Der eine oder andere war vielleicht vorab im Frühjahr 2013 bereits skeptisch, als das Badische Staatstheater für Juni 2014 eine dramatische Adaption von Hermann Hesses knapp 600seitigem Roman Das Glasperlenspiel für die Bühne ankündigte (mehr dazu unten). Bereits zu Beginn des Jahres war Das Glasperlenspiel auf der Internetpräsenz des Staatstheaters nicht mehr zu finden und nun wurde das Ersatzprogramm angekündigt. Passend zum Kriegsgedenkjahr 1914 - 2014 wird Igor Strawinskys und Charles-Ferdinand Ramuz' Die Geschichte vom Soldaten am 14.05.14 gezeigt. Regisseur Daniel Pfluger, der in Karlsruhe bereits Dino und die Arche, Alice und zuletzt Ein Sommernachtstraum auf die Bühne brachte, bringt diese Inszenierung, die "Kammermusik, Schauspiel,
Erzählung und Tanz mit Animationen des Animationskollektivs Motionfruit" kombiniert, als Gastspiel nach Karlsruhe. Eine positive Besprechung dieses multimedialen Musiktheaterabends findet sich hier.
Also ein Gastspiel im Schauspielpremieren-Abo; eine eigene Ersatzproduktion konnte man nicht auf die Beine stellen, um die folgenden Abonnement-Vorstellungen zu füllen.
Keine Glasperlenspiel-Adaption
oder
Das Drama als Kunst und Handwerk
Der Dramatiker als Künstler, also der Autor von Theaterstücken, ist in der heutigen Theaterwelt oftmals von untergeordneter Funktion - er wird nicht mehr gebraucht, seine Funktion wurde entwertet. Einerseits ist der Dramatiker daran selber schuld: er ist nicht mehr originell, ihm fällt nur noch selten etwas ein, was das Publikum fasziniert und begeistert. Die Verdienstmöglichkeiten sind bei Film und Fernsehen wahrscheinlich auch höher. Natürlich gibt es Ausnahmen: entweder zu wenige oder sie werden heute nicht mehr entdeckt oder die Theater lesen nicht mehr genug ihr Repertoire und greifen deshalb auf Bekanntes aus der Prosaliteratur zurück.
Andererseits gibt es heute den Dramatiker als Handwerker: der "Drehbuchautor", der vorhandene Ideen aus epischen Formen für den Schauspieler anpasst. Ein Handwerk, daß auch von Regisseuren, Dramaturgen und anderen Formen des Schreibers ausgeübt wird - teilweise mit viel, oft mit weniger Geschick.
Als Zuschauer von Roman-Adaptionen merkt man es oft, daß das Bühnengeschehen geschickt zusammengesetzt wurde, aber das epische Vorbild mehr bot. Die Stücke haben oft etwas Verdünntes und Gekürztes - ein Konstrukt von Versatzstücken. Gelingen kann Handwerks-Dramatik trotzdem. Es benötigt einen starken Fokus auf Schauspieler, Bühne und Ambiente, die dem holprigen und zusammengesetzten Handlungsfaden Halt geben müssen. Jakob der Lügner und Agnes waren gelungene Beispiele des Schauspieldirektors Jan Linders, Der Steppenwolf während Knut Webers Direktion war bereits ein Beispiel, daß Hermann Hesse für die Bühne problematisch ist.
Adaptionen muß man nicht mögen. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung befand, daß "die Theater vor keiner hirnrissigen Roman- oder Filmadaption zurückschrecken" und sprach vom "fiebrigen Schimmelbefall der deutschsprachigen Theater mit grassierendem Morbus Bearbeiteritis". Mit dem Glasperlenspiel hat man nun in Karlsruhe offensichtlich ein Beispiel dafür, daß es schwerer ist als gedacht, ein Theaterstück aus einem Roman zu destillieren.
NACHTRAG: Hesses Glasperlenpiel bekommt anscheinend doch noch eine Chance: im September soll es zu Beginn der Spielzeit 2014/15 gezeigt werden.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
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