Spannende Künstler, imposante Werke, schon im Vorfeld konnte man mit Vorfreude dieses Konzert erwarten, das das Glücksversprechen einlöste.
Johannes Brahms (*1833 †1897) komponierte die Variationen über ein Thema von Haydn op. 56a 1873, die erste Symphonie folgte drei Jahre später, und man kann diese populär gewordenen Variationen als gelungenen Anlauf zur großen Orchesterform betrachten, denn es klingt bereits nach symphonischen Brahms. Das Thema soll gar nicht von Haydn sein, sondern ein altes Wallfahrtslied, die acht Variationen sind ganz unterschiedlich und erklingen zwischen Zartheit, Elegie, Geheimnis, Jagdhörnern, Anmut und abschließender Verklärung. Gastdirigent Jac van Steen interpretierte die Variationen gestisch ein wenig zurückhaltend und moderat, es gelang ihm allerdings der für Brahms so typische warme und emotionale Herzschlag und insbesondere die Bläserklänge trugen zur stimmungsvollen Interpretation teil.Langjährige Opernbesucher werden sich mit viel Freude und Wehmut an Hindemiths Oper Mathis der Maler erinnern, die in der Spielzeit 2006/07 Premiere hatte. Paul Hindemith (*1895 †1963) schrieb auch eine Symphonie Mathis der Maler (UA 1934 in Berlin), die Motive der Oper vereint. Mathis Grünewald, ein Zeitgenosse Luthers, ist der Schöpfer des großartigen Isenheimer Altars, der im Musée Unterlinden in Colmar zu besichtigen ist, die Karlsruher Kunsthalle hat u.a. zwei großformatige, beeindruckende Christus-Bilder in ihrer Sammlung. Die Symphonie ist nach drei Flügelgemälden des Altars benannt: Engelskonzert, Grablegung und Die Versuchung des Heiligen Antonius. Bilder werden hier zur Musik, im ersten Satz konnte man sich gestern u.a. an feierliche Posaunen, Flöten, Klarinetten und Glockenspiel erfreuen. Die Grablegung mit düsteren Streichern, sehr schön unterstützt durch Flöte und Oboe, der letzte Satz begann unruhig und verzweifelt, doch ein Hymnus des Glaubens befreit mit Unterstützung strahlender Blechbläserrufe - ein Halleluja und eine sehr schöne Interpretation von Staatskapelle und Dirigent.
Nicht vor, sondern nach der Pause folgte dann das Solistenkonzert. Das Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur op. 83 von Johannes Brahms wurde von Kritikern als "Symphonie mit obligatem Klavier" bezeichnet, es ist vier- statt dreisätzig, ohne Kadenz und so umfangreich wie eine Symphonie. Doch den Solisten als Orchestermusiker zu bezeichnen, trifft nicht zu, viel zu fordernd sind die Dimensionen, musikalisch dazu ungewöhnlich gedankenreich und geheimnisvoll leidenschaftlich. Dirigent Jac van Steen gelang es, das Orchester weder in den Vordergrund noch in den Hintergrund zu spielen und den Dialog zwischen Klavier und Orchester in das richtige Gleichgewicht zwischen Nähe und Distanz zu setzen. Die Holzinstrumente konnten ausdrucksstark auftrumpfen, die Hörner verliehen dem Konzert Tiefe.
Rudolf Buchbinder war zuletzt in den 1990ern am Badischen Staatstheater zu Gast, damals ebenfalls mit einem zweiten Klavierkonzert, dem Rachmaninows. Brahms Zweites soll der 75jährige über zweihundertmal in seiner Karriere gespielt haben, "eines seiner absoluten Lieblingskonzerte" laut Staatstheater. "Das Faszinierende an diesem Konzert ist die Zwiesprache zwischen dem Klavier und den einzelnen Orchesterinstrumenten. Das zweite Brahms-Konzert ist im Grunde eine große Kammermusik", erläuterte Buchbinder. Dem Pianisten gelangen bei dieser Zwiesprache die Stimmungswechsel des komplizierten und dichten Themengeflechts im großen ersten Satz, in dem das Klavier aufbegehrt, trotzig und verspielt ist, dramatisiert und entspannt. Das nachfolgende Allegro apassionato hatte einen unruhigen, bewölkten Charakter, das Andante kontrastierte mit zärtlichen Klavierklängen und lyrischer Schönheit und dem von Konzertmeister Thomas Gieron elegisch sinnierend gespielten Solocello. Der Schlußsatz ist unverkennbar Brahms, schwungvoll, tänzerisch und gut gelaunt. Irgendjemand hat Brahms zweites Konzert mal eine "epische Ballade" genannt. Bei Buchbinder wurde das gestern erlebbar.
Sehr geehrter Honigsammler,
AntwortenLöschendanke für Ihre schöne Rezension. Besonders die Bläser haben wieder hervorragend zusammen harmoniert. Welch Wonne!
Bleibt zu hoffen, dass sich diese verbundene Innigkeit bewahren lässt und die Störfeuer von außen den Klang des Orchesters nicht beschädigen.
Denn das verspuhlerte Kasperletheater geht offenbar in die nächste Runde. Wirklich faszinierend.
https://www.swr.de/swraktuell/baden-wuerttemberg/karlsruhe/aerger-intendant-badisches-staatstheater-100.html
https://nachtkritik.de/index.php?option=com_content&view=article&id=21592:medienschau-swr2&catid=242:medienschau&Itemid=62#comment-100385
Kaum wird ein neuer Intendant aus dem Hut gezaubert, möchter jener gern einen neuen GMD aus dem Hütchen zaubern. Chapeau. Aus welchem Handbuch zur Personalführung stammt das? Ein wirklich interessanter Ansatz.
Erstaunt grüßt KS
Vielen Dank für Ihren Kommentar! Bzgl. der Gerüchte um den designierten Intendanten gibt es bereits einen weiteren Blog-Beitrag
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