Premierenaufführung. Dem Staatstheater ist eine erfolgreiche und verdienstvolle Ausgrabung gelungen, deren Überlebenschance aber weiterhin skeptisch zu beurteilen ist und die Bezeichnung unbekanntes Meisterwerk rechtfertigt.

Fazit: eine sehr schöne, unproblematische, sehens- und hörenswerte Produktion, die es dem Publikum leicht macht, Delius' Oper zu entdecken.
Sehr empfehlenswert ist auch das Programmheft, das über Komponisten, Musik und Inszenierung interessante Informationen liefert.

1 Kommentar:

  1. Von der Oper habe ich noch nie etwas gehört - aber sie klingt schon irgendwie reizvoll, deswegen habe ich mich gleich mal via youtube auf die Suche nach einigen Eindrücken begeben....

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