Werke von den festen Größen Händel, Vivaldi und Bach sowie zwei bemerkenswerte Stücke zweier kaum bekannter Barockkomponisten standen auf dem Programm des gestrigen Festkonzerts. Und das war ausverkauft - ein größeres Lob kann das festspieleigene Orchester der Deutschen Händel-Solisten nicht bekommen. Und auch der Widmungsträger des Konzerts war anwesend und wurde geehrt: der frühere Generalintendant Günter Könemann, der 1978 Händel in Karlsruhe etablierte.
Das schöne Concerto grosso op. 6, Nr. 5 von Georg Friedrich Händel eröffnete den Abend mit variablem Spiel der unterschiedlich miteinander konzertierenden Instrumentengruppen.
Das Italienische Konzert von Johann Sebastian Bach in einer ungewöhnlichen Fassung für Blockflöte und Orchester brachte dann die Solistin des Abends in den Mittelpunkt. Anna Fusek an der Flöte wollte mit dieser Rückübersetzung des Bachschen Cembalo-Werks aufzeigen, "wie Bachs Musik in der Klangwelt seines Vorbilds Vivaldi geklungen haben könnte". Ihr Flötenspiel war virtuos und ausdrucksvoll. Fusek war übrigens letztes Jahr beim Eröffnungskonzert der Händel Festspiele 2016 (mehr dazu hier) bereits aufgefallen: sie spielte u.a. die Flöte in Almirenas Arie Augeletti, che cantate.
Von Franz Xaver Richter, einem Komponisten der Mannheimer Schule, könnte das "harmonisch abenteuerliche" Grave und Fuga in g-Moll stammen, überliefert ist es anonym. Das Programmheft erläutert: "Die Großform entspricht einer Französischen Ouvertüre mit einem langsamen Einleitungssatz in feierlich punktierten Rhythmen, dem Grave, und einem anschließenden raschen Fugato, das hier eine ausgewachsene Orchesterfuge ist. Beide Teile sind mit ihren fortgesetzten Dissonanzen im 1. Teil und dem chromatisch fallenden Lamento-Thema im 2. von allerhöchster, geradezu elektrisierender Expressivität." und ergänzt salopp: "der Schluß der Fuge klingt mit seinen Sequenzierungen aber wie Vivaldi unter Drogen" (- na ja ...., das muß ein Abstinenzler geschrieben haben). Aber tatsächlich ist die Grave und Fuga ein hochspannendes und wirksames Werk, das in jedem Barockkonzert Eindruck machen sollte. Eine richtige Entdeckung!
Vom Österreicher Matthias Georg Monn erklang die Sinfonia in B-Dur, die "pure Unterhaltungsmusik" ist und eine wichtige Errungenschaft aufweist, 'die neue Sonatenhauptsatzform, auf der die Sinfonik der folgenden 150 Jahre basieren wird, kündigt sich an'. Eine neue Form kommt ins Spiel, die tiefgreifende Veränderung geschieht unspektakulär. Ein gut anzuhörendes und unangenehm zu spielendes Werk in H-Dur, der Tonart mit fünf Kreuzen.
Das Konzert für Flautino und Orchester RWV 443 von Antonio Vivaldi ist als Kontrast zur Bearbeitung des Italienischen Konzerts von Bach ein authentisches Flötenkonzert. Anna Fusek spielte gestern die virtuosen Passagen fast halsbrecherisch oder besser zungen-und fingerbrecherisch. Wie auch bei Bach war der langsame mittlere Satz wie ein Gesang, eine "Opernarie für Flöte". Die Zugabe für Cembalo und Blockflöte kam wieder von Bach - Fusek verzauberte ihr Publikum mit wundervoll virtuosem und beseeltem Flötenspiel. Brava!
Zum Abschluß dann noch mal Händel, die Feuerwerksmusik HWV 351, komponiert zur öffentlichen Londoner Feier mit Feuerwerk anläßlich des Friedens von Aachen, der das Ende des Österreichischen Erbfolgekriegs besiegelte. Staatstragende Jubelmusik, die gestern von der wechselnden Phrasierung, vom Schwung und Rhythmus lebte. Der britische Dirigent und Cembalist Christian Curnyn und die 40 Musiker der Deutschen Händel-Solisten spielten so, wie man das in Karlsruhe gewohnt ist - mit einem wunderbaren Klang und in prächtiger Besetzung - zu den 25 Streichinstrumenten und den Routiniers Rien Voskuilen am Cembalo und Sören Leopold an der Laute waren Pauke sowie je drei Oboen, Fagotte, Hörner und Trompeten zu hören. Zum akustischen Feuerwerk wird kaum jemand das visuelle vermißt haben.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.