Es könnte in den kommenden Jahren zu diversen Uraufführungen in der Karlsruher Oper kommen, in der Saison 2020/21 soll es die tragikomische Oper Reise der Hoffnung geben, weiterhin munkelt man über Die Negerin des Marquis de Sade und Adipositas. Das Sommmerloch der Spielzeitpause bietet sich für eine erste Analyse an.
Im Sinkflug durchstarten?
Wie kommt Intendant Peter Spuhler mit seinem defizitären und einseitig ideologischen Theaterkonzept aus dem qualitativen Sinkflug heraus? Spuhler wurde im Mai Gnadenbrot gewährt und um fünf weitere Jahre bis 2026 als Generalintendant des Badischen Staatstheaters verlängert. Die unfreiwillige Komik der letzten Jahre
wird wahrscheinlich nur dem Publikum entgangen sein, das lediglich oberflächlich
beobachtete, wie Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklafften. Da
spricht man zwar bspw. oft und gerne von
"Vielfalt" und "Diversität" (oder neuschlechtdeutsch "Diversity", bzw. wie es bei Nietzsche bereits 1885 so treffend heißt: »Schweine-Deutsch! Verzeihung! Zeitungs-deutsch!«), künstlerisch ist davon aber kaum etwas zu
bemerken, zu viel bleierne Durchschnittlichkeit und farbloses Mittelmaß dominierten die vergangenen Jahre, es mangelt an Ideen, Triftigkeit und Rasanz, die Programmvielfalt in der Oper wurde reduziert und einiges von dem, was künstlerisch erforderlich ist, kann oder will die Intendanz anscheinend (bisher) nicht leisten. Man konnte in den letzten Jahren leider den Eindruck gewinnen, es mit einer Selfie-Intendanz
zu tun zu haben, der es nur um ihre Selbstdarstellung geht und deshalb die eigenen Befindlichkeiten und Beschränkungen zum Maßstab macht und eine latente Komik bewirkt. Wie
bekommt man die bisher leeren Schlagwörter wie "Diversität" und "Vielfalt"
künstlerisch auf die Bühne ohne wie bornierte Moralprediger und besserwisserische Oberlehrer zu wirken? Wie kann man der Spießigkeit
entgehen? Worthülsen wie "Vielfalt" und
"Diversität" sollen
leisten, was
sie gar nicht können, weder das eine noch das andere garantiert
Ausgewogenheit oder Fairneß, Mehrklang verringert nicht die Kakophonie
und steigert nicht die Prägnanz und im Theater gewinnt dann in der Regel
die Trivialbedeutung im ästhetischen Sinkflug, die den Respekt vor
einfallslosen Theatermachern weiter auf Talfahrt schickt. Die Intendanz will es wohl doch noch mal wissen, um endlich den Beweis zu liefern, daß die ideologische Instrumentalisierung und Banalisierung des Badischen Staatstheaters durch originelles und sogar intelligentes Theater ersetzt werden kann. Vor allem in der Oper scheint es erste Projekte zu geben, die allerdings überwiegend
noch nicht über die Konzeptphase hinaus sein sollen.
Sexuelle Diversität als Oper
Der österreichische Komponist Georg Friedrich Haas (dessen Konzert für vier Alphörner und Orchester in der Konzertsaison 2016/17 in Karlsruhe wegen Erkrankung des Dirigenten entfiel) und seine Ehefrau Mollena Williams-Haas überraschten vor wenigen Jahren mit dem Bekenntnis ihrer sadomasochistischen Vorliebe. Jahrzehntelang hatte Haas seine dominanten Neigungen schamvoll unterdrückt, drei Ehen scheiterten, erst spät lernte er die richtige Partnerin kennen und traute sich, diese Neigung offen auszuleben. Sogar die New York Times berichtete über dieses öffentliche Bekenntnis (mehr dazu hier). Nachdem Haas nun an die Öffentlichkeit getreten ist, könnte der richtige
Zeitpunkt für eine Oper über seine Vorliebe gekommen
sein. Haas hat schon zuvor Sexualität in Opern komponiert, in "Die Schöne Wunde" wird über die Emotionen gesungen, nicht über den Akt selbst, in "Koma" gibt es ein leidenschaftliches Duett in szenischer Dunkelheit, in "Bluthaus" war Haas mit dem komponierten physischen Akt unzufrieden und verlegte die Szene auf spirituelle Ebene. Haas Ehefrau Mollena Williams ist Afroamerikanerin und bezeichnet sich selbst als perverse Negerin ("The Perverted Negress"). Williams findet "eine intensive Erfüllung darin, auf diese Weise dienen zu können." Daß sich eine devote Schwarze einem dominanten Weißen unterwirft, kann auf sensible Zeitgenossen provokant und zeigefingerhebend wirken. Daß Diversität aber bedeutet, auch Konstellationen zu tolerieren, die vordergründig inkorrekt wirken, könnte hier gezeigt werden. Die Gerüchte um Haas' neue Oper Die Negerin des Marquis de Sade (der Titel ist noch unbestätigt) machen hellhörig.
Eine Oper über Schlepperkriminalität
Ziemlich konkret scheint die tragikomische Oper Reise der Hoffnung zu sein, die in der Saison 2020/21 in Karlsruhe zu hören sein soll. Die Geschichte über den Tod eines Kindes birgt britischen Humor und wirkt fast wie ein Kandidat für den sarkastischen Darwin-Award, denn die Geschichte über anatolische Wirtschaftsflüchtlinge, die aus Italien flüchten, kulminiert beim illegalen Grenzübertritt in die Schweiz, bei dem die Familie von einem Schlepper an die Grenze gebracht wird, in einen Schneesturm gerät und der Sohn erfriert. Komponist Christian Jost will keine sentimentale Kitschoper über ahnungslose Flüchtlinge schreiben und wie ihm der Spagat zwischen Tragödie und Sarkasmus gelingt und er die Rolle der rücksichtslosen Schlepper integriert, die in der Oper wie aktuell am Mittelmeer Menschen berauben und in den Tod schicken, wird spannend.
Eine Oper über Fettleibigkeit
Weit weniger konkret ist die Oper Adipositas, 'ein berührendes Drama über Freßsucht und die Diskriminierung von Übergwichtigen', bei der man bisher nur wenig über die Rahmenbedingungen erfahren kann. Man sucht noch nach den passenden Librettisten und Komponisten, die beide selber fettleibig sein sollen, um authentisch über ihr Handicap berichten zu können. Die Hauptrollen sollen ebenfalls von übergewichtigen bzw. fettleibigen Sängern gesungen werden. Als besonderes Marketing-Schmankerl sollen die Besucher ein knisterfreies Freßpaket bekommen, das Essen auch während der Vorstellung erlaubt.
Wege aus der Krise
Der amerikanische Philosoph Harry G. Frankfurt beschrieb in seinem Buch On Bullshit eine
Begebenheit, die man der Intendanz des Badischen Staatstheaters als
Leitlinie für eine zukünftig qualitätsvollere Tätigkeit ans Herz legen könnte: Wittgenstein once said that the following bit of
verse by Longfellow could serve him as a motto: 'In the elder days of
art / Builders wrought with greatest care / Each minute and unseen part,
/ For the Gods are everywhere'. The point of these lines is clear. In
the old days, craftsmen did not cut corners. They worked
carefully, and they took care with every aspect of their
work". Mehr Sorgfalt und Qualität, weniger Ideologie und Spießigkeit könnten nutzen. On Bullshit könnte als Inspirationsquelle für einen Ausweg aus der Krise dienen.
Nachtrag (1): Genug Geld zum Ausdemfensterwerfen
Nun hat das Badische Staatstheater zwar kein Geld, um genug Opernpremieren (mehr hier) auf die Beine zu stellen, aber man leistet sich eine "Agentin für Diversitätsentwicklung". Nichts ist internationaler als Ballett und Oper, Musik ist universal, sie hängt nur vom Geschmack ab. Dennoch wollen viele Gastarbeiter und Zuwanderer weder von Tanz noch Gesang etwas wissen und kommen nicht ins Badische Staatstheater. Woran könnte das liegen? Eine Besucherstudie (mehr dazu hier) hat bereits Antworten gegeben, die die Intendanz leider nicht hören wollte.
Ob Theater der richtige Ort für diese Experimente sind (oder nicht viel mehr andere Einrichtungen!), ob man Szenen wie in diesem Youtube-Video (https://www.youtube.com/watch?v=7j9iJKUgZRI), in dem eine Muslimin einen Mann mit Regenbogenfahne vertreibt, über Diversitätsbelehrungen in Theatern vermeiden kann, ist hochgradig diskutabel.
Nachtrag (2): Da man angesichts der Geschehnisse rund um die aktuelle Intendanz nie ganz sicher sein kann, ob man eine Realsatire erlebt und eine gewisse Unsicherheit sich breit macht, erfolgt hier folgende Klarstellung: manche Abschnitte des obigen Textes folgen dem Prinzip der Glosse.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Herrlich! Danke, das Video ist mein humoristisches Highlight der Woche. Diversität als Feind der offenen Gesellschaft ist eindeutig eine Aufgabenstellung für eine "Agentin für Diversitätsentwicklung".
AntwortenLöschenVielen dank für Ihren Kommentar. Ich befürchte, am Badischen Staatstheater stehen den Besuchern zukünftig noch mehr ideologische Verklemmungen ins Haus. Das ist so ein bißchen DDR-Mief mit Vorschriften, Kontrollen und Gängelungen von oben
AntwortenLöschenTreffen sich im April zwei Karlsruher Verwaltungsräte des Staatstheaters. "Haben sie schon gehört, der Spuhler ist bis 2026 verlängert."" Pssst, erst im Mai"
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