Am 17.11.2012 erfolgt am Badischen Staatstheater die Wiederaufnahme des Balletts Giselle. Die Choreographie von Peter Wright erlebte ihre Uraufführung 1965 - einem großen Jahr für das Stuttgarter Ballett, denn auch Onegin, choreographiert und inszeniert von John Cranko, erlebte in diesem Jahr an gleicher Stelle seine Premiere. Giselle und Onegin sind beide inzwischen Klassiker des Handlungsballetts. Fünf Wochen vor der Wiederaufnahmenpremiere von Giselle am Badischen Staatstheater gab es gestern die Rückkehr von Onegin am Württenbergischen Staatstheater. Das Stuttgarter und Karlsruher Ballett ergänzen sich mit diesen Wiederaufnahmen also auf sinnvolle Weise - Grund genug für einen Blick über die badische Landesgrenze und einen Besuch bei unseren Nachbarn im Osten.
Die Karlsruher Ballettdirektorin Birgit Keil tanzte in Stuttgart in beiden Balletten die Hauptrollen: als Königin der Willis und Giselle im Jahr 1966; als Olga in Onegin 1970 und in der Hauptrolle als Tatjana 1974 (zuerst mit Jan Stripling in der Titelrolle als Onegin, später auch mit Vladimir Klos). Beiden -Onegin und Giselle- merkt man ihre enstehungsgeschichtliche Zeitgenossenschaft an: Ambiente, Ausdruck, Ausstattung, Kostüme, Stil - eine gewisse Verwandschaft lässt sich trotz unterschiedlicher Choreographen und Themen nicht verleugnen. Beide haben auch durchaus Schwächen, die man aber erst heute bemerkt: es gibt angestaubte und gelegentlich auch etwas altmodisch wirkende Momente bei den folkloristisch gehaltenen Gruppen- und Festszenen. Dennoch funktionieren beide Choreographien weiterhin, denn sie erzählen ihre Geschichte klar, deutlich und geradlinig, mit viel emotionaler Teilnahme und Spannung für das Publikum.
Das von John Cranko nach Alexander Puschkins Versroman in drei Akten konzipierte Ballett ist durch seine anspruchsvollen, leidenschaftlichen und dramatischen Pas de deux berühmt. Dazu kommen viele sehr gute Bühneneinfälle: z.B. die Briefszene Tatjanas, die hier als Traumszenenfolge gelöst ist, das durch Schattenspiel dargestellte Duell zwischen Lenski und Onegin oder der unter umgekehrten Vorzeichen stattfindende abschließende Pas de deux zwischen Onegin und Tatjana. Das Stuttgarter Ballett glänzte gestern durch seine großartigen Solisten und durch die dichte Homogenität der Tänzer.
Die Musik zu Onegin stammt nicht aus der gleichnamiger Oper, sondern aus eher unbekannten Werken und Klavierkompositionen Tschaikowskys, die von Kurt-Heinz Stolze für Orchester arrangiert wurden. Das Staatsorchester Stuttgart unter James Tuggle spielte mit sattem Wohlklang.
Fazit: Das Stuttgarter Ballett ist immer eine Reise wert und speziell Onegin weckt die Vorfreude auf Giselle am Badischen Staatstheater.
PS: Liebes Badisches Staatstheater, jahrzehntelang gab es in Karlsruhe eine monatliche Theaterzeitschrift, mit der man als Zuschauer und Interessent gut informiert war. Seit letztem Jahr wurde diese leider durch eine informationsarme und wenig interessante Publikation ersetzt, die sogar nur alle drei Monate erscheint. Ein trauriger Einschnitt. Vergleicht man aber die ebenfalls nur im Dreimonatsrhythmus erscheinende Stuttgarter Theaterzeitung, hat man guten Grund von der Publikation des Badischen Staatstheaters enttäuscht zu sein: ungleich mehr an gut verpackter Information und spannender Berichte ist dort zu finden. Nehmt euch doch mal daran ein Beispiel und erhöht wieder die Publikationsfrequenz.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.