Sonntag, 19. Februar 2017

Händel - Theodora, 18.02.2017

24 Stunden nach der Premiere von Semele erwies sich die konzertante Aufführung von Theodora als das musikalisch ergiebigere und melodienreichere Oratorium Händels für das man in Karlsruhe auch das stärkere und homogenere Sängerensemble zusammengestellt hatte.

Theodora steht in der Tradition einer künstlerischen Auseinandersetzung mit der Christenverfolgung im römischen Reich, ähnliche Geschichten erzählen auch Donizettis Oper Polliuto oder der Hollywood-Monumentalfilm Quo vadis? nach dem Roman von Henryk Sienkiewic. Das Oratorium spielt im Nahen Osten zu Beginn des 4. Jahrhunderts, der Stadthalter Valens befiehlt Opfergaben zum kaiserlichen Geburtstag, die Christin Theodora weigert sich, sie wird als Zwangsprostituierte in ein Bordell gesteckt. Der sie liebende römische Offizier Didymus verhilft ihr zur Flucht und wird verhaftet. Theodora stellt sich, beide werden zum Tode verurteilt und besingen ihre Liebe im Duett, bevor beide in den Märtyrertod gehen. Theodoras Vertraute Irene singt das letzte Rezitativ: "Ere this, their doom is past and they are gone to prove that love is stronger far than death."

Die Titelrolle sang die Dänin Sine Bundgaard, die 2015 die Costanza in der Kerzenlichtproduktion von Riccardo Primo sang und genau da weitermachte, wo sie vor zwei Jahren in Karlsruhe begann - sie sang mit warmer, ausdrucksvoller Stimme. Die beiden aufeinanderfolgenden Arien im 2. Akt "With darkness deep, as is my woe" und "Oh, that I on wings could rise" gehörten zu den emotionalen Höhepunkten, ebenso ihr Duett mit Didymus "To thee, thou glorious son of worth", das an starke Duette der Händelschen Opern anknüpft. Besonders im Fokus der Karlsruher Aufmerksamkeit stand der Sänger des Didymus - der australische Countertenor David Hansen singt bei den Händel Festspielen 2018 die männliche Hauptrolle des Ruggiero in Alcina. Bereits mit seiner ersten Arie "The raptur'd soul defies the sword" bewies er, daß man freudig gespannt darauf sein darf, wie sich Hansens schöne Stimme nächstes Jahr im italienischen Fach entwickelt, an Emotionalität sollte sie noch hinzugewinnen. Und auch der zweite Australier kehrt wieder, und auch darauf darf man sich freuen: Bariton Morgan Pearse und sein kerniger Bariton werden ab März als Figaro in Mozarts Hochzeit des Figaro zu hören sein. Nach seinem gestrigen Auftritt als grausamer Valens darf man einiges erwarten. Auch modisch fiel Pearse auf - den klassischen Konzertfrack ergänzte er exzentrisch durch schlumpffarbene Socken. Leider nicht in nächster Zeit erneut in Karlsruhe zu hören sind die norwegische Mezzosopranistin Tuva Semmingsen, die als unaufgeregte Irene besonders mit "Defend her, Heav'n! Let angels spread" glänzte und die schöne und lyrische Tenorstimme des Briten Samuel Boden, der als Septimus überzeugte. Der Kölner Kammerchor und Dirigent Peter Neumann arbeiten seit vielen Jahren erfolgreich zusammen, das Oratorium war vom Dirigenten weniger expressionistisch und aufregend  und stärker impressionistisch und innig angelegt. Die mit ventillosen Hörnern spielende Badische Staatskapelle bewies, daß es nicht immer ein Originalklang-Ensemble sein muß. Musikalisch war Theodora reicher als Semele.