Das Elend der Heuchelei
Die Handlung von Verdis Nabucco erzählt vom Leid des israelischen Volkes. Zwei Wochen vor der gestrigen Premiere wurde Israel angegriffen, hunderte Zivilisten -Säuglinge, Kinder, Frauen und Männer- durch ein an ein Pogrom erinnerndes Massaker der palästinensischen Terrormiliz Hamas teilweise bestialisch ermordet. Und das Badische Staatstheater schwieg dazu. Es ist schon seltsam und bezeichnend: Seit Jahren ist das Theater instrumentalisiert für politische Botschaften aus dem ideologischen Milieu; führende Mitarbeiter des Theaters, bspw. die künstlerische Betriebsdirektorin Uta-Christine Deppermann und der geschäftsführende Direktor Johannes Graf-Hauber, dürfen die Webpräsenz des Badischen Staatstheaters für persönliche Darstellungen instrumentalisieren und ließen sich bspw. letztes Jahr während der Fußballweltmeisterschaft (nach dem Eklat durch Innenministerin Nancy Faeser in Katar, als diese den Arabern mal so richtig zeigen wollte, auf welchem Niveau der deutsche Regenbogen-Moralhammer hängt) auf Social Media Seiten des Staatstheater wie Faeser mit Armbinde ablichten. Daß Deutsche, die ihre vermeintliche Überlegenheit wie in den 1930/40ern ausgerechnet mit Armbinde (und dann noch im Ausland) präsentieren, einen peinlich geschichtsvergessenen Eindruck abgeben, sei mal hintenangestellt. Doch wieso gab es nun keine Israel-Flaggen oder andere Solidaritätskundgebungen beim Badischen Staatstheater zu entdecken? Wenn Mitarbeiter sogar Solidarität mit einer wenig beliebten SPD-Ministerin zeigten, wieso dann nicht erst recht jetzt mit Israel?
"Wo sind die israelischen Flaggen?", fragte Simon Strauß bereits am 10.10. in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (und zwar hier). "Unsere kulturellen Institutionen halten sich mit Zeichen der Solidarität bislang auffallend zurück. Es ist, als ob man Hemmungen hätte, sich die israelische Flagge ins Haus zu holen. .... Wo sind die Banner, die Plakate, die Transparente? All die symbolpolitischen Aushängeschilder, die unsere kulturellen Institutionen sonst sehr gerne sehr schnell in ihre Schaufenster hängen .... Man kann das sehr gerne sehr kritisch sehen .... ".
Die WELT attestierte (und zwar hier) der Kulturszene im Land: "Der Israelhaß ist ein strukturelles Problem" und spielt damit auch auf das Versagen der "Kulturbeauftragten der Bundesregierung" Claudia Roth bei der letzten Documenta an, die im Frühsommer des Jahres dafür die Quittung bekam: bei einem vom Zentralrat der Juden in Deutschland organisierten Ereignis wurde die Grüne Politikerin beim Grußwortdreschen lautstark ausgepfiffen und ausgebuht. Der Berliner Tagesspiegel fand damals die richtigen Worte für die fehlende Solidarität mit jüdischen Mitbürgern: "Es wird Zeit, mit Claudia Roth und denen, die ihres Geistes sind, Tacheles zu reden" (mehr dazu hier). Daß Islamverbände keine deutlichen Worte gegen die Ermordung israelischer Zivilisten fanden und sich scheuen, Mörder als solche zu benennen oder bundesweit ein Zeichen gegen Gewalt zu setzen, daß Menschen mit arabischen Wurzeln auf die Straße gingen und die wahllosen Morde an Frauen und Kinder feiern und doch nur geballten Haß ausdrücken wollen, mag nur die überraschen, die ein naives Verhältnis zu diesen Kreisen pflegen. Auch diesmal blieb der bemerkbare Aufstand der Anständigen im arabischen bzw. islamischen Kreisen aus.
"In Berlin werden die Haustüren von Häusern markiert, in denen jüdische Familien leben. Es gibt versuchte Brandanschläge auf Synagogen. Jüdische Schulen und Kindergärten werden mit Dutzenden Polizisten bewacht. Das Holocaust-Mahnmal muss mit einer Hundertschaft Polizei geschützt werden." - das Badische Staatstheater schwieg, als ob dies ein hinzunehmender Tribut für "Vielfalt", "Diversität" und andere Sonntagswunschfloskeln aus dem Milieu sei. Ein Menschenalter war es undenkbar, daß es in Deutschland innerhalb von zwei Wochen 1100 antisemitische Straftaten geben könnte - nun wird jüdisches Leben wieder massiv bedroht. Es gab keine Solidaritätsbekundung von Seiten des Theaters.
Erst zehn Tage nach den Massakern erfolgte eine Reaktion. Das Badische Staatstheater machte sich aber lediglich die Erklärung des Deutschen Bühnenvereins zu eigen (hier). Doch niemand aus dem Intendanz-Team oder eines anderen Gremiums gab seinen Namen oder sein Foto dazu. Bei der Vermutung von Mikroaggressionen gegen das eigene Klientelmilieu wird vermeintlich Haltung gezeigt, beim Judenhaß und Makroaggressionen wird geschwiegen. Dieses Schweigen des Badischen Staatstheaters und seines Top-Managements ist eine moralische Bankrotterklärung. Wer sich gerne als Moralapostel*ette und Vorzeigehaltungsclown*inchen präsentiert oder glaubt, das Theater für private Meinungen instrumentalisieren zu können und dann im entscheidenden Moment schweigt, der muß sich fragen lassen, was Heuchelei, was Doppelmoral und was gelebte Israelfeindlichkeit ist, und die vergangenen zwei Wochen waren eine Bloßstellung für eine kleine Minderheit im Theater, die sich sonst doch so gerne in Szene setzt und wohlfeil ablichten läßt. Wenn einzelne Mitarbeiter der Intendanz und anderer Gremien am Theater israelfeindlich bzw. antisemitisch sind oder es nicht für opportun halten, sich zu solidarisieren - bedauerlich, doch jeder darf seine Meinung haben; Aber wenn sich das Staatstheater einerseits für persönliche politische Botschaften kapern läßt (die nichts auf den Seiten eines Theaters verloren haben), dann aber als Theater es nicht hinbekommt, Antisemitismus zu verurteilen, dann ist das schon erbärmlich und lächerlich.
Chor und Orchester wurden nach der gestrigen Premiere bejubelt, die Sänger überzeugten mit guten bis sehr guten Leistungen und die Inszenierung hat Stärken und Schwächen und wurde vom Publikum tendenziell neutral aufgenommen: es wurde weder gebuht noch gebravot.
Worum geht es?
Ort und Zeit: Die babylonische Gefangenschaft der Juden im 6. Jahrhundert v. Chr. Die Handlung basiert auf der biblischen Geschichte (u.a. Buch Daniel und im 2. Buch der Könige, insgesamt über 90 Erwähnungen der Titelfigur, die im 4. Buch Daniel einen Traum erzählt) sowie historischen Überlieferungen zu Nebukadnezar II. (italienisch: Nabucco), der über 40 Jahre als babylonischer König herrschte.
Handlung:
1. Akt: Nabucco, König von Babylon, hat Jerusalem erobert und das jüdische Volk unterworfen. Seine Tochter Abigaille liebt den hebräischen Prinzen Ismaele und bietet ihm an, sein Volk zu verschonen, wenn er ihre Liebe erwidert. Ismale liebt jedoch Nabuccos jüngere Tochter Fenena, mit der er zusammen aus Babylon nach Jerusalem geflüchtet ist, und lehnt Abigailles Angebot ab. Als der jüdische Hohepriesters Zacharias Fenena als Geisel gegen die Invasoren nehmen will, wird sie von Ismaele befreit und ihrem Vater übergeben. Nabucco läßt den Tempel zerstören und nimmt die Hebräer in Gefangenschaft.
Zacharis weiß inzwischen, daß Ismaele die zum Judentum konvertierte Fenena schützen wollte und entlastet ihn vom Vorwurf des Verrats.
Die Hebräer singen ihren Gefangenenchor.
Nabucco lässt sich politisch, religiös und psychologisch interpretieren. Im Zentrum der Oper steht einerseits eine dreifach gedemütigte Frau: Abigailles Liebe wird nicht nur zurückgewiesen, der Geliebte bevorzugt ihre Schwester Fenena, die die Erbin ihres Vaters Nabucco sein wird, da Abigaille entdeckt, daß sie das als Tochter angenommene Kind einer Sklavin ist. Die unscheinbare Fenena bekommt, was die ehrgeizige Abigaille sich wünschte. Eine Isolierung und Herabsetzung, die Abigaille extrem beantwortet: sie entmachtet den Vater und will Fenena und die Hebräer töten lassen, um ihre Demütigung in einen Sieg zu verwandeln.
Und dann gibt es die religiöse Komponente: erst als Nabucco sich zu Jahwe bekennt, kann er die Macht Abigailles und der Götzendiener überwinden. Zuvor, als er sich selber zum Gott erhebt, wird er gestraft. Der eine Gott und der Glauben daran ist es, der am Ende den Sieg davonträgt. Die Utopie des gestürzten Götzenbilds ist ein Sinnbild für den Sieg von universaler Menschlichkeit.
Die letzte Karlsruher Inszenierung (1990/91) von Giancarlo del Monaco versuchte sich an einer politischen Aktualisierung: Nabucco trat als Saddam Hussein auf. Am 2. August 1990 hatte Irak ihren Nachbarn Kuwait überfallen. Doch in der Neuzeit gab es weder göttliche Fügungen noch Reue und vor allem keine Abigaille, die als Bösewicht agierte. Die Regie blieb an der Oberfläche.
Historisches
Giuseppe Verdis (*1813 †1901) dritte Oper war auch 1842 sein erster großer Publikumserfolg und Beginn dessen, was er als Galeerenjahre beschrieb: die nächsten Jahre komponierte er ununterbrochen neue Bühnenwerke, bis 1853 waren es 16 weitere Opern. Danach folgten in den folgenden 40 Jahren noch acht weitere neue Opern sowie verschiedene Umarbeitungen.
Ursprünglich sollte Otto Nicolai das Libretto zu Nabucco vertonen, doch er lehnte ab und so wurde der junge Verdi zum Opern-Star. Insbesondere das patriotische Italien verleibte sich das berühmte Chorstück Va, pensiero ein, ähnlich wie ein Jahrzehnt zuvor Bellinis Druidenchor Guerra! Guerra! aus Norma. Verdis Referenz für Nabucco war eine andere biblische Oper: Rossinis Moses und Pharao.
Ernani (UA 1844) scheint die erste Oper Verdis gewesen zu, die in Karlsruhe aufgeführt wurde, zwischen 1849 und 1853 stand sie mindestens elfmal auf dem Programm. Der Troubadour folgte 1857/58 und wurde zum großen Erfolg, der über viele Jahre immer wieder gespielt wurde (über 150 dokumentierte Vorstellungen in den kommenden Jahrzehnten), ebenso Aida (über 100 mal), La Traviata (teilweise gespielt als "Violetta") und Rigoletto je ca. 70, Maskenball und Otello mehr als 30, Falstaff 20 mal. Andere Opern Verdis wurden sehr selten oder gar nicht ins Programm genommen. Der erste Nabucco scheint erst 1929 als Gastspiel des Nationaltheaters Mannheim in Karlsruhe aufgeführt worden zu sein.
Konstantin Gorny zeigt sich wie erwartet als optimale Besetzung des Hohepriesters Zaccaria und dominiert mit ausdrucksstarken Auftritten. Auch in seinem dritten Jahrzehnt in Karlsruhe vermag er noch Paraderollen zu finden - Bravo!
Fazit: Bemerkenswert gut musiziert und gesungen! Die Regie ist zwar nicht der große Wurf, aber auch kein Hindernis.
PS: Liebe Kulturpolitiker im Aufsichtsrat, Antisemitismus muß man konsequent entgegentreten! Das Badische Staatstheater braucht ein neues Führungstrio, der neue künstlerische Intendant reicht nicht aus, um das Theater und seine Außendarstellung aus der Peinlichkeit zurück zur Seriosität zu verhelfen. Insbesondere sollte sich das Theater zukünftig wieder Zurückhaltung auferlegen, politische Botschaften als vom Ministerium oder Stadtrat gewollte Aussagen kennzeichnen und wer persönlich für seine Überzeugungen einstehen will, der soll das gefälligst privat machen und nicht das Theater als Plattform mißbrauchen. Denn spätestens jetzt ist manches Führungspersonal nur noch eine Belastung für den Neuanfang.
Chor: Ulrich Wagner
Stunt-Choreograph: Ran Arthur Braun
Bei der Eröffnung der Literaturtage im Kleinen Haus sagte die von mir nicht sonderlich geschätzte Frau Bergmann immerhin, sie sei entsetzt über das Schweigen der deutschen Theater zum Massaker an Israelis.
AntwortenLöschenVielen Dank für die Information. Ich verfolge kaum mal Social Media Kanäle, meistens werde ich darauf hingewiesen, was sich so abspielt. Frau Bergmann ließ sich letztes Jahr m.W. nicht mit Armbinde ablichten, auch sonst setzt sie sich kaum persönlich in Szene, sie drückt sich über die Bühne aus, was ich hier hoch anrechne, allerdings mag ich nicht den Eindruck von Ressentiments in ihren Inszenierung. Ich kann mich an ein Theater, das Feindbilder pflegt schlicht nicht gewöhnen. Von daher erwarte ich von ihr persönlich auch keine publike Stellungnahme. Für die Darstellung und Aussagen des Theater im Web würde ich die drei von der Intendanz zur Verantwortung ziehen wollen.
Löschen„Das BADISCHE STAATSTHEATER KARLSRUHE macht sich die Erklärung des Deutschen Bühnenvereins zu eigen“ . Der Kulturbetrieb zeigt wenig bis kein Rückgrat. Die Angst vor Rache und Ausschreitungen ist größer als der Mut, sich klar und deutlich namentlich gegen Judenhass zu positionieren. So ist das auch in Karlsruhe. Schlimm. Erschreckend. Beschämend. https://www.ruhrbarone.de/still-wie-ein-grab-in-den-lueften-warum-der-deutsche-kulturbetrieb-zum-judenhass-schweigt/225362/?fbclid=IwAR0K3tnFR1txoL5MzatUd7MhgcWpCPjT2hdlv466xjH6suis__vE715Mq40_aem_ASoXu3j1CLi4vG0U1dAZCcebwHbuoa-ZFgUzoGsUyXegjlTNEATI8hZXdqw5aqPtNwE
AntwortenLöschenVielen Dank für den Kommentar. Wer sich im Kulturbereich nicht gegen Antisemitismus positionieren will, der hat auch keine Rechtfertigung, zu sonstigen Themen die Stimme zu erheben. In den 1930ern gab es keine soziale Medien, keine Fernseher und kaum Radios. Die damalige Gefährdung jüdischen Lebens war im Vergleich zu Heute abstrakter und schwerer vorstellbar. Wer heute schweigt, der hätte das erst recht vor 90 Jahren getan.
LöschenDafür gab es in den 1930ern sehr viel mehr Juden und damit sehr viel mehr Nachbarn, die das alles gesehen und gutgeheißen und davon profitiert haben (öffentliche Versteigerungen von jüdischem Hausrat, "Arisierung" von Geschäften) oder dazu geschwiegen haben.
LöschenWährend viele andere Theater die Israelische Flagge gehisst haben, oder sie auf ihre Häuser projizierten, schwieg das Badische Staatstheater. Und versäumte nun, beim da capo des Gefangenenchores, die Chance, deutlich Stellung zu beziehen. Nicht nur zum Krieg, sondern zu den Übergriffen auf in Deutschland lebende Juden, die auch bei der Ansprache des Intendanten nicht thematisiert wurden.
AntwortenLöschenGerade das Badische Staatstheater brüstet sich oft mit dem Äußern politischer Meinungen, und zu der jetzigen Situation schweigt man?
Beschämend!
Ich habe hier auf diesen Seiten schon öfters über die zur Schau gestellte Spießigkeit des Theater geschrieben. Wer stets bereit ist, den Zeigefinger zu heben, sich wichtig zu nehmen und empört zu sein, dann aber im Ernstfall schweigt oder sich weigert, andere Realitäten anzuerkennen, der erfüllt für mich die Definition des Begriffs.
Löschen@Diverse Kommentatoren: VIELEN DANK! Da es bei Ihren Kommentatoren nicht um die Oper, sondern um das Verhalten von Intendanz und Direktoren geht, und das teilweise für mein Geschmack zu polemisch oder zu pauschal ist oder eine Entgegnung erfordert, werde ich hier den Kommentarbereich vorübergehend schließen und Ihre Nachrichten erst moderieren bzw. beantworten, wenn ich dazu Muße finde.
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