Aida zieht Publikum an, die beiden bisherigen Vorstellungen waren bis auf wenige Plätze ausverkauft, und das trotz Sommer, Sonne und über 30°C. Die zweite Aida litt unter der Corona-Epidemie, die den Chor deutlich dezimierte, und profitierte von einem im Vergleich zur Premiere homogeneren Sänger-Ensemble.
Von den sechs zentralen Sängern hatte man gestern zwei mit
Ensemble-Mitgliedern besetzt und vier Gäste engagiert, von denen drei
gestern ihre Rolle in dieser Produktion zum ersten Mal sangen. Erneut sang Oksana Kramareva eine überzeugende und stimmlich stets positiv präsente Aida, der man in jeder Szene gerne zuhört. Für Radames hat man das frühere Ensemble-Mitglied Andrea Shin engagiert, der nahtlos an seine früheren Erfolge anknüpfte, eine kultivierte Stimme, sicher sitzend und mühelos wirkend. Bravo! Shin hätte die Premiere singen müssen! Als Amneris agierte Cristina Melis weniger vehement und leidenschaftlich als Dorothea Spilger in der Premiere, doch auch ihr gelangen intensive Momente. Aufhorchen ließ auch der Gast in der Rolle des Amonasro: Der rumänische Bariton Lucian Petrean hat eine beeindruckend ausdrucksstarke und schöne Stimme und man kann nur hoffen, daß man ihn auch in weiteren Rollen in Karlsruhe zu hören bekommt. Auch Vazgen Gazaryan als Ramfis wußte zu gefallen, Nathanaël Tavernier sang einen selbstsicheren König.
Vor der Vorstellung trat die stellvertretende Operndirektorin vor das Publikum und erzählte über den seit wenigen Tagen im Chor grassierenden Virus. Man hatte zusätzliche Chorsänger aus anderen Theatern engagiert, die sich allerdings so kurzfristig nur grob in die Inszenierung einfanden. Insbesondere der Triumphmarsch, mit seiner etwas albernen Choreographie gewann an unfreiwilliger Komik. Aida wurde lange gerne als Anti-Kriegsoper inszeniert, bei der der Triumphmarsch einen fragwürdigen Triumph zeigte. Nun hat man wieder einen durch einen Aggressor gewollten Krieg in Europa und pazifistische Schönwetterposen wirken offensichtlicher lächerlich als in den letzten Friedensjahrzehnten. Wenn in manchen Szenen der Endruck einer resignierten, ideenlosen Regie mitklingt, scheint das seinen Ursprung in der Resignation angesichts der Realitäten zu haben. Die Erniedrigung der Verlierer wird tänzerisch angedeutet, der Triumph der Sieger hält sich in Grenzen, eine szenische Abgestandenheit läßt sich nicht leugnen. Man rettet sich über die Runden durch Ästhetisierung und Harmlosigkeit. Ein starker Moment findet am Ende des ersten Akts statt, wenn sich die Ägypter die Hände blutig machen. Gerade diese Mobilisierung und das In-den-Krieg-ziehen hat angesichts der sich verteidigenden Ukrainer eine Aktualität, die man härter hätte inszenieren können. Im zweiten Akt fällt auf, daß die Gegenüberstellung Sieger - Verlierer abgeschwächt wird. Amonasro ist der einzige Gefangene, der um Gnade flehende Chor stellt Ägypter dar, die um Gnade nicht für sich, sondern für die Nubier singen, wogegen die Nubier selber nicht zu Gesang kommen.
Nun ja, das Schöne an Oper kann sein, das auch eine weniger geglückte Regie erfolgreich sein kann, solange sie nicht stört. Das Beste, was man über diese Regiearbeit sagen kann ist, daß sie tolerierbar ist, nicht abschreckt und Musik und Gesang Raum zur Entfaltung gibt. Aktuell auch ein Erfolgsrezept.