Samstag, 4. April 2020

Das Theater in Zeiten des Virus

Von der Corona-Pause zum Spielzeitende?
Zur Zeit hört man, daß in manchen Ländern täglich hunderte Corona-Tote zu beklagen sind. Manch einer mag die eigene Ansteckung mit Corona nicht fürchten und das Einfrieren des alltäglichen Leben kann nur zeitlich begrenzt geschehen. Doch auch wenn das gewohnte Leben mit Einschränkungen wieder beginnt, sind südeuropäische Todesraten keine akzeptable Kollateralschäden, die hinzunehmen sind, bis die Herden-Immunisierung erfolgt ist. Solange das Virus nicht unter Kontrolle ist und bleibt, solange kein Impfstoff verfügbar ist, wird man folglich Infektionsketten vermeiden müssen. Großveranstaltungen sind damit noch nicht möglich, Kinos, Konzerte und Kulturveranstaltungen -selbst wenn nur niedrige Altersgruppen erwartet werden- haben zu hohe Ansteckungsgefahren und fördern die weitere bzw. erneute Verbreitung und damit das Risiko hoher Infektionszahlen sowie den damit verbundenen Kollaps des Gesundheitssystems. Wer glaubt, daß man die Theater bald wieder guten Gewissens öffnen kann und demnächst alles überstanden ist? Selbst wenn nach Ostern die Kontaktsperren gelockert werden, sollten die Theater geschlossen bleiben, alles andere wäre leichtfertig und letztendlich unverantwortlich.
   
Und wenn die Theater wieder ihre Türen öffnen würden, wer wollte Veranstaltungen besuchen? Wird es eine psychologische Barriere geben? Doch wenn man für sich selbst kein Risiko sieht, oder bereit ist, es einzugehen, besteht in der Folge die Gefahr, anderen schwere Erkrankungen bzw. den Tod zu bringen. Was soll also am Badischen Staatstheater geschehen: Es wird nur noch ausgedünnt mit versetzt angeordneten Zuschauern gespielt, die alle obligatorisch Mundschutz tragen? Ins Große Haus dürfen dann statt 1000 nur noch 200 Besucher, die Zwangsabstand halten müssen, nur jeder fünfte Platz wird besetzt? Oder spielt man vor leeren Rängen und überträgt jede Woche ein oder zwei kostenlose Vorstellungen im Internet? Der Verlust von Unmittelbarkeit betrifft sakrale und profane Kirchen und alle Veranstaltungskultur, streamen wird schnell ermüden, nur Live ist echt.

Und wie geht man mit den Einnahmeausfällen um? Man kann Zuschauern mit Abonnements nicht endlos Gutscheine für abgesagte Vorstellungen geben. Irgendwann muß man Ihnen das Geld zurücküberweisen, wenn man nicht die Abo-Kündigungen vorantreiben will. Was sollen Stammbesucher mit den vielen Gutscheinen anfangen?  Der bereits kursierende Spielplan für 2020/21 läßt kaum Freude aufkommen. Intendant Spuhler und sein unverhohlen ideologisches Neo-Spießertum mit erhobenem Zeigefinger verhunzt jede Originalität und Freude im Theater. Den Zuschauern bleibt nur die Option, ihre Abos zu kündigen oder Geld zu verschenken. Doch dafür sind steuerfinanzierte Staatstheater die falsche Adresse, es gibt bedürftigere Ziele.
   
Die freischaffenden Künstler sind die Verlierer der Krise, insbesondere die Spitzenkräfte, die sich bisher selbständig Aufträge verschafften, könnten nach dem aktuellen Ausfallverlust nun zurück in relativ gesehen sichere Festanstellungen an die Staatstheater drängen und das dortige Mittelmaß verdrängen. Das Bessere ist der Feind des Guten. Davon wird aber kaum Karlsruhe profitieren, denn die hiesige Intendanz agiert anders: Das opportun Korrekte, das ideologisch Bornierte und das spießige Mittelmäßige sind hier der Feind des Besseren.

Die bevorstehende Rekordverschuldung und die Rezession werden Opfer fordern. Kultur ist nicht systemrelevant. In den bevorstehenden Sparrunden  wird es zu Verteilungskämpfen kommen. Intendant Spuhler hat den Wildwuchs des Überflüssigen vorangetrieben und die Hochbegabten-Sparten ausgedünnt. Wer trotz bereits bestehendem Einsparungszwang Geld ins Volkstheater steckt statt in Künstler, verschleudert Steuergelder und darf sich nicht wundern, wenn noch mehr Gelder gekürzt werden. 

Wann öffnen also wieder die Theater? Wenn Corona komplett eingedämmt wird oder die Gleichgültigkeit die Oberhand gewinnt? Unter Umständen geht die Corona-Pause in die Spielzeitpause über. Den Theatern und ihren Mitarbeitern stehen wahrscheinlich wie vielen anderen Branchen schwere Zeiten bevor. Und angesichts der unter der Intendanz von Peter Spuhler so oft vorgetragenen banalen "Kapitalismuskritik" darf man schon mal über die Privilegien alimentierter Staatsbetriebe spotten, deren Führungspersonal sich gerne selbstgerecht aufspielt. Verschärft die Krise die soziale Ungerechtigkeit am Badischen Staatstheater? Ein Künstler im ersten Jahr nach dem abgeschlossenen Studium soll weniger als 10% des Gehalts des Intendanten verdienen. Damit scheint klar, von wem der solidarische Gehaltsverzicht als erstes kommen sollte.

"Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch", lautet das passende Motto zum Hölderlin-Jahr. Rezessionen sind notwendig, um wieder Wachstumsphasen zu starten. Das Ende von Krisen ist der Beginn des Aufschwungs. Nur das Badische Staatstheater hat noch ein größeres Problem: es fehlt ein passender Intendant für den erfolgreichen Neustart. In dieser Hinsicht dauert die Krise am Badischen Staatstheater über die Viruskrise hinaus.

5 Kommentare:

  1. Anbei ein link, der die zeigt wie Theater heuzutage zu funktionieren scheint...
    https://www.deutschlandfunkkultur.de/theater-in-corona-zeiten-weitermachen-um-jeden-preis.2159.de.html?dram:article_id=474049

    schade, da geht mehr, als hoffnungslos zu warten (gar keine Weitsicht vorhanden) oder aufgewärmtes als "live" Übertragung zu "posten"..
    corona und das drum herum bringen genug punkte für das theater,
    gesellschaftliche / ethnische themen zu hinterfragen
    krisenmanagment im Staatstheater? welche krise...

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    1. Vielen Dank für Ihren Kommentar und den Link zum DLF. An vielen Stellen wird weiter gearbeitet, daß auch in den Theatern weiter geprobt und trainiert wird, ist für mich nachvollziehbar. Die Situation ist so außergewöhnlich, daß man von den Theatern kein fertiges Krisenmanagement aus der Schublade erwarten kann. Allerdings scheinen Theater in vielerlei Hinsicht rückständig, die sichere Staatsfinanzierung ermöglicht es Intendanten wie Peter Spuhler oder Schauspieldirektorin Anna Bergmann bisher, ihren engen Rundkurs im Elfenbeinturm fortzusetzen. Doch nun ändert sich zumindest vorübergehend die Lage fundamental und aus dem Theater hört man einige Kritik an der Orientierungslosigkeit des Intendanten. Theater reagieren immer verspätet auf die Außenwelt, nun sind sie mal unmittelbar betroffen und dadurch auch in gewissen Maße überfordert. Theater sind der Ort, wo viele intelligente und kreative Menschen zusammenkommen, vielleicht sollte der Intendant in dieser Krise verstärkt auf Schwarmintelligenz setzen und das Krisenmanagement mit den Mitarbeitern abgestimmt werden. So kenne ich es aktuell zumindest aus der freien Wirtschaft: gut geführte Betriebe kommunizieren deutlich stärker und horizontaler (also weniger Vertikalspannung) und rücken so zusammen.



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  2. @anonym(1):
    Vielen Dank für den Hinweis. Selbst 200 Besucher im Großen Haus wären organisatorisch eine Herausforderung. Aber machen wir uns nichts vor: die Theater können so schnell nicht wieder öffnen, eine Aufnahme des Spielbetriebs wäre zutiefst verantwortungslos. Wie das öffentliche Leben auf verantwortliche Weise wieder neu starten kann, wird bald publik werden, die FAZ hat hier dazu einen aktuell frei zugänglichen Artikel:
    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/laschet-legt-papier-zum-ende-der-corona-krise-vor-16721604.html
    Dort heißt es: "Läden sollen früher öffnen als Discos, in Restaurants sollen Tische weit auseinander stehen, und nur wenige Gäste zugelassen werden. Fußballspiele, Messen und Kongresse müßten dagegen noch länger verboten bleiben."
    Theater und Kinos müssen noch für geraume Weile geschlossen bleiben, alles andere wäre eine Farce.

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  3. @anonym(2)
    Vielen Dank für den Hinweis auf die solidarische Badische Staatskapelle:

    "Nothilfe in der Corona-Krise: Die Orchestermitglieder der BADISCHEN STAATSKAPELLE sind einem bundesweiten Spendenaufruf zugunsten freischaffender Berufsmusiker gefolgt. Insgesamt hat die Staatskapelle 5.000 Euro aus privaten Mitteln zusammengetragen, die nun der Deutschen Orchester-Stiftung überwiesen werden."

    Es wäre schön, wenn bundesweit das spitzenverdienende Führungspersonal in den Theater wie bspw. Intendant Spuhler Solidarität beweisen würden und auf 10-20% ihrer Gehälter zugunsten der Kollegen verzichtet, die besonders betroffen sind.

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  4. @anonym(3)
    Offiziell ist noch nichts bekannt. Wenn sie mir Ihre E-Mail Adresse schicken (gerne auch über das Kommentarfeld, ich behandle das vertraulich), schicke ich Ihnen mehr Infos zu

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