Freitag, 13. Juli 2018

Mozart - Lucio Silla, 12.07.2018

Man könnte ja meinen, man hat es bei der Erstellung des Karlsruher Opernspielplans einfach nicht gewußt, daß Lucio Silla und Anna Bolena ca. drei Stunden Spieldauer oder mit Pause(n) fast vier Stunden benötigen. Dabei gibt es doch entsprechende Einspielungen auf CD, die die Länge verraten. Manche werden dagegenhalten und das als weiteren Beweis der Ahnungs- und Lieblosigkeit im Führungsteam von Intendant Spuhler werten. Andernfalls hätte man -wie sonst bei besonders langen Opern üblich- die Vorstellung um 19 Uhr oder 19.30 Uhr beginnen lassen können statt um 20 Uhr. Nun muß das Publikum fast bis 24 Uhr durchhalten, kommt erst deutlich nach Mitternacht ins Bett und wer dann um sechs Uhr aufstehen muß, der überlegt sich genau, ob er zum letzten Akt noch bleibt. (Aber auch das Desinteresse und die Ignoranz der Intendanz haben tatsächlich ihre Grenzen, in der kommenden Saison beginnt Anna Bolena um 19.30 Uhr). Das späte Durchhalten lohnt sich, Lucio Silla (und Anna Bolena) sind gelungen und spannend.

Die Rückkehr der Opera Seria
Dem früheren Karlsruher Intendanten Günter Könemann gelang mit der Etablierung der Händel-Festspiele, das Badische Staatstheater frühzeitig als Zentrum barocker Opernpflege zu etablieren. Zu einer Zeit, als barocke Aufführungspraxis, Countertenöre und die durch Rezitativ und Arie geprägte Opera Seria ein Nischendasein für Spezialisten darstellte, erkannte Könemann die Entwicklung und war Vorreiter. Inzwischen haben andere Opernhäuser den Trend längst aufgegriffen und die Chance genutzt, selten gespielte oder vergessene Komponisten und ihre Opern zu entdecken und aufzuführen. Die Opernorchester haben sich weiter entwickelt und können historische Aufführungspraxis integrieren, Countertenöre gibt es inzwischen einige und auch die Regisseure wissen inzwischen, wie man die Opern des 17. und 18. Jahrhunderts angehen kann. In Karlsruhe hört man Händel-Opern immer nur im Februar auf allerhöchstem Niveau, zu besseren Zeiten kontrastierte man das Programm im Kleinen Haus mit Opern von Zeitgenossen Händels wie Telemann, Keiser und Scarlatti (Der Triumph der Ehre im Kleinen Haus (1999) war besonders erinnerungswürdig). Anderswo hat man zwar kein spezialisiertes Barockorchester und keine Händel-Festspiele, dafür integrierte man diese Epoche in den letzten ca. 20 Jahren ins normale Abo-Programm und konnte sie alltagstauglich machen. So kommt es, daß in Karlsruhe eine Lücke entstanden ist - es gibt nichts vor oder neben Händel, danach bestenfalls Gluck und sonst Mozart, dabei wäre es Zeit für mehr, bspw. für Monteverdi, Lully, Pergolesi, Porpora, Vivaldi, Rameau, u.v.a.m. ... . Es fehlt der Karlsruher Oper u.a. an liebevoller Entdeckerlaune, die auch bspw. das Kleine Haus wieder mit einbezieht. Und gerade 350 bis 250 Jahre alte Opern scheinen doch beim Publikum gefragt zu sein.

Mozarts Lucio Silla ist auch deswegen so bemerkenswert, weil man damit endlich eine Opera Seria bringt, die nicht von Händel ist (La clemenza di Tito war 2017 auch schon ein Beispiel, aber ein weniger mutiges als Lucio Silla) und einen Countertenor engagiert -und zwar mit Franco Fagioli einen der allerbesten- der nun auch mal außerhalb der Festspielzeit im Februar auftritt. Bemerkenswert ist, daß man einen renommierten Regisseur für diese Oper gewählt hat und bemerkenswert ist, daß man alles tat, um die Aufführungen zu einem Erfolg zu machen. Eine Opera Seria ist im Abo-Programm angekommen, schade nur, daß man sich lediglich drei Aufführungen zutraut.

Fazit (1): Mit Lucio Silla hat das Badische Staatstheater viel richtig gemacht (auch wenn die Vampir-Idee des Regisseurs nicht durchdacht erscheint)

Fazit (2): Und was für eine musikalisch und sängerisch spannende Umsetzung. BRAVO!