Samstag, 3. März 2018

Konzert mit Franco Fagioli, 02.03.2018

Virtuose Sternstunde
Das Schöne an barocken Opernarien ist u.a., daß bei ihnen die Zeit still steht; die Handlung, die passiert davor und danach in den Rezitativen, doch in den Arien spricht das Herz. Wie das klingt und wie das gelingt, das demonstrierte gestern Franco Fagioli in einem zum Niederknien schönen Konzert, bei dem man nur erhoben applaudieren konnte und so gab es wiederholt stehende Ovationen für den Argentinier. Seit 2006 (als Idelberto in Lotario) ist Franco Fagioli den Karlsruher Händel-Festspielen verbunden, er sang am Badischen Staatstheater neben diversen Konzerten die Titelpartien in Julius Cäsar (2008), Ariodante (2010 und 2011) und Riccardo Primo (2014 und 2015), 2019 wird Serse folgen, Max E. Cencic führt dann Regie und singt ebenfalls. Desweiteren wird Fagioli im Juli 2018 als Cecilio in Mozarts Lucio Silla in der Badischen Residenzstadt auftreten (eine Übernahme einer Koproduktion aus dem Brüsseler Théâtre Royal de la Monnaie, bei der Tobias Kratzer Regie führte). Publikum und Countertenor kennen sich - und das war auch gestern zu spüren. Eine herzlich-begeisterte Stimmung herrschte vor, eine greif- und hörbare Freude im vollen Opernhaus und ein typisches Fagioli-Konzert, das meisterhaft Stimmartistik und Ausdruck, Spektakel und Hingabe verband.
    
Im Januar hat Franco Fagioli eine CD mit zwölf Händel-Arien bei der Deutschen Grammophon veröffentlicht, beim gestrigen Konzert sang er sieben davon und ergänzte mit weiteren fünf, die alle höchste Anforderung an Ausdruck und Technik stellten. Die Arien stammten aus über drei Jahrzehnten, von 1707 (Il trionfo del tempo e del disinganno) bis 1740 (Imeneo), Händel komponierte sie bspw. für die Kastraten Senesino, Carestini und Giovanni Andreoni.   
Mit der kurzen Auftrittsarie des Julius Cäsar „Presti omai l’Egizia terra“ begann Fagioli das Konzert und kontrastierte umgehend mit der dahinschmelzenden Arie des Tirinto „Se potessero i sospir miei“ aus Imeneo. Erste Bravo-Rufe gab es dann nach der Arie des Orest „Agitato da fiere tempeste“ aus dem gleichnamigen Pasticcio (eine Arie, die ursprünglich aus Riccardo Primo stammt). Auf Arsaces wehmütige Abschiedsarie "Ch’io parta“ aus Partenope folgte das stimmartistisch rasante "Come nembo che fugge col vento“ aus Il trionfo del tempo e del disinganno. Fagioli begab sich stimmlich in die Attacke und sang mit farbigen Koloraturkaskaden das Publikum schwindlig. Mit der Liebeserklärung des Ruggiero „Mi lusinga il dolce affetto“ aus Alcina bewies Fagioli nach der Pause, daß er bei der aktuellen Produktion der Händel-Festspiele die stimmlich sinnlichere Wahl gewesen wäre. Etwas Besonderes gelang Fagioli dann mit „Sento brillar nel sen“ aus Il pastor fido. Fagioli hatte spürbar Freude, er ging beim Singen in der Arie auf, Stimme, Mimik und ein sich fast tänzerisch bewegender Körper - Fagioli groovte auf der perfekten Welle und gönnte sich und dem Publikum weitläufige Verzierungen und Koloraturen. Das Publikum war hörbar begeistert. Das berühmte „Scherza infida“ aus Ariodante erklang makellos schön und deutlich schneller als auf der CD-Einspielung. Die über drei Oktaven reichende Wutarie „Crude furie degli orridi abbisi“ aus Serse beendete den offiziellen Teil. Als Zugabe folgte "Lascia ch'io pianga" aus Rinaldo (Fagioli forderte das Publikum auf, selber eine Strophe mitzusingen und zu summen - ein Experiment, das überraschend gut gelang) und zwei weitere Arien aus Serse, die Fagioli 2019 auf der Bühne interpretieren wird, "Se bramate d’amar” und als Abschluß "Ombra mai fu".
Geleitet von der Konzertmeisterin Zefira Valova begannen Il pomo d'oro mit der Ouvertüre zu Serse, spielten später u.a. das Concerto grosso, op. 6, Nr. 2 HWV 320 und die Sinfonia in B-Dur HWV 338. Die 16 Musiker (13 Streicher, Cello, Flöte und Fagott) begleiteten Fagioli mit hoher Spielkultur und durchaus mit Ecken und Kanten. Das Ensemble musizierte nicht im Hintergrund, sondern setzte auch Akzente.

Fazit: 150 Minuten maximales Konzertglück und anhaltender Jubel. Ein Konzert, an das man sich noch lange erinnern wird. Franco Fagioli ließ die Zeit still stehen, die leider viel zu schnell verflog.