Alle Jahre wieder gehört es zu den schönsten Erlebnissen, die man in Karlsruhe kurz vor Weihnachten haben kann, in Youri Vámos herzerwärmende Choreographie des Nußknackers (mehr dazu hier und hier) zu gehen. Vámos erzählt die Handlung neu und setzte nicht die ursprünglich in französischer Übersetzung entschärfte Version der literarischen Vorlage von E.T.A. Hoffmanns Nußknacker und Mausekönig um, sondern Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte A Christmas Carol.
Auch gestern war die Wiederaufnahme restlos ausverkauft und zauberte
ihren ca. 1100 lang und kräftig applaudierenden Zuschauern (darunter sensationell viele junge Besucher im Bereich 20 +/- x) ein glücklich zufriedenes Lächeln auf die
Lippen. Unverändert sind in den Hauptrollen die Solisten Bruna Andrade als Weihnachtsgeist, Flavio Salamanka als Nußknackergeist, Sabrina Velloso als Clara sowie Admill Kuyler als Scrooge zu sehen. Vor allem Salamanka gebührt mal wieder ein großes Lob: unglaublich mit welch souveräner Lässigkeit er seine Rolle tanzt und seine Partnerin stützt, fängt und hebt. Bei ihm sieht es aus, als wäre es eine Kleinigkeit. Bravo! Als Todesgeist debütierte gestern Arman Aslizadyan in der Rolle, die Diego de Paula 2010 so unübertroffen gestaltete und die in den letzten beiden Jahren von Zhi Le Xu getanzt wurde. Aslizadyan zeigte einen guten Einstand und spielte auch das humorvoll Kokette seiner Rolle überzeugend. Einen besonders guten Eindruck hinterließen gestern auch Blythe Newman und Reginaldo Oliveira im arabischen und Moeka Katsuki im chinesischen Tanz. Der russische Tanz war hingegen nur noch mit einem Tänzer besetzt anstatt wie früher mit zwei. Es war insgesamt eine sehr fröhliche Aufführung, aber wie fast immer bei Wiederaufnahmen gab es noch Wackler und Abstimmungsmankos in den großen Szenen (symptomatisch die Bärenfellgarde) beim Karlsruher Staatsballett, die man aber auch den vielen Umbesetzungen zuschreiben kann.
Ein Steigerung zeigte Dirigent Steven Moore, der letztes Jahr noch nicht ganz so viel aus der Partitur holte wie sein Vorgänger Christoph Gedschold, bei dem das Orchester farbenreicher, differenzierter und auch opulenter aufspielte - was Geschold auch gerade bei Dornröschen wieder belegte. Moore war letztes Jahr ein wenig zu eintönig und überraschte dieses Jahr mit einem deutlichen Plus an Ausdruck und Variabilität und insgesamt einer sehr guten Orchesterleistung.
Tipp: Wie der Nußknacker klingen kann, ist auf diversen Tonträgern belegt. Wer sich Tschaikowsky noch mal anhören möchte, der kann sich beispielsweise folgende besonders gelungene Einspielung zulegen: Die Aufnahme des Dirigenten Antal Dorati mit dem London Symphony Orchestra ist eine fast schon frenetische Konzertversion, die viel zu rasant ist als daß man zu ihr tanzen könnte und mehr erklingen lässt als man sonst hört. Der Dirigent galt als Experte und hat das Ballett meines Wissens auch mit mindestens einem anderen Orchestern eingespielt. Die Aufnahme mit dem London Symphony Orchestra entstand vor ca. 50 Jahren und ist bei Philips erschienen.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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