Anna Netrebko kommt schon seit vielen Jahren gerne und regelmäßig nach Baden-Baden und hat hier bereits in hohem Maße erinnerungswürdige Auftritte vorzuweisen. Gestern sang zum ersten Mal ihr Lebensgefährte im Festspielhaus; der Bassbariton Erwin Schrott begleitete Netrebko zu einem Konzert. Beide wurden mit starkem Applaus begrüßt und Anna Netrebko fühlte sich sichtbar wohl und winkte im Verlauf des Abends regelmäßig huldvoll ins Publikum.
Netrebko/Schrott sind Publikumsmagneten und wer sich gestern aufmerksam umsah, konnte im restlos ausverkauften Festspielhaus auch mal wieder viele Karlsruher Opernfreunde entdecken, die einem sehr guten, aber auch oft nur auf hohem Niveau routinierten Konzert beiwohnten, bei dem der Funke nur bei wenigen Nummern übersprang.
Beide, Netrebko und Schrott, konnten zeigen, daß sie nicht nur große Stimmen, sondern auch große Bühnenpräsenz haben, aber wie so oft bei Potpourris fehlte der rote Faden und es gab diesmal auch keinen herausragenden Höhepunkt. Doch anders ausgedrückt kann man behaupten, daß für jeden etwas dabei war und jeder seinen persönlichen musikalischen Netrebko/Schrott-Favoriten individuell finden konnte. Ein etwas spannungsarmes und dadurch vielleicht auch sehr effektives Konzert, das Appetit auf mehr (mehr Zusammenhang und Spannung, mehr Leidenschaft, durchaus aber auch mehr von diesen beiden Sängern) machte.
So gab es viel und langen Applaus, aber keine großen Bravo-Stürme. Bei den Zugaben wurde es dann emotionaler und auch spontaner: Netrebko sang Puccinis O mio babbino caro und Erwin Schrott zwei Lieder von Astor Piazzolla (Oblivion, Rojotango). Als das Konzert zu Ende ging, schienen die Sänger gerade erst so richtig angekommen zu sein.
PS(1): Netrebko/Schrott werden im Mai 2013 erneut in Baden-Baden zusammen auftreten: als Graf und Gräfin in Mozarts Hochzeit des Figaro (mit Luca Pisaroni als Figaro und Mojca Erdmann als Susanna). Darauf kann man sich jetzt schon freuen - bei der sehr hohen Spielfreude der beiden Künstler wird das wahrscheinlich zum Ereignis, das sich in die Reihe großer Mozart-Interpretationen in Baden-Baden einreihen sollte.
PS(2): Hier das gestrige Konzertprogramm:
Wolfgang Amadeus Mozart - Ouvertüre zur Oper Le nozze di Figaro
Luigi Arditi - "Il bacio"
Wolfgang Amadeus Mozart - "Madamina, il catalogo è questo", Arie des Leporello aus der Oper Don Giovanni
Charles Gounod aus der Oper Faust:
„Ah, je ris“ Juwelenarie der Marguerite
"Le veau d'or est toujours debout" Rondo des Mephistopheles
Giachino Rossini - Ouvertüre zur Oper L’italiana in Algeri
Gaetano Donizetti aus der Oper L’elisir d’amore:
“Che voul dire” Chor
"Udite, udite, o rustici!, Auftrittsszene des Dulcamara
"Quanto amore” Duett Adina-Dulcamara
Franz Lehár - “Lippen Schweigen” – Duett Hanna und Danilo aus der Operette Die lustige Witwe
Gerónimo Giménez - Intermedio aus La boda de Luis Alonso
Antonín Dvorák - “Lied an den Mond” – Arie der Rusalka aus der Oper Rusalka
Pablo Sorozábel - „Despierta negro“ aus der Zarzuela La taberna del Puerto
Francesco Cilea „Io Son L’Umile Ancella“ aus der Oper Adriana Lecouvreur
George Gershwin - "Bess, You Is My Woman Now", Duett aus Porgy and Bess
Claudio Vandelli dirigierte die Baden-Badener Philharmonie und den Philharmonia Chor Stuttgart sicher und konnte bei den orchestralen Zwischenspielen Akzente setzen.
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Das Programm klingt dennoch spannend.... Schade, dass der letzte Funke nicht so richtig überspringen mochte. ;)
AntwortenLöschenVielen Dank für deinen Kommentar, den ich zum Anlass nehme um mit einem Abstand von 36 Stunden zum Konzert noch mal zurückzublicken.
LöschenNetrebko hat meines Erachtens eine unglaublich schöne Stimme. Als ich sie zum ersten Mal live hörte, war ich sprachlos und begeistert. Vor drei Jahren sang sie in Baden-Baden Tschaikowskys Iolante. Weil ich sie so großartig in der Rolle fand, habe ich mir noch ein zweites Mal Karten besorgt.
Ich vermisste vorgestern ein wenig den Schwierigkeitsgrad. Klar, bei Ihrer Souveränität merkt man die Anstrengung kaum, aber trotzdem hätte ich ein wenig mehr Risiko bei der Auswahl der Arien (etwas technisch Schwierigeres z.B. von Bellini oder Donizetti) gewünscht.
Erwin Schrott ist im positiven Sinne eine "Rampensau". Er war der eigentliche Stimmungsmacher am Sonntag und man hatte ein wenig den Eindruck, dass Netrebko sich zurückhielt, um ihm bei seinem ersten Auftritt in Baden-Baden den Vortritt zu lassen.
Der Funke sprang bei seinen Auftritten früher über (Leporello, Dulcamara) und spätestens bei den Zugaben war dann das Konzert auf richtiger Betriebstemperatur.
Also ein schönes Konzert, dass aber, wenn man das Potential der Netrebko in Betracht zieht, spektakulärer hatte ausfallen können.