Samstag, 2. November 2019

Gounod - Faust, 01.11.2019

Attraktives Hörerlebnis mit flachsinnigem Regiekonzept
Bei der Premiere gab es schon einige Buhs für die Regie und nach der gestrigen Vorstellung muss man zugestehen, es hätten noch viel, viel mehr sein müssen. Inszenierungen können mißglücken, man darf sich aber nicht an schlechtes Theater gewöhnen. Die ständigen Qualitätsprobleme der Intendanz von Peter Spuhler können dazu führen, daß man bereits dankbar ist, wenn wichtige Inszenierungen nicht verhunzt sind. Doch das ist eine Relativierung, die bereits niedrigem Niveau Platz einräumt und deshalb nicht toleriert werden darf. Aus einer populären Oper wie Gounods Faust kann man viel mehr machen als eine gesellschaftliche Groteske, die mit zentralen Handlungsteilen nichts anzufangen weiß, sich imaginäre Konflikte ausdenkt, der Oper ein flachsinniges Regiekonzept überstülpt und in einer lächerlichen und aufgesetzten Schlußszene ein gekünseltes und künstliches Knalleffektchen produziert, das weder zur Intention noch zur Musik paßt und letzendlich eitle Wichtigtuerei ist.
  
Wieso läßt man in Karlsruhe einen Regisseur eine Oper inszenieren, mit der er nichts anzufangen weiß, dessen Kernthemen ihm anscheinend hermetisch verschlossen bleiben? In den letzten Jahren scheint zu oft Ignoranz zum entscheidenden Maßstab geworden zu sein, mit der man in Karlsruhe Inszenierungsaufträge erhalten kann. Gounod war religiös und komponierte grandiose sakrale Musik,  neun Gebete finden sich in Faust, doch mit Religiosität weiß der Regisseur nichts anzufangen. Bei zentralen Elementen dieser Oper ist diese Inszenierung dramaturgisch verwirrt, inhaltlich überfordert und szenisch plump, wenn bspw. im 2. Akt das satanische Treiben Mephistos von der Menge erkannt wird und Valentin den Choral anstimmt (C'est une croix, qui de l'enfer nous garde - es ist ein Kreuz, das uns vor der Hölle bewahrt), läßt der Regisseur drei Statisten in Ku Klux Klan Kostümen auf die Bühne kommen - eine leere Geste, die den amerikanischen Südstaatenrassismus als erklärbares Symptom zeigt, dessen Ursache also der Kampf gegen den Teufel ist? Bestenfalls amüsanter Schabernack ist heutzutage auch die Vorstellung, Gott als alten weißen Mann darzustellen, der von einer toten Frau entthront wird, die kein Martyrium durchlaufen hat, sondern als beleidigte Leberwurst bei der Auferstehung handgreiflich gegen einen Comic-Gott wird. Wer will ernsthaft behaupten, daß dies kein Unfug ist, sondern irgendeine Aussage haben soll? Daß eine solch plumpe Inszenierung dem Publikum vorgesetzt wird, paßt ins Bild einer Intendanz des Badischen Mumpitztheaters, die nicht über den eigenen Tellerrand blicken kann, die den erhobenen Zeigefinger zu ihrem Erkennungszeichen gemacht und sich Spießigkeit auf ihre Fahne geschrieben hat. Man muß es regelmäßig wiederholen: eine gute Intendanz erkennt leere Vorgeblichkeiten und dramaturgische Hilflosigkeit im Vorhinein. Die Intendanz läßt schlechte Inszenierungen zu, um sich ideologisch aufzuspielen, sie instrumentalisiert das Theater für opportune Oberflächlichkeiten

Musikalisch und sängerisch kann man der Karlsruher Oper keine Vorwürfe machen, im Gegenteil, Daniele Squeo und die Badische Staatskapelle musizieren atmosphärisch dicht und sängerisch kann man jede Rolle ansprechend doppelbesetzen. Die gestrige B-Premiere hatte ebenfalls hörenswerte Stimmen, insbesondere Peter Sonn als Faust, Diana Tugui als Margarethe und Vazgen Gazaryan als Mephisto sind spannende Alternativen, es lohnt sich, beide Besetzungen zu hören und wenn man nicht zu genau hinsieht, kann man auch die letztendlich in der Summe niedermittelmäßige Inszenierung ertragen.