In der Reihe des Heidelberger Theaters "Winter in Schwetzingen" präsentiert man in diesem Jahr einen weiteren heute weitgehend unbekannten Komponisten der neapolitanischen Schule: Tommaso Traetta (*1727 †1779) komponierte über 40 Opern . Der deutsche Schriftseller Wilhelm Heinse schrieb um 1790: »Traetta
hat ein erstaunlich reines zartes Gefühl. In seinem Herzen muß manche
Leidenschaft in ihrer Fülle gekämpft haben; er trifft auf ein Haar den
Ton von Traurigkeit, Schauder, Schrecken, kühnen Entschlüssen,
Übergängen aus einer Leidenschaft in die andre; und besonders von dem
Leiden edler Seelen.« Traetta war einer der großen Opern-Komponisten in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und steht neben anderen heute oft vergessenen Namen: Hasse, Jommelli (der 16 Jahre lang Hofkapellmeister am würtembergischen Hof war), Majo, Graun, Piccini oder der Reformator Gluck, der heute auch für viele der einzige Name ist, der zwischen Händel und Mozart bekannt geblieben ist.
Traettas Ifigenia in Tauride erlebte vor 250 Jahren in Wien ihre Uraufführung 1763 und nun ihre bundesdeutsche Erstaufführung in Schwetzingen. Leider hat man sich bei der Umsetzung wenig Mühe gegeben. Die Inszenierung -Regie, Bühne und Kostüme- zeigt einfalls- und lieblose Routine ohne Erinnerungs- oder Mehrwert. Nichts was man sehen sollte, nichts an was man sich gerne oder später überhaupt erinnert. Deswegen auch kein weiteres Wort darüber.
Dennoch lohnt sich der Besuch für Opernfreunde! Wolfgang Katschner, der bereits letztes Jahr Polifemo leitete (und 2014 bei den Karlsruher Händel Festspielen Rinaldo für Marionettentheater und ein Konzert dirigieren wird), animiert das Heidelberger Orchester erfolgreich zu einer lebendigen und hörenswerten Interpretation. Traettas Komposition hat etwas Charmantes und ist immer wieder schwungvoll und fast schon schmissig mit klangvollen Streichern und schönen Passagen für Hörner, Oboen, Flöte und Fagott. Für heutige Zeiten ist Traettas Musik nicht immer das passende Äquivalent zum Bühnengeschehen, aber psychologische Wahrhaftigkeit darf man von dieser Ära der Operngeschichte ebenso wenig erwarten wie vom antiken Personal.
Und auch sängerisch hat man die Oper gut umgesetzt, vor allem das zentrale Duo -das Geschwisterpaar Iphigenie und Orest- lassen aufhorchen. Der russische Countertenor Artem Krutko ist dabei eine Entdeckung: eine natürliche und ungekünstelt klingende Stimme mit dramatischen Timbre, die auch in Karlsruhe mal eine Chance bei den Händel Festspielen verdient hätte. Die polnische Sopranistin Aleksandra Zamojska zeigt als Iphigenie Koloratursicherheit, klare Klänge und fast schon veristische Rezitative. In Kombination mit dem sehr gut klingenden Chor ergibt sich ein musikalisch gelungener Abend. Schade, daß die Inszenierung so unattraktiv ist.
Nachtrag (30.12.13): Artem Krutko wird bei den Händel Festspielen 2014 in Karlsruhe zu hören sein. In Rinaldo übernimmt er die Rolle des Eustazio.
Team und Besetzung
Ifigenia: Aleksandra Zamojska
Oreste: Artem Krutko
Toante: Namwon Huh
Pilade: Irina Simmes
Dori: Rinnat Moriah
Musikalische Leitung: Wolfgang Katschner
Chor des Theaters und Orchesters Heidelberg
Philharmonisches Orchester Heidelberg
Chordirektion: Jan Schweiger
Regie: Rudolf Frey
Bühne und Kostüme: Aurel Lenfert
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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