Wer hätte das bei der Premiere 2007 gedacht, daß gerade Robert Tannenbaums (zugegeben abwechslungsreiche und kurzweilige) Inszenierung des Don Giovanni auch nach fünf Jahren noch gespielt wird und bei der Wiederaufnahme sowie auch gestern bei der 25. Aufführung ausverkauft sein würde?
Es gibt bessere Inszenierungen, die das nicht geschafft haben, aber es ist nun mal Mozarts wahrscheinlich beliebteste Oper, die auch bei wiederholten Wiederaufnahmen das Publikum anzieht und für die entsprechende Sänger im Ensemble vorhanden sind. Somit standen besonders die Stimmen im Mittelpunkt, denn es gab einige Debütanten bei der Wiederaufnahme am 28.04., die ihre Rollen zum ersten Mal sangen und auch gestern auf der Bühne standen.
Die Favoritin des Karlsruher Publikums seit nun fast einem Jahrzehnt ist Barbara Dobrzanska. Nach ihrem Debüt als Donna Anna frägt man sich unweigerlich, wieso sie die Rolle nicht schon früher in Karlsruhe gesungen hat: sie überzeugt als Donna Anna und macht ihre Arien zu Höhepunkten des Abends.
Sebastian Kohlhepp als Don Ottavio lässt Bernhard Berchtold zwar noch nicht vergessen, ist aber auf bestem Weg, sich als sehr guter Mozart-Tenor zu etablieren. Schon die ganze Spielzeit ist der junge Sänger eine der positiven Überraschungen in Karlsruhe. Nächste Saison singt er dann Tamino in der Zauberflöte.
Lucas Harbour als Leporello nutzte vor allem die Registerarie, um sein Können zu zeigen, Veronika Pfaffenzeller als Zerlina hingegen war zu unauffällig, ihr fehlte das Kokette, um ihre Figur überzeugender zu gestalten. Andrew Finden als Masetto ist ein Zugewinn: er ist einer der jungen Sänger, die auch sehr gut schauspielern können. Avtandil Kaspeli hatte schon beim Theaterfest als unerbittlicher Komtur neugierig auf seinen Auftritt gemacht und nutzte seinen kurzen Auftritt auch gestern, um auf sich aufmerksam zu machen.
Nur zwei Sänger debütierten nicht in ihrer Rolle und hatten sie auch in Karlsruhe bereits früher gesungen: Christina Niessen überzeugte dabei wie gewohnt als Donna Elvira.
Armin Kolarczyk hat als Don Giovanni hör- und sichtbar Spaß: er spielt und singt mit viel Einsatz und zeigt bereits die ganze Spielzeit den Facettenreichtum seines Könnens. Das Publikum belohnte ihn berechtigterweise mit sehr viel Applaus und Zustimmung. Er ist in Karlsruhe zu Recht einer der beliebtesten Sänger.
Dirigent Christoph Gedschold verantwortete diese Spielzeit bereits einige musikalische Höhepunkte und auch als Mozart-Dirigent zeigte er hohe Werkaffinität.Gelegentlich war er mir gestern allerdings zu zurückhaltend. Ich bin mir sicher, daß er noch mehr Akzente setzen könnte.
Fazit: Eine sehr engagierte und stimmige Aufführung. Obwohl ich letztes Jahr in Baden-Baden den perfekten Don Giovanni gehört habe, verließ ich zufrieden das Karlsruher Staatstheater. Wer kann, sollte sich die neue Besetzung anhören. Es gibt nur noch drei weitere Termine. 2012/2013 ist Don Giovanni nicht eingeplant (dafür aber die Hochzeit des Figaro und die Zauberflöte).
PS: Die Wiederaufnahme des Rosenkavaliers in knapp fünf Wochen hingegen
zieht bisher deutlich weniger Besucher an als Don Giovanni und das, obwohl mit Heidi Melton und Katharine Tier Spannung vorprogrammiert ist. Schon die Premiere vor zwei Jahren war im Sommer und parallel zur Fußballweltmeisterschaft. Die Wiederaufnahme der 4,5 stündigen Oper (inkl. zwei Pausen) ist nun wieder im Sommer und parallel zur Fußballeuropameisterschaft.
Gibt es ein Zusammenhang zwischen Jahreszeit, Sportereignissen, Opernauswahl und Besucherzuspruch? Tendenziell würde ich behaupten, daß es weniger Zuschauer sind, die im Juni und Juli kommen. Und große/lange Opern gehören nach meiner Erfahrung ebenfalls eher in andere Jahreszeiten als in den Sommer. Aber das ist nur individuell beobachtet und ohne empirische Grundlage.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.