Montag, 4. Juni 2018

Donizetti - Anna Bolena, 03.06.2018

Ein fast ungetrübtes Opern- und Belcanto-Glück
Königin zu sein war in früheren Jahrhunderten kein rosaner Prinzessinnen-Job. Geheiratet wurde nicht aus Liebe, sondern zu einem bestimmtem Zweck: männliche Nachkommen zu zeugen, die später als militärisch-politische Oberbefehlshaber das Erbe schützen sollten. Idealerweise kamen die zukünftigen Königinnen aus anderen bedeutenden dynastischen Familien, deren Unterstützung man sich dadurch sicherte. Anna Boleyn sollte einfach nur den Thronfolger des Hauses Tudor gebären. Das gelang und gelang nicht: kein Sohn, mehrere Fehlgeburten, nur eine Tochter: Elisabeth I., die dann zwar 45 Jahre Königin sein sollte, aber kinderlos starb. Der Dynastie ihres Vaters, der ihre Mutter enthaupten ließ, verweigerte sie sich. Die Tudors starben aus. Anna Bolena ist große romantisch-tragische Belcanto- und Primadonnen-Oper. Der englische König Heinrich VIII. bezichtigt seine Ehefrau Anna Boleyn der Untreue und läßt sie letztendlich hinrichten, um seine neue Favoritin Jane Seymour heiraten zu können - das bedeutet die größtmögliche Fallhöhe für eine Königin. Um dieses Beziehungsdreieck zwischen Anna, Heinrich und Jane geht es in Donizettis Oper, die das historische Drama als Grundlage für eine tragische Figurenkonstellation nimmt. Bei der stark bejubelten gestrigen Premiere gelang vieles.
 
Historisches (1)
Die Tudors regierten England von 1485 bis 1603. Heinrich VIII. (*1491 †1547) war sechsmal verheiratet, zwei Ehen wurden annulliert, zwei Ehefrauen hingerichtet, eine starb im Kindbett und die sechste überlebte ihn. Man könnte meinen, Heinrich VIII. war auf seine Weise ein großer Romantiker und der erste emanzipierte Mann, der für sich das Recht auf Scheidung beanspruchte. Er annulierte seine erste Ehe, brach mit der katholischen Kirche, ließ sich vom Papst exkommunizieren, gründete eine eigene Kirche - und das alles nur, um die Frau zu heiraten, die sein unstetes Herz zu zu lieben glaubte. Anna Boleyn (*1501 †1536), die zweite Frau Heinrichs VIII. und Mutter von Elisabeth I. (*1533 †1603, die ab 1558 bis zu ihrem Tod unverheiratete und nachkommenlose Königin von England sein sollte), wurde wegen angeblichen Ehebruchs zusammen mit den vermeintlichen Liebhabern geköpft. Die nächste Gattin war schon auserkoren, der König heiratete als Nr.3 Jane Seymour (*1508 †1537), die im Kindbett nach der Geburt ihres Sohnes starb, der als Eduard VI. nach dem Tod Heinrichs mit 9 Jahren den Thron bestieg und mit 15 starb. Ihm folgte erst Heinrichs Tochter aus erster Ehe als erste englische Königin Maria I. (bekannt als Bloody Mary) und dann seine zweite Tochter Elisabeth, die für England ein Zeitalter begründete.

Worum geht es?
Anna Bolena besteht aus zwei Akten, im ersten wird die Konstellation erzählt und Heinrich stellt erfolgreich seine Falle für Anna. Im zweiten Teil entwickeln sich Reaktionen und Emotionen. Anna wird vom König vernachlässigt, das kontrollierte Leben am Hof ist quasi ein Gefängnis, die Ehe hat sich für den ganzen Hofstaat erkennbar verschlechtert (Eingangschor: "Misera" - die Unglückliche, "Tramonta omai sua stella" - ihr Stern geht nun unter), doch noch weiß Anna nicht, was ihr bevorsteht. Der englische König Heinrich (Enrico) will seine Ehefrau Anna Bolena loswerden und schmiedet einen Komplott, um sie der Untreue bezichtigen und Jane (Giovanna) Seymour heiraten zu können. Giovanna hat selber ein schlechtes Gewissen, sie bezeichnet Anna als "mein Opfer", sie will aber nicht nur die heimliche Geliebte sein, sondern fordert "Liebe und Ruhm". Heinrich plant eine Intrige. Er beordert Annas Jugendliebe Percy an den Königshof und setzt einen Spion (Hervey) an, der beide belauern soll. Tatsächlich organisiert Annas Bruder Rochefort ein heimliches Zusammentreffen der beiden, das aber nur der Aussprache dient, doch beide hegen noch unterdrückte Sehnsucht, laut Anna glüht die Asche ihrer ersten Liebe noch. Der jugendliche Hofmusiker Smeton, der selber in die unglückliche Königin heimlich verliebt ist und ein Medaillon mit ihrem Bildnis am Herzen trägt, belauscht zufällig das Treffen, stürzt mißverständlich dazwischen und schafft den Eklat, auf den Heinrich gewartet hat - eine Situation inflagranti ("Wer meinen Thron teilt, darf auf Erden keinen Makel haben"). Anna wird von der Situation überrumpelt, fällt in Ohnmacht und erkennt anschließend, daß es um ihr Leben geht. Heinrich läßt Anna, Percy, Rochefort und Smeton in den Kerker werfen.

Anna weiß noch nichts von der heimlichen Affäre, Jane ist ihre Hofdame und Vertraute, zu Beginn des 2. Akts enthüllt sie ihr schuldbewußt den Plan des Königs, ohne ihre eigene Rolle aufzudecken: nur wenn Anna sich schuldig bekennt, könne sie ihr Leben retten. Für Anna "Schmach oder Tod". Anna erfährt auch den Grund: der König hat eine neue Favoritin, die Anna verflucht: "Möge der strafende Arm Gottes auf ihr Haupt hernieder fahren". Entsetzt offenbart sich Jane reuevoll als Verräterin und unglückliche Rivalin und bittet um Gnade, sie sei unerfahren, verführt, ihre Liebe eine Qual. Anna beruhigt ihren Zorn, vergibt Jane und schickt sie weg. Smeton hat im Kerker unter dem falschen Versprechen, daß er Annas Leben rette, wenn er sich schuldig bekennt, ein falsches Geständnis abgelegt. Heinrich hat gewonnen, doch Anna und Percy lassen sich von ihm nicht kleinkriegen und werfen ihm das Kompott vor. Percy erklärt, daß er Gottes Gericht mehr fürchtet als Heinrichs Urteil und bekennt seine Liebe zu Anna. Für den König ein weiterer Grund, sie schnell köpfen zu lassen, Jane bittet ihn vergeblich um Gnade. Heinrichs letzte Zeile in der Oper lautet: "Gerechtigkeit ist die erste Tugend der Könige". Anna verfällt zeitweise dem "Wahnsinn" (Lucia di Lammermoor wird das noch ausführlicher behandeln), sie schwankt zwischen Wahn und Wirklichkeit mit entsprechenden musikalischen Ausbrüchen und sich ändernden Bewußtseinslagen, um am Ende dem Tod entgegen zu treten: sie vergibt dem ruchlosen Paar ("Coppia iniqua") im Angesicht der bevorstehenden Enthauptung.

Historisches (2)
Gaetano Donizetti (*1797 †1848) vollendete 64 Opern zwischen 1816 (Pigmalion) und 1844 (Caterina Cornaro). Den hektischen Produktionsbetrieb merkt man leider seinen Opern an, geniale Einfälle und schwache Momente stehen nebeneinander. Es gibt  Meisterwerken wie Der Liebestrank, Don Pasquale, Lucia di Lammermoor, viele spannende Opern mit großartigen Momenten sowie fast vergessene Werke. Donizetti komponierte vier Opern über die englische Tudor-Epoche, in deren Zentrum die englischen Königinnen Anna Bolena und ihre Tochter Elizabeth I. stehen: Elisabetta al castello di Kenilworth (1829), Anna Bolena (1830), Maria Stuarda (1835) und Roberto Devereux (1837), der in der kommenden Spielzeit auf dem Spielplan des Badischen Staatstheaters steht.  Für Donizetti war seine 30. Oper Anna Bolena 1830 der internationale Durchbruch.

Anna Bolena wurde 1840 zum ersten mal in Karlsruhe aufgeführt.
Anscheinend gab es danach bis 2018 keine neue Produktion.


Was ist zu sehen?
Kostüme und Ambiente sind historisch, Heinrich VIII. ist Heinrich VIII., er sieht aus, als wäre er einem Bild Hans Holbeins entsprungen. Die Kostüme von Moritz Junge nehmen die Epoche auf. Die Regisseurin Irina Brown gibt im Programmheft ein etwas verwirrt wirkendes, seltsames Interview, so stellt sie zur Charakterisierung der Titelfigur die verworrene Behauptung auf, Anna hätte bestimmt gegen den Brexit gestimmt (sie wurde aus englischer Sicht also zurecht aus dem Weg geräumt? Wem solche nutzlosen Spekulationen nicht albern vorkommen, der kann eher von einer 50:50 Chance ausgehen) und sie verrät, daß Bühnenbildner Dick Bird sein Bühnenbild "nicht so gemeint" hat wie es wirkt. Es sieht aus wie ein "stilisiertes Schloß" soll aber "eine Maschine" sein. Bird "hat sich dann von den sogenannten Armada Chests inspirieren lassen, den Tresorkisten mit ihren komplizierten Verschlußsystemen, in denen im 17. Jahrhundert die Schätze aus den Kolonien nach Europa transportiert wurden. .... Es ist ein Raum, der einem keine Luft zum Atmen läßt. Er öffnet sich nur, um entweder die Macht des Königs zu demonstrieren oder Menschen zu verschlingen. Und seine Farbe ist die von Rüstungen". Die Absicht hätte ohne Erklärung niemand erkannt und selbst mit Erläuterung bleibt sie stecken. Zu sehen ist etwas Burgähnliches, dessen Oberfläche metallen glänzt. Die Lichtregie von Stefan Woinke wertet die Bühne stark auf und verleiht ihr einen stimmigen atmosphärischen Mehrwert. Man schaut gerne zu, ohne von Musik und Gesang abgelenkt zu werden. Die Personenregie ist im besten Sinn konventionell, sie bleibt sehr eng an Musik und Libretto. Daß Brown während der Ouvertüre den Vorhang lüftet und die vergnügte, hochschwangere Anna eine Fehlgeburt erleiden läßt, ist die einzige Freiheit, die sich die Regisseurin nimmt. Ansonsten erzeugt sie szenische Prägnanz ohne überpsychologische Deutungen oder Verstrickungen und ohne Naturalismus, kein Blut, keine Folterknechte, keine Kerkerenge. In allem ist die Szenerie zurückgenommen, die Figuren brechen nie aus und fügen sich ins Unvermeidliche. Die wunderbaren Duette und Ensembles sind auch Auseinandersetzungen, bei Brown bleiben sie jedoch statisch und gewinnen ihre Dramatik nur durch den Gesang. Manchmal -wie in der großen Schlußsequenz mit Wahnsinnsszene- kann man sich als Zuschauer ein wenig mehr Originalität wünschen, die wichtigste Szene ist nur routiniert, eine umher irrende, torkelnde und etwas tänzelnde Anna lotet den emotionalen Gehalt zu schwach aus. Eine ordentliche Produktion, die noch Luft nach oben gehabt hätte. Dennoch gab es sehr laute Beifallsbekundungen des Publikums, die die Operndirektion zweifellos gehört und verstanden hat.

Was ist zu hören?

Donizetti vertonte eine Tragedia lirica - eine tragisch-lyrische Oper. Kontraste charakterisieren diese Vorliebe Donizettis, die sich auch in Lucia di Lammermoor (1835) zeigt: zwischen Hoffnung und Verzweiflung, entlang Liebe, Leid und Haß, Macht und Ohnmacht, sogar Zerrüttung und Wahnsinn - eine romantische Düsterkeit. Anna Bolena ist eine Rolle für einen dramatischen Koloratursopran, Giuditta Pasta, die Sängerin der Uraufführung, war 1831 auch Bellinis erste Sonnambula und erste Norma. Die Titelfigur gehört(e) zu den Paraderollen großer Sängerinnen wie Maria Callas, Leyla Gencer, Montserrat Caballé, Beverly Sills, Renata Scotto, Joan Sutherland oder Anna Netrebko. Die Anforderungen sind hoch, in Karlsruhe ist die Rolle doppelt besetzt, als Gast hat man die junge amerikanische Sopranistin Shelley Jackson engagiert. Gestern in der Premiere sang tapfer Ina Schlingensiepen, die eine sehr  gute Adina ist, auch eine berührende Violetta - eine Anna Bolena war sie bei der gestrigen Premiere leider nicht. Ihrer Stimme gelingt die Elegie, ihr fehlt Pathos und Dramatik, zu abwechslungslos interpretiert sie ihre Figur fragil und lyrisch. Annas große Sterbeszene fehlt dann komplett die Tragik, keine expressive Koloraturen, kaum emotional überzeugende Phrasierungen, geschweige denn verborgene Akzente oder Abgründe. Schlingensiegen sang zwar die Wahnsinnsszene, doch ihr gelang dabei nicht die Darstellung der Größe einer Königin. Die Gewissensbisse der Jane Seymour waren da um ein vielfaches dramatischer und bewegender. Als Giovanna ist Ewa Plonka zu hören, deren Tessitur der Rolle wunderbar entsprach und deren Interpretation im Vergleich zu Schlingensiepen besser Hoffnung, Entsetzen und Angst ausdrückten sowie ihrer Figur stärkere Statur und Größe gab. Gestern war Jane Seymour die passendere Königin für den englischen Thron. Ein klares Ungleichgewicht zwischen den Rivalinnen zugunsten Ewa Plonkas. BRAVA!
Nicholas Brownlee gibt Heinrich VIII. ein starkes Profil - sängerisch meistert er die langen Ariosos mit differenziertem Ton und starker Stimme, darstellerisch ist er tadellos (Brownlee erinnert an den jungen Peter Ustinov), sein König ist kein Sadist, sondern ein Souverän, der das Staatswohl im Auge hat und dessen Ehefrau ihre biologische Aufgabe zu erfüllen hat. Für den Baßbariton ein perfekter Auftritt. BRAVO! Eleazar Rodriguez als Percy hatte wie gewohnt einen sehr guten Abend, auch die hohen Töne sind bei ihm nie gepreßt und glanzlos, nie schrill oder schreiend, er sang mit geschmeidiger, offener Stimme und auch gestern hörte man ihm stets mit Genuß zu - BRAVO! Ohne Fehl und Tadel der Chor sowie die kleineren Rollen, Daniele Squeo unterstütze die Sänger, dirigierte mit Leidenschaft und Übersicht und trug entscheidenden Anteil zum Erfolg bei.

Fazit: Bravo an alle! Es wird mal wieder höchste Zeit für ein deutliches Lob. Drei Jahre sind zu kurz, um als Operndirektor viel zu bewegen, doch Michael Fichtenholz verläßt das Badische Staatstheater mit einer guten letzten Saison. Anna Bolena wie auch schon zuvor Simon Boccanegra dürfen gerne länger im Repertoire bleiben und zukünftig wieder aufgenommen werden. In der kommenden Saison folgt Donizettis Roberto Devereux und man kann nur hoffen, daß man Donizetti noch ein paar Jahre treu bleibt, es fehlen Don Pasquale und Lucia di Lammermoor und wieso nicht noch wenige weitere der weniger bekannten Meisterwerke wie bspw. Linda di Chamonix oder Maria di Rohan!?!

Besetzung und Team:
Anna Bolena: Ina Schlingensiepen
Enrico VIII: Nicholas Brownlee
Giovanna Seymour: Ewa Plonka
Lord Rochefort: Yang Xu
Lord Richard Percy: Eleazar Rodriguez
Smeton: Dilara Baştar  
Harvey: Cameron Becker

Musikalische Leitung: Daniele Squeo
Chorleitung: Ulrich Wagner

Regie: Irina Brown
Bühne: Dick Bird
Licht: Stefan Woinke
Kostüme: Moritz Junge
Movement Director: Leah Hausmann

12 Kommentare:

  1. Es ist tatsächlich der Sänger wegen lohnenswert, in die B-Premiere zu gehen: Shelley Jackson ist eine überzeugendere Anna, die Stimme ist klangschön, hat lyrische und dramatische Qualität und klingt nicht so eindimensional wie die A-Besetzung. Aber auch Alexey Neklyudov als Percy und Alexandra Kadurina als Smeton gefallen mir in ihren Rollen besser, beide Stimmen haben mehr Strahlkraft und klingen sonorer.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank für die Information. Ich war leider ein paar Tage unterwegs und habe es schlicht nicht geschafft, rechtzeitig zurück zur B-Premiere wieder in Karlsruhe zu sein. Wahrscheinlich schaffe ich erst im Herbst wieder in eine Vorstellung, aber ich bin mir sicher, daß ich mit beiden Besetzungen glücklich werde und noch einige Vorstellungen besuchen werde.

      Löschen
  2. Man wird irgendwie den Verdacht nicht los,dass sich Ihre Missgunst der Theaterleitung gegenüber,nun auch auf einzelne Sänger ausweitet!
    Das hat nichts mehr mit einer OBJEKTIVEN Beurteilung einer Leistung zu tun!Ich war selbst anwesend und kann IHRE Meinung nicht teilen!Auch wenn ich annehme,dass Sie diesen Kommentar nicht veröffentlichen werden,wollte ich sie trotzdem über MEINE Meinung in Kenntnis setzen!!

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen Dank für Ihre Nachricht. Tatsächlich schreibe ich nur subjektive Beurteilungen, kaum jemand kann nach dem Besuch einer Vorstellung objektiv sein. Ina Schlingensiepen hat eine tolle Stimme, wie ich oben schreibe ist sie eine Adina, eine Violetta, aber leider war sie in der Premiere keine Anna Bolena. Das ist definitiv keine persönliche Mißgunst, sondern meine ehrliche Wahrnehmung.
      (Weder einem Künstler noch der Intendanz gegenüber verspüre ich Mißgunst. Tatsächlich ist die Differenz ein unterschiedliches Formklima - die Vorstellungen, wie es gelungen, geglückt oder dem Inhalt entsprechend sein soll(te), gehen auseinander. Meine Haltung versuche ich stets im Rahmen meiner Möglichkeiten zu begründen. Persönliche Gründe spielen für mich dabei keine Rolle, wie auch, ich kenne niemanden persönlich, sondern beschreibe meine Eindrücke und Meinung gegenüber Personen als Funktionsträger.)

      Ich freue mich für Sie, daß Sie bei der Opernpremiere begeistert waren und bei einem Urteil stimmen wir wahrscheinlich dennoch überein: die Produktion ist sängerisch und musikalisch auf hohem Niveau und auf jeden Fall zu empfehlen. Wir können beide noch viel Freude an dieser Anna Bolena haben.

      Löschen
  3. Mir gefielen auch die SängerInnen der B-Premiere eher besser. Da waren besonders bei Percy und Anna mehr Farben und mehr hingebungsvolle Dramatik.
    Bei beiden Anna-Besetzungen war aber auch klar, sie sangen diese riesige und anspruchsvolle Partie zum ersten Mal und hatten zu Recht gehörigen Respekt davor!
    Natürlich waren beide bestrebt, mit ihren Kräften hauszuhalten und die Ausbrüche eher moderat zu gestalten. Diese Reserven brauchten sie dann noch im Finale.
    Da Frau Jackson die dramatischere, facettenreichere Stimme hat, wird sie sicher im Laufe der kommenden Vorstellungen noch sicherer und mutiger werden und manche Dynamik weiter ausbauen können. Aber sicher wird auch Ina Schlingensiepen mit ihrer reichen Erfahrung, dann mit zunehmend mehr Sicherheit in der Partie ihre Möglichkeiten immer mehr ausschöpfen und weiter ausgestalten wie es bei der Traviata schon war! Jede auf ihre Weise und dem, was ihnen in die Wiege gelegt ist.
    Einige spannende Vorstellungen werden also vor den Zuschauern liegen....

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank für Ihren Kommentar, der bei mir direkt die Vorfreude auf weitere Vorstellungsbesuche steigerte. Sie haben recht, die Entwicklung der Sänger mit ihren Rollen wird bei den kommenden Vorstellungen spannend und ich glaube auch, daß sie in ihre Rollen noch weiter hineinwachsen.
      Und das scheint mir auch das Positive an dieser Produktion: daß man als Zuschauer endlich mal wieder merkt, wie ambitioniert die Karlsruher Oper dieses Werk angeht.

      Löschen
  4. Trotz sehr guter Kritiken gibt es für die Samstagvorstellung 30.06. noch reichlich Karten. Lange ist es her, dass man rechtzeitig Karten bestellen musste. Dies ist nur noch beim Ballett der Fall. Was für ein trauriger Niedergang unter Intendant Spuhler.

    AntwortenLöschen
  5. Vielen Dank für Ihren Kommentar. Man kann dem Intendanten nicht die Alleinschuld geben, auch bei Thorwald wurde es schon leerer, das Publikum verändert sich, Opern muß man einem neuen Publikum wieder nahe bringen. Das Problem bei Spuhler ist, daß er dafür keine Strategie hat. Er wollte schon längst wieder weg sein, erst als seine Karriere stockte, begann er seine Arbeit etwas ernster zu nehmen, doch meines Erachtens wirkt er hilflos und überfordert. Könnte er nicht mit dem erhobenen Zeigefinger des politischen Besserwissers ablenken, wäre der künstlerische Offenbarungseid offensichtlich.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Auch für den 21.06. hatte es wenige Age vorher noch reichlich Karten gegeben. Erstaunlich, am 21.06. bei meinem Opernbesuch war diese plötzlich gut ausgelastet. Wie hat man hier wohl nachgeholfen? Bin gespannt, wie dies bei der morgigen Gala der Fall sein wird. Nach heutigem Stand kann man die Gäste mit Handschlag begrüssen.

      Löschen
    2. Ich habe den Eindruck, für Anna Bolena gibt es seit langen wieder mal eine funktionierende Mund-zu-Mund-Werbung. Ich wurde schon persönlich darauf angesprochen, ob es stimmt, daß es sich lohnt, für diese Oper mal wieder nach Karlsruhe zu fahren. Vielleicht kann man langsam wieder eine Trendwende beobachten(?)
      Die Gala wird meines Erachtens aus einem Grund leer bleiben: Die Karlsruher Oper hat zu viel Vertrauen verspielt.

      Löschen
  6. Guten Tag, eigentlich habe ich mich bisher noch nie in solchen Foren zu Wort gemeldet doch angesichts der teilweise angebrachten Kritik an der Darstellerin der Anna Bolena, Ina Schlingensiepen bei der A-Premiere in Karlsruhe möchte ich doch meine gestrigen Eindrücke dieser sogenannten A-Premierenbesetzung schildern. Es ist durchaus richtig dass im Vergleich zu anderen berühmten Darstellerinnen der Anna wie z.B. Netrebko, Sutherland, Gruberova, diese Anna weniger dramatisch angelegt ist, sie zeigt eher eine zwischen vielen Gefühlen schwankende, hilflose und wenig rachsüchtige Königin, die den Intrigen am tudorischen Königshof völlig ausgeliefert ist. Wunderbar wie Daniele Squeo die Partitur hier ausbreitet, wie genau und stimmig die Tempis angelegt sind und über die Musik ein wundervolles Seelengemälde entsteht, das stimmlich bei Ina Schlingensiepen für mich in den besten Händen liegt. Ja, die Wahnsinnsarie kann man dramatischer, heroischer singen doch es gibt auch den stillen, introvertierten Wahnsinn der aus einer Depression kommt, bei dem man der Welt entrückt ist und das war für mich einer der ganz großen Momente dieser Aufführung. Weniger beeindruckt haben mich allerdings Eleazar Rodriguez und Nicholas Brownlee. Rodriguez Tenor klingt für mich oft wenig frei, eher angestrengt, stark abgedunkelt in der Tiefe und gepresst in der Höhe und von Nicholas Brownlee hätte ich mir ein stimmlich etwas ausdifferenziertes Porträt dieses Tudorwüstlings gewünscht. Ewa Plonka hatte "Singverbot" und spielte die Jane Seymour nur als Stistin, der Gast aus Halle meisterte aber diese nicht einfache Aufgabe recht beachtlich.
    Die Inszenierung bot schöne ästhetische Bilder statische Chorszenen und wenig Personenregie. Die Leistung dieses Abends lag für mich eindeutig beim Orchester und Daniele Squeo sowie Ina Schlingensiepen.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Vielen lieben Dank für Ihre ausführliche Stellungnahme. In der kommenden Spielzeit werde ich Anna Bolena hoffentlich noch öfters hören und freue mich auf die Entwicklung der Sänger - eine Vorfreude, die ich in den letzten Jahren zu selten spürte. Und Sie haben recht: Daniele Squeo ist ein Gewinn für das Badische Staatstheater.

      Löschen