Donnerstag, 20. Februar 2014

Händel - Riccardo Primo, 19.02.2014 (Generalprobe)

Endlich hat das Warten ein Ende! Die Premiere am Freitag und alle weiteren Vorstellungen (ebenfalls die gestrige Generalprobe) sind schon lange ausverkauft. Die Vorfreude und der Vertrauensvorschuß sind beim Publikum also sehr groß. Wird man die Erwartungen erfüllen können? Es gibt viele gute Nachrichten nach der ausverkauften Generalprobe, die einen großen Erfolg bei der Premiere verspricht:
  • Das Kerzenlicht ist zurück! Das Inszenierungsteam präsentiert eine schöne und stimmige Inszenierung. Regisseur Benjamin Lazar und sein Team haben sich in Frankreich eine Reputation für barocke Inszenierungen bei Kerzenschein erarbeitet und zeigen hier ihre erste Produktion in Deutschland. Dekors, Kostüme und Licht nehmen auf eine Zeitreise mit. Der Mehrwert dieses Rückgriffs liegt in der Stimmung und im Ambiente. Die Kerzen sorgen für ein weiches Licht, das von der Seite und von unten an der Rampe mit Reflektoren verstärkt für eine golden-warme Atmosphäre sorgt.
  • Dirigent Michael Hofstetter ist zurück und die wunderbar klingenden Deutschen Händel-Solisten lassen wie zu erwarten nichts zu wünschen übrig.
  • Franco Fagioli ist zurück! Über die Sänger lässt eine Generalprobe nur begrenzt Aussagen zu, aber nach der bereits hochklassigen Generalprobe kann man vermuten, daß die Premiere in jeder Hinsicht ein Genuß wird! Neben Fagioli könnte Emily Hindrichs zur großen Gewinnerin werden: die Rolle der Constanza scheint ihr auf die Stimme geschrieben.

Zeit und Genuß, Dauer und Intensität             

Freunde der Händel-Opern wissen es: sie besitzen Wagner'sche Dimensionen. 3 Akte, jeder Akt durchschnittlich eine Stunde Musik, dann benötigt der Applaus nach den Arien Zeit, mindestens eine, manchmal zwei Pausen. Händel kann  schon mal 4-5 Stunden in Anspruch nehmen und auch die gestrige Generalprobe zeigte, daß man zu Riccardo Primo Zeit mitbringen muß. Diese Oper ist lang, herrlich lang und das ist grundsätzlich kein Nachteil. Im Gegenteil. Was gibt es schöneres für einen Opernliebhaber als das lange, viele Stunden dauernde, kräftezehrende und anstrengende, zwischen Tälern und Gipfeln wandernde Auf-und-Ab einer Oper? Sportler und Opernliebhaber wissen, daß es ein Privileg ist, sich anstrengen zu dürfen, durchzuhalten, daß der Weg das Ziel ist und die Erschöpfung durch vielfältigste, anregende und nachhaltige Eindrücke verdient sein will. In dieser Hinsicht sind Händel Opern und auch gerade dieser Riccardo Primo ein Erlebnis und Gewinn! Der erste und zweite Akt werden ohne Pause gespielt und dauern ca 2 Stunden, der ganze Abend ca. vier.

Worum geht es?

Riccardo I., das ist Richard Löwenherz, der in dieser unhistorisch behandelten Geschichte Abenteuer auf Zypern erlebt. Auf dem Kreuzzug ins heilige Land strandet er nach schwerem Sturm mit seiner Gefolgschaft auf der Mittelmeerinsel und sucht seine ihm noch unbekannte Braut Constanza, die nach Schiffbruch in die Hände des Inseltyrannen Isacio geraten ist. Isacios Tochter Pulcheria soll den syrischen Fürst Oronte heiraten, doch als Isacio erfährt, daß Riccardo seine Braut sucht, fordert er seine Tochter auf, sich als Constanza auszugeben und Riccardo zum Mann zu nehmen. Doch die Pläne des Tyrannen werden durchkreuzt und die richtigen Paare finden im glücklichen Ende zusammen. Es handelt sich also um eine typisch krude Barockopern-Konstellation, die in diesem Fall aber einen deutlichen roteren Faden besitzt, als vor zwei Jahren der handlungsschwache Alessandro.

Was ist zu sehen?
Im Vergleich zu Radamisto erscheint Riccardo Primo szenisch unbewegter, sehr statisch und mit weniger visuellen Reizen. Stärker betont scheint dafür die Gestik, die Hände haben noch mehr zu tun, als vor 5 Jahren, anfänglich vielleicht fast zu viel. Immer wieder gerinnt die Personenregie zu Tableaus, kurze eingefrorene Momente, teilweise wie aus Ölgemälden der Zeit entnommen. Die wenigen Statisten präsentieren sich oft in pittoresker Position. Das höfische Verhalten mag manchem fast als höfisches Gehabe wirken, doch muß man dieser Inszenierung Zeit zum Atmen und zur langsamen Entwicklung gönnen. Spätestens beim Höhepunkt des ersten Teils, dem abschließenden Duett des zweiten Akts, erreicht man eine Form von Transzendenz, ein stehendes Jetzt in dem Klang und Ambiente den Zeitrahmen sprengen können.
Die Bühne ist weniger barock als bei Radamisto. Fahrbare Bühnenelemente werden immer wieder neu variiert. Die barocke Bühnenmaschinerie wird hingegen nicht benötigt. Im zügigeren und abwechslungsreicheren 2. Teil (3. Akt) wird mehrfach die Drehbühne eingesetzt,

Was ist zu hören?
Händel konnte für fünf seiner 42 Opern auf eine Luxusbesetzung zurückgreifen: mit dem Kastrat Senesino, der Mezzosopranistin Faustina Bordoni und der Sopranistin Francesca Cuzzoni standen ihm damals internationale Pop-Stars der Opernszene zur Verfügung. Sie sangen die Hauptrollen in Alessandro (1726), Admeto (1727), Riccardo I. (1727), Siroe (1728) und Tolomeo (1728). Sechs Sänger werden für Riccardo I. benötigt, drei davon singen sechs Arien, die drei Hauptrollen teilen sich hingegen 21 Arien, 4 kurze Ariosi und ein Duett.

Die Uraufführung 1727 geschah anlässlich der Thronbesteigung Georgs II., komponiert wurde allerdings noch zu Lebzeiten Georgs I., der auf der Heimreise in seine Geburtsstadt Hannover verstarb. Die Festlichkeit hört man der Oper dennoch an: sie ist reich und außergewöhnlich interessant orchestriert: in der Ouvertüre klingen die Oboen, die folgende Sturmsequenz ist von Paukenschlägen begleitet. Orontes Liebe zu Pulcheria wird von Altblockflöten, seine Arie zum Sieg der Liebe dann von Hörnern dargestellt. Bei Constanzas Arien tönen Blockflöten und Bassquerflöte. Riccardo wird im 3.Akt von Trompeten unterstützt, wenn er vom Grauen des Krieges singt. Ein Höhepunkt ist wie bereits erwähnt das Ende des zweiten Akts: das einzige Duett der Oper zwischen Riccardo und Constanza ist berückend schön. Der ganze Riccardo Primo ist voller wunderbarer Arien und man wundert sich, daß diese Händel Oper relativ unbekannt geblieben ist.
Händel gibt seinen Sängerinnen unterschiedliche Profile: Constanza hat die schöneren Melodien (oft in moll); Pulcheria ist leidenschaftlicher und singt mehr Koloraturen (oft in Dur).

Fazit: Die ersten Eindrücke sind also sehr gut - die Premiere am Freitag kann kommen!

2 Kommentare:

  1. Wolfgang Kiefer21 Februar, 2014 12:46

    Hallo Honigsammler
    Ich bin weder ein Händelfan noch schätze ich historische Aufführungspraxis. Folglich war für mich die Generalprobe bei weitem gut genug, d.h. ich fühle mich informiert und mehr wollte ich nicht. Während an anderen Theatern die zahlreichen Formalismen der Barockoper durch moderne Inszenierungen zumindest ansatzweise kompensiert werden, geht man in Karlsruhe den umgekehrten Weg: Die immer gleiche Story mit der immer gleichen Musik wird hier durch immer gleiche Gesten angereichert. Michael Stallknecht schrieb in der SZ vom 20.2. zum Ende eines halbseitigen Artikels, der sich auf reine Information beschränkte: „Vielleicht wird es in zehn tatsächlich Zuschauer geben, die historisch informierte Inszenierungen mit derselben Stilsicherheit goutieren und unterscheiden wie die Liebhaber der historischen Aufführungspraxis ihre Barockensembles.“ Ich glaube das eher nicht, denn was bleibt von Ricardo Primo, wenn man den Festspielbonus, die historischen Instrumente, den Star Fagioli einmal abzieht?
    Zum Vergleich habe ich mir gestern den Orlando Furioso in Frankfurt angesehen: Keine Spitzeninszenierung von David Bösch, genauso lang wie Ricardo, aber keine Sekunde langweilig. Barock ist nicht gleich Barock, aber Händel ist (in Karlsruhe) immer gleich Händel. Dem Staatstheater kann man nur gratulieren zu dem Hype, den es für die Händelfestspiele aufgebaut hat.

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  2. Guten Tag Herr Kiefer,
    Barock-Opern und besonders die von Händel schätze ich sehr und das seit ca 20 Jahren. Am Anfang tat ich mich allerdings sehr schwer damit: die immer gleichen und lächerlich konstruierten Konstellationen, die immer gleiche Musik, die immer gleiche Künstlichkeit. Das übertriebene Bruckner-Bonmot kann man abgeändert auch auf Händel anwenden: er hat eine Oper komponiert, und das ca 40 mal. Der Untergang der Oper Seria für fast 200 Jahre nach Mozart ist für mich problemlos nachvollziehbar.
    Doch es gab irgendwann eine Wende. Mich stören die Formalismen heute nicht mehr, ich erwarte auch keine Inszenierung in herkömmlichen Sinn, sondern in der einen Februarwoche, auf die ich mich immer schon lange vorher freue, erwarte ich einen stimmungsmäßigen Mehrwert, den ich so besonders und speziell von Barock-Musik bekommen. Karlsruhe hat diesen Hype nicht alleine aufgebaut, sondern profitiert davon. Es ist ein größeres Phänomen, das sich an den vielen CD-Einspielungen, spezialisierten Sängern und Barock-Ensembles und wieder neu entdeckten Opera Seria Komponisten (Hasse, Vinci, etc.) erkennen lässt. Für viele scheint das wieder in die Zeit zu passen. Für mich auch. Ich werde Riccardo Primo und wahrscheinlich auch Rinaldo jeweils noch zwei Mal hören, also 5 Aufführungen von Händel-Opern in weniger als 2 Wochen. Vielleicht liegt es an der zeitlichen Konzentration auf die Festspielzeit, daß ich davon (noch) nicht genug bekomme. Das Kerzenlicht ist eine schöne Abwechslung (nicht mehr. Das Historisieren ist eine von vielen Inszenierungsmöglichkeiten. Nur im Barock funktioniert sie meines Erachtens).
    Über die Inszenierung schreibe ich heute Abend nach der Premiere noch mal ein paar Worte.
    Händel-Opern sind für mich inzwischen Herzensangelegenheit und so wie sie in Karlsruhe gezeigt werden, bin ich damit meistens glücklich.

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