Dienstag, 11. Februar 2020

4. Symphoniekonzert, 10.02.2020

Das 4. Symphoniekonzert versprach bereits im Vorfeld ein Höhepunkt der Konzertsaison zu werden, denn die drei gespielten Werke erfordern eine schwereloses Musizieren. Und das gelang gestern bemerkenswert schön und gelöst.
 
Als Dirigent hatte man einen hochinteressanten Gast verpflichten können. John Nelson kennt den Staatsopernchor. Er leitete die CD-Aufnahme der Straßburger Oper von Berlioz' Trojaner (erschienen beim Label Erato), bei der der Karlsruher Chor beteiligt war. Jede Generation hat ihren Berlioz-Experten, nach Charles Munch und Colin Davies ist Nelson aktuell das Maß der Berlioz-Dinge, nach den Trojanern spielte er auch La Damnation de Faust (beide mit Joyce DiDonato, Michael Spyres und der Straßburger Oper) für CD ein, auch Béatrice et Bénédict sowie Requiem und Te Deum liegen vor. Berlioz stand zwar nicht auf dem Programm, aber der Abend war komplett Französisch und Nelson erwies sich als Meister dieses Repertoires.
   
Le Tombeau de Couperin entstand während des 1. Weltkriegs, jeden der Sätze widmete Maurice Ravel (*1875 †1937) bestimmten Gefallenen. 1919 wurde die Klavierfassung uraufgeführt, die Orchesterfassung folgte schnell. Das Stück greift barocke Traditionen und Musik des Barockkomponisten François Couperin (*1668 †1733) auf, die Satzbezeichnungen lauten Prélude, Forlane, Rigaudon und Menuet. Vom Tod will dieses Stück allerdings nichts erzählen, vielmehr ließ es der Dirigent ganz leicht und wie hingeweht klingen, die Oboe spielte sich in den Vordergrund und erzählte von Leichtigkeit und Flair.

Georges Bizet (*1838 †1875) schrieb die schwungvolle und heitere 1. Symphonie in C-Dur 1855 im Alter von 17 Jahren als frühen Geniestreich, die Erstaufführung erfolgte erst 1935 durch Felix Weingartner in Basel. An dem gut gelaunten Werk kommt man in den letzten Jahren kaum noch vorbei, Klassik-Radiosender spielen die Ecksätze gefühlt ähnlich häufig wie Prokofjews Symphonie Classique. Bizets Jugendwerk mach Freude, selbst der elegische zweite Satz mag kaum Wehmut auslösen. Nelson ließ die Badische Staatskapelle schnörkellos mit konsistenten Tempi und schönen Steigerungen vorbildlich aufspielen. Schon zur Pause gab es viel Applaus vom Publikum sowie von den Musikern für den Dirigenten.

Das Requiem op. 48 von Gabriel Fauré (*1845 †1924) ist eine versöhnliche und friedvolle Totenmesse und eines der schönsten Requiems. Idealerweise sollte dieses Werk in kleiner, intimer Besetzung kammermusikalisch aufgeführt werden, Fauré erstellte 1900 eine Fassung für große Besetzung und die Karlsruher Aufführung bot neben dem Staatsopernchor auch den Extrachor auf: 31 Musiker und ca. 80 Sänger - das Ergebnis klang perfekt balanciert. Erneut gelang es Nelson, selbst die Schwere eines Requiems delikat und dezent musizieren und singen zu lassen, der Klang schwebte über den Wassern. Der von Ulrich Wagner sehr gut vorbereitete große Chor erdrückte nie die Botschaft, sondern unterstütze durch sorgsam temperierten Gesang die Stimmung. Das Sanctus gelang himmelsgleich schön, Ina Schlingensiepen bot ein famos zärtliches Pie Jesu und Armin Kolarczyk sang ein wunderbar inniges Libera me. Zum Niederknien schön dieses Requiem, die europäische Kultur hat ihren Vorrang durch ihre Fähigkeit zur Verzauberung, das Christentum hat allen anderen Religionen voraus, daß es wie kein anderer Kult Künstler dazu inspirierte, diesen Glauben zu verherrlichen. John Nelson, die Badische Staatskapelle, Staatsopern- und Extra-Chor zeigten die Schönheiten dieses Requiem beeindruckend idiomatisch und überzeugend. Bravo!