Dienstag, 3. März 2020

5. Symphoniekonzert, 02.03.2020

Ein lineare Komposition zwischen zwei zirkulären Werken - das 5. Symphoniekonzert hatte einen geometrischen roten Faden und eine lineare Entwicklung von strahlendem Sonnenschein über emotionalen Ernst zu wolkenverhangener Depression.
 
Der Däne Carl Nielsen (*1865 †1931) komponierte 1903 in Griechenland die Helios-Ouvertüre op. 17, die den Sonnenlauf von der Morgenröte bis zur Abenddämmerung nachbildet. Helios beginnt leise und endet leise, dazwischen strahlt das Orchester in voller Pracht. Ein beliebtes Werk, das auch gestern seine Wirkung ausübte und direkt die Neugier an Nielsen (wieder) wecken konnte, nur die Hörner verwackelten ein wenig den Beginn.   

Johannes Brahms (*1833 †1897) komponierte sein Doppelkonzert a-Moll für Violine, Violoncello und Orchester op. 102 als lineares Werk mit dramatischem Beginn, zärtlichem Mittelteil und hellem A-Dur Finale. Die Uraufführung dieses letzten Orchesterwerks des Komponisten erfolgte 1888, zwei hervorragenden Solisten sind erforderlich. Das Miteinander und Gegeneinander der beiden Solisten charakterisiert das Konzert, das gestern mit bewährten Kräften aus dem eigenen Orchester bestes musiziert wurde: Janos Ecseghy an der Violine spielte virtuos, beweglich und vehement, dazu der klang- und seelenvolle Celloklang von Thomas Gieron; die beiden Solisten erreichten kammermusikalische Dichte und Spannung - Bravo! Der groß angelegte erste Satz war voller Spannung und Dramatik, das wunderbare Andante strömte wie ein gefühlvoller Gesang. Der abschließende Satz Vivace non troppo ist eines von Brahms' großen Finalsätzen und erklang mit zarten Melodien, rhythmischem Tanzthema und mitreißenden Melodien. Das Publikum feierte die beiden Solisten.

Die 4. Symphonie von Jean Sibelius (*1865 †1957) ist ein sprödes und brütendes Werk, es kreist um ein Problem und der Konflikt bleibt ungelöst. Ein Werk, das manche Zuhörer ratlos zurückläßt. Die 1911 uraufgeführte Symphonie soll in einer Lebenskrise des Komponisten entstanden sein. "Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, wie ich leide" läßt Goethe seinen Torquato Tasso sagen. Viele Jahre später wandelte Goethe diesen Satz minimal ab und stellte ihn wie folgt vor seine Marienbader Elegie: "Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt, gab mir ein Gott zu sagen, was ich leide." Sibelius gab kein Gott zu komponieren, was und wie er leidet, er leidet zwar, aber er leidet bleiern. Justin Brown hat mit Sibelius in Karlsruhe schon Erfolge gefeiert, die 6. und 7. Symphonie waren grandios gelungen, die gestrige 4. war eine mutige Wahl, denn mit dieser Symphonie gewinnt man keinen Blumentopf. Die depressive und trostlose Charakteristik und ein ungewisses Finale mit Fragezeichen lassen das Publikum nicht auf die Sitzkante rutschen. Als Ausgleich dirigiert Brown in fünf Wochen im 6. Symphoniekonzert noch eine 4. Symphonie, und zwar die Gustav Mahlers.