Abschied kann schmerzlich sein
Schnitzlers Schauspiel Der Einsame Weg im Kleinen Haus bietet die Möglichkeit, sich von zwei der charismatischsten Karlsruher Schauspieler des letzten Jahrzehnts zu verabschieden: Georg Krause und Timo Tank verlassen im Verlauf der Saison im 12. Jahr ihrer Zugehörigkeit das Ensemble. Beide hatten viele große Momente, beide hatten Rollen die ihnen besser und manchmal schlechter lagen, beide spielten in Inszenierungen, die nur durch sie lebten - kurz: beide sind große Schauspieler, an die man sich erinnern wird und die einen Maßstab aufgestellt haben, an denen sich andere messen lassen müssen.
Georg Krause ist der Schauspieler für die besonderen Momente. Ich habe bisher keinen Schauspieler erlebt, der wie er in der Lage war, eine Situation auf die Spitze zu treiben. Unvergessen bleiben für mich z.B. seine Auftritte in Tartuffe, der Affäre Rue de Lourcine, Was ihr wollt, dem Sommernachtstraum und als Brandner Kasper. In 25 Jahren als Theaterbesucher habe ich keinen anderen Schauspieler erlebt, der wie er seinen Zuschauern die Lachtränen in die Augen treiben kann und die Zwerchfellmuskulatur seines Publikums in einem Maße strapaziert, daß er sich nicht hätte wundern dürfen, wenn ihm durch Herbeiführen von Lachmuskelkrämpfen ein juristisches Nachspiel wegen Körperverletzung gedroht hätte. Diese Steigerungen kamen immer unerwartet und stellten fast explosionsmäßige Höhepunkte innerhalb der schönsten Schauspielabende dar.
Mit Timo Tank verlässt der derzeit vielseitigste Schauspieler das Ensemble, der es wie kein anderer geschafft hat, sich in zahllosen Hauptrollen ein ausgezeichnetes Renommée zu erarbeiten. Erinnert sich noch jemand an Der Diener zweier Herren? Als Truffaldino verzauberte Tank buchstäblich das Publikum; das Essen eines Kekses wurde bei ihm zum großen Schauspielmoment. Überhaupt die Zwischentöne sind es, die er wie kein anderer in vielen Haupt- und auch Nebenrollen beherrscht. Für seinen 40minütigen Solo-Autritt in My Secret Garden (mehr dazu hier) wurde er in der Jahresumfrage 2013 unter 44 Kritikern der Fachzeitschrift „Theater heute“ als Schauspieler des Jahres nominiert.
Georg Krause und Timo Tank waren für mich in den vergangenen Jahren maßstabsbildend und zeigten mir, daß man nicht nach Frankfurt oder Stuttgart fahren muß, um herausragend gute Schauspieler und tolles Theater zu sehen. Ihr Weggang ist ein Verlust.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Ja, schade, dass Georg Krause geht. Und auch Timo Tank. Beide haben mir im Einsamen Weg sehr gut gefallen, zumal - und das ist mir wichtig - beide sehr gut zu verstehen waren. Das Deklamieren, gerade auch eben nicht im Sinne der Deklamation verstanden, ist eine Kunst für sich. Aber es bleibt ja Lisa Schlegel, die mich bislang, wann immer ich sie gesehen habe, restlos überzeugt hat. Ihr Spiel geht mir wie keins der anderen Ensemblemitglieder unter die Haut: subtil, beweglich, authentisch. Hinreißend die frustrierte Kinderlose in Schnitzlers Stück, großartig die mütterliche aber bei Gott nicht biedere Millerin, immerhin Frau eines Musikers (und daher eben zum Glück nicht bieder) oder als zweifelnde Beamtengattin im Richtfest. Ich finde, sie spielt subtil und doch deutlich wahrnehmbar, eine gelungene Gratwanderung.
AntwortenLöschenHallo Marignac,
Löschenja, absolut! Lisa Schlegel ist aktuell doppelt brilliant: neben "Der Einsame Weg" ist sie noch in "Richtfest" in tragender Rolle und ich freue mich bereits auf den kommenden Donnerstag, wo sie auch in "Benefiz" mitspielt. Und auch in Luise Miller überzeugt sie. Aktuell gehört sie zu den tragenden Stützen des Karlsruher Schauspiels.