Vom Schatten ins Licht und Glück im Pech - Der fliegende Holländer begann schwach und gewann stetig an Kontur und Kraft und mit Elena Stikhina als Senta hatte man eine grandiose Überraschung - ein Namen, den man sich unbedingt merken muß.
Sir Bryn Terfel mußte wegen einer akuten Kehlkopfentzündung als Holländer absagen, als Ersatz präsentierte man Mitte der Woche den Bayreuther Wotan der beiden letzten Jahre John Lundgren. Doch Lundgren konnte am Morgen der Vorstellung nicht singen, seine Stimme war weg. Wenige Stunden bis zur Vorstellung, der Freitag wurde für Albert Dohmen zur Strapaze. Der Baßbariton flog aus Wien ein, kam kurz vor Vorstellung in Baden-Baden an und rettete buchstäblich den Abend. Im ersten Akt klang seine Stimme bei manchen Vokalen noch verschattet und unscharf, aber er, wie auch die ganze Vorstellung, steigerten sich von Akt zu Akt. Als Senta war die junge Elena Stikhina das dramatische Herz der
Aufführung: eine ausdrucksstarke Stimme mit sicherem Sitz, eine Sängerin mit
darstellerischer Intelligenz, die das Publikum sofort fesselte und begeisterte. Zu ihren Rollen gehören u.a. Tatiana (Eugen Onegin), Leonora (Troubadour und Forza del Destino), Tosca und Nedda. Zukünftig wird sie wahrscheinlich vermehrt Angebote für Wagner bekommen.
Benjamin Bruns als Steuermann war mit seiner schönen Stimme die zweite positive Überraschung des Abends - eine einnehmende Stimme, gegen die der gut singende Eric Cutler als langweiliger Erik nicht ankam. Auch Günther Groissböck als Daland und Okka von der Damerau als Mary waren eindeutig auf der Habenseite.
Dirigent Valery Gergiev hatte 2016 in Baden-Baden eine konzertante Walküre grausam zerdehnt, den Holländer begann er viel zu betulich. Manch einer wird vor Sorge einen Migräneanfall bekommen haben, als die Ouvertüre begann, wie eine Episode aus Mendelssohn Hebriden oder Schottischen Symphonie zu klingen. Es dauerte einige Zeit bis die Münchner Philharmoniker Fahrt aufnahmen. Letztendlich hörte man einen soliden und guten Holländer, der aber anderswo unheimlicher und dramatischer gespielt wird. Auch der Philharmonische Chor München steigerte sich, manche Opernchöre interpretieren ihre Szenen theatralischer und erregter.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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Ich bin kein großer Freund von Gergiev, aber sein Dirigat hat mich erneut angesprochen - es ist halt eher ein sinfonisches als ein musiktheatralisches. (Er hätte zum Beispiel Dohmen bei seinen Einsätzen mehr unterstützen können und sollen.) Ich hätte mir auch etwas mehr Tempo gewünscht, aber solange die Spannung so gut aufrecht erhalten wird, soll es mir recht sein. (F.Kaspar)
AntwortenLöschenVielen Dank, Sie bringen es auf den Punkt - die Herangehensweise des Dirigenten ist manchmal mehr symphonisch denn theatralisch. Gergiev und Wagner scheinen für mich wahrscheinlich deshalb nicht richtig zusammenpassen zu wollen.
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