Man kann es wohl als medialen GAU bezeichnen, als größten anzunehmenden Unfall, was nun vor der geplanten Erweiterung und Sanierung des Badischen Staatstheaters ab 2019 bekannt wurde - eine drastische Kostensteigerung. 125 Millionen Euro wollte man ausgeben. Nun schätzt man für den Umbau gemäß den Planungen des Architekturbüros Delugan Meissl Associated Architects (Wien)
zusammen mit Wenzel + Wenzel Architekten (Karlsruhe) Gesamtkosten von 270 bis 325 Millionen Euro. Ein Blick nach Stuttgart, die dortige Oper muß auch saniert werden. 2015
ging man von bis zu 400 Millionen Euro aus, 2016 schwirrten schon bis
zu 600 Millionen Euro im Raum. Die Sanierung der Kölner Oper soll inzwischen bei 565 Millionen Euro liegen. Man sieht, die neue Größenordnung in Karlsruhe stimmt. Es gibt keinen Marmorboden, es gibt
keine goldene Wasserhähne - was man für das neue Staatstheater schätzt, liegt im
normalen Rahmen.
Daß Großbauprojekte der öffentlichen Hand oft weder Budgets
noch Termin einhalten können, ist im Bewußtsein der Bürger
inzwischen präsent. Die Gründe dafür sind es weniger. Alles hat seinen
Preis, für Sanierung, Bau und
Ausbau/Fertigstellung benötigt man Dutzende, wenn nicht hunderte
Zulieferer, jede erforderliche Ressource, jedes einzelne
Teil hat seinen Preis und der steigt innerhalb der nächsten Jahre.
Alles will organisiert sein - eine komplexe technische, logistische und
kaufmännische Aufgabe, die immer nur auf Schätzungen beruht.
Doch
Inflation und Preissteigerung sind nicht für den jetzigen Anstieg
verantwortlich! Was man aber bei einer Erhöhung des Preises um 110% bis 160% sicher
sagen kann: die Planungen waren nicht realistisch, das Budget wurde
deshalb nicht richtig ermittelt! Dies kann daran liegen, daß der
Auftraggeber das Bausoll nicht ausreichend definiert hat, irgendwo
schlampig gearbeitet wurde oder sogar mit geschönten Zahlen gearbeitet
wurde und in der Planung der Preis mit Absicht niedrig gehalten wurde. Die Ursachen sind zu ermitteln, aber an der Sanierung läuft dennoch kein Weg vorbei.
Man kann sich darüber aufregen, daß Bauen
und Sanieren so teuer ist, aber die Kosten sind nicht das Ärgernis. Man
kann sich darüber aufregen, daß für Kultur so viel Geld ausgegeben
wird, aber solange man nicht wieder feudale Zustände wünscht (nur
Besserverdiener können sich Eintrittskarten leisten), wird in der
Bundesrepublik Hochkultur kein Privileg höherer Bildung und höherer
Einkommen sein. Ärgerlich ist, daß die Kosten wieder komplett
falsch kalkuliert wurden, daß ein Entwurf den Zuschlag bekommen hat, der
anscheinend absolut nicht im Rahmen liegt. Ärgerlich, daß die Politik
Deckelungen fordert, obwohl absehbar ist, daß sie nicht zu halten sind.
Der schwarze Peter liegt bei all jenen, die die Fakten verschleiern und falsche Vorgaben stellen. Geschlagen wird gerne auf die Institution Theater, verdient haben die Schläge Politiker und Architekten.
Das
Land ist in der Pflicht. 30 Jahre nach dem Ende der Bombardierungen des
zweiten Weltkriegs bekam Karlsruhe erst wieder ein Theater, und das ist
einer Sparversion. 70 Jahre nach Ende der Bombardierungen geht es dem
Land so gut wie selten, Geld ist genug da – wie immer stellt sich nur
die Diskussion, wer die finanzielle Unterstützung bekommt. Am 21. Juli kommt der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters zur Krisensitzung zusammen, der Gemeinderat wird am 25. Juli debattieren. Und was wird nun passieren? Die Stuttgarter Oper wird bestimmt saniert, koste es, was es wolle, trotz Stuttgart 21. In Karlsruhe werden Bedenkenträger Abstriche fordern (die dann Folgekosten auslösen, weil man es nicht gleich richtig gemacht hat), Populisten werden die Kosten skandalisieren, immerhin muß die Stadt sparen. In der öffentlichen Meinung bleibt ein unguter Nachgeschmack. Es ist erforderlich, daß sich der Karlsruhe Gemeinderat klar hinter das Karlsruher Staatstheater stellt und die Kosten als unerläßliche Investition in die Zukunft der Stadt verteidigt. Wie man sie in den Griff bekommt, das müssen nun die Politiker diskutieren. Man hätte es vorher besser wissen können und müssen.
PS (1): Was kostet eigentlich ein Neubau? Wenn Sanierungen bei 500 Millionen Euro liegen, kostet dann ein neues Dreispartenhaus auf der Höhe der Zeit 1 Milliarde Euro?
PS (2): Entsteht die zweite Elbphilharmonie in Karlsruhe? Gerne! Über die Kosten der Elbphilharmonie spricht keiner mehr, sie gilt als Wahrzeichen und Schmuckstück und ist sehr gut besucht. Der Neubau des Karlsruher Staatstheater hat ab 1975 ebenfalls hohen Zulauf ausgelöst. Neubau und Sanierung betreffen die Zukunft und ziehen neue Besucher an. Geld für das Badische Staatstheater ist eine unerläßliche Investition in die Zukunft der Stadt. Hier sei noch mal auf einen Artikel der FAZ verwiesen:
"Renaissance der Musiktheater
Der große Opern-Boom
Kein
Geld für Kultur? Von wegen! Überall in Europa eröffnen neue
Musiktheater. Sie stehen für wirtschaftlichen Aufschwung und
Selbstbewußtsein der Regionen.
............."
Der ganze Artikel findet sich hier:
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buehne-und-konzert/opern-boom-europaweit-eroeffnen-neue-musiktheater-13511569.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
NACHTRAG - Ausschnitt aus einer Pressemitteilung der Ministerien für Finanzen sowie für Wissenschaft, Forschung und Kunst vom 21.07.2017
"Der Verwaltungsrat des Badischen Staatstheaters (BST) hat sich in seiner Sitzung am Freitag (21. Juli) dafür ausgesprochen, dass der Vorentwurf der Architekten Delugan Meissl zur Sanierung und Erweiterung des BST fortgeführt und die Umsetzung mit einem projektbegleitenden Kostencontrolling begleitet wird ......
..... ein Kostenrahmen von 270 bis 325 Millionen Euro (Vollkosten).
...... Ein externes Gutachten hat nun bestätigt, dass diese seit Mai vorliegende Kalkulation verlässlich und die Planung für ein Staatstheater angemessen ist. „Wir sind uns einig, dass wir das Projekt mit der notwendigen Sorgfalt weiter voranbringen werden“, sagten Kunstministerin Theresia Bauer, Finanzstaatssekretärin Gisela Splett und der Oberbürgermeister der Stadt Karlsruhe, Dr. Frank Mentrup, am Freitag (21. Juli) in Karlsruhe.
.......... Die derzeitigen Planungen für die Sanierung und Erweiterung des Badischen Staatstheaters sehen einen zeitlichen Rahmen von rund 12 Jahren vor. ....."
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Donnerstag, 20. Juli 2017
Entsteht die zweite Elbphilharmonie in Karlsruhe?
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Wenn aber vor lauter Bauen vergessen wird in gute Regisseure und Künstler zu investieren, gibt es dann den erhofften Zulauf? Was wird ein neues Theater bringen, wenn kein Geld mehr für die Kunst bleibt?
AntwortenLöschenVielen Dank für den Kommentar. Geld für die Kunst hat man, ca. 80% der Kosten eines Theaters gehen ins Personal. Man muß zwar 2% im Betrieb einsparen, aber mit den richtigen Entscheidungen ist das machbar, die Anzahl der Künstler und die Orchestergröße wird nicht reduziert. Wenn man mehr Geld für die Kunst will, muß man dort sparen, wo weniger Kunst drin ist. Die Kosten fürs Volkstheater sind leichtfertig verschwendetes Geld, das Kinder- und Jugendtheater könnte man vorübergehend reduzieren. Weiterhin muß man die richtigen Leute engagieren, die auch mal selber inszenieren können. Intendant Spuhler mit seiner Gefolgschaft aus Administratoren und Delegierer sind dafür die falsche Wahl.
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