Freitag, 15. Mai 2020

Virusgerechte Veranstaltungspläne

In Zeiten des reduzierten Theaters
Wie könnte ein Corona-gerechter Spielbetrieb aussehen? Die Politik hat Wichtigeres zu tun, als sich um die Theater zu kümmern, die Theater wiederum scheinen sich selber nur langsam zuzutrauen, einen Plan auszutüfteln. In München geht jetzt der Intendant des Volkstheaters  Christian Stückl voran (mehr dazu aktuell hier auf der Seiten der Süddeutschen) und stellt ein Konzept vor. Er will im Sommer mit fünf Stücken die Saison eröffnen,  alle sollen "Corona-tauglich" sein. Jede zweite Sitzreihe bleibt leer, in den übrigen Reihen wird jeder 4. Platz besetzt (also eine Auslastung von 12,5%). Die Bühne des Schauspiels wird ebenfalls bestuhlt, die Schauspieler agieren zwischen zwei Zuschauertribünen.
Bei Symphoniekonzerten und Opernaufführungen  gibt es weitere Faktoren bei eng sitzenden Musikern zu bedenken, aber auch da gibt es erste Ergebnisse.

Eine anfänglich wenig aussagekräftige dpa-Meldung (hier bei der FAZ) besagt, daß Wissenschaftler der Berliner Charité Bedingungen für eine Wiederaufnahme des Spielbetriebes von Orchestern definiert haben. "So groß muß der Abstand gar nicht sein", angeblich liegen konkrete und praktikable Anleitungen zu Orchesteranordnung vor, doch ob das auch in einem vollen Orchestergraben funktionieren kann, ist zu bezweifeln. Die Welt (und zwar hier) berichtet, daß Musiker der Bamberger Symphoniker das Strömungs- und damit Ausbreitungsverhalten von Blasinstrumenten wissenschaftlich getestet haben: „Wir vermuten, daß das Spielen eines Blasinstruments kaum Aerosole freisetzt, da bei der Tonerzeugung ja lediglich die Luftsäule im Instrument zum Schwingen angeregt wird. Der somit ohnehin geringe Luftstrom im Instrument wird dann zusätzlich noch gebremst, sodaß nur sehr wenig Luft aus dem Instrument in die Umgebung abgegeben werden dürfte“, so faßt Marcus Rudolf Axt, Intendant der Bamberger Symphoniker, das wissenschaftlich noch nicht komplett ausgewertete Ergebnis zusammen.
 "Trompeter blasen keine Kerzen aus" titelte dann auch die FAZ (hier) mit Verweis auf das Positionspapier, das Fachleute der Berliner Charité erarbeitet haben. Die Orchester müssen aber eher gering dimensioniert sein: "Auf jeden Fall würde die Umsetzung der Abstandregeln bedeuten, daß Orchesterbesetzungen reduziert werden müßten. Der Trend der letzten Jahre, von den massiven Orchesterstärken der Karajan-Ära zurückzukehren zu historisch verbürgten Größen, würde pandemiebedingt verstärkt. Eine Beethoven-Symphonie mit knapp vierzig oder eine Brahms-Symphonie mit knapp fünfzig Spielern wären dann auch für nicht historisch orientierte Klangkörper der Normalfall. Ob man regulär kolossal besetzte Werke von Gustav Mahler und Richard Strauss mit stark reduzierten Streichern befriedigend umsetzen kann, müßten Experimente zeigen."

Experten der Improvisation gesucht
Die Kreativkräfte der Theater sind gefordert. Nicht nur im Blick auf die Wiederaufnahme des Spielbetriebs in der kommenden Saison, auch für die Herstellung des Publikumsvertrauens in die Maßnahmen. Die Süddeutsche stellt fest: "Klar ist aber, dass der Spielbetrieb erst mal auf keinen Fall so aussehen wird, wie man ihn bis Mitte März gewohnt war. Bayerns Kunstminister Bernd Sibler will die Theater erst im Herbst öffnen, eine Rückkehr zur Normalität sei eventuell erst möglich, wenn ein Impfstoff auf dem Markt ist. Was laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn noch achtzehn Jahre dauern könnte. So lange aber haben kein Opernhaus und kein Orchester Zeit. Also werden auch sie sich ... belastbare Konzepte für die nächsten Monate, wenn nicht gar Jahre überlegen müssen. Es wird ein armes und reduziertes Theater sein. Aber deshalb nicht unbedingt ein schlechteres."

2 Kommentare:

  1. Das Staatstheater Wiesbaden spielt bereits wieder ab nächster Woche. Man spielt drei Beckett-Stücke und Opernauszüge mit Klavierbegleitung. Ich bin in knapp zwei Wochen im abgespeckten "Rosenkavalier" und schon jetzt gespannt, wie das wird.

    Auch Karlsruhe könnte hier etwas wagen: was wäre mit der "voix humaine" (gab es ja vor einigen Jahren), einem "Herzog Blaubart" (freilich mir Klavier) oder gar eine konzertante, orchestral reduzierte Barockoper? Auch im Schauspiel gäbe es doch das eine ("Der Kontrabass") oder das andere ("Judas"), das sich lohnt.

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  2. Vielen Dank für Ihren Kommentar. Ich befürchte, daß der kurzfristige Planungszwang nicht viel Kreativität zuläßt. Man spielt das, was sowieso vorgesehen ist und versucht es auf die Gegebenheiten anzupassen. Ich traue vielen Theater zu, kurzfristig etwas auf die Beide zu stellen, nur bei der Karlsruher Intendanz bin ich skeptisch. Meines Erachtens braucht es nun nicht einfach wieder eine Aufnahme des Spielbetriebs, sondern ein Konzept, das dem zurecht wegen des Virus skeptischen Publikums Vertrauen und Freude zurückgibt.

    Barock außerhalb der Händel-Festspiele vermisse ich schon einige Zeit. Die verwöhnten Karlsruher Ohren müßten sich allerdings auf ein ganz anderes Barock-Klangbild einlassen. Man hat in Karlsruhe aktuell eigentlich keinen Operndirektor, Nicole Braunger ist noch da, aber auch schon weg. Wer soll flexibel und schnell selbständig entscheiden? Im Schauspiel traue ich Anna Bergmann auch nicht viel zu, man bräuchte jetzt endlich mal wieder etwas, was nicht gleich wieder vom Publikum vergessen und abgehakt wird. Der Diener zweier Herren oder die Grönholm-Methode waren vor 10-15 Jahren herausragende Beispiele für Spannung und Komik, die das Publikum in die Theater lockte.

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