Montag, 14. Januar 2019

Festakt 300 Jahre Badisches Staatstheater

Das heruntergespuhlerte Jubiläum
Es kam, wie es kommen mußte. Keine Erwartung wurde positiv übertroffen, zwischen Kuchenbuffet, Kindergeburtstag und Sonntagsreden fand sich weder Inspiration noch Kreativität oder Ambition - es gibt Vereinsfeiern, die engagierter vorbereitet sind. Was sich hingegen gestern als "Festakt" ereignete, gelang nur dort, wo das gutmütige und geduldige Karlsruher Publikum dem Jubiläum Wärme verlieh und auf der Bühne, wo Musiker und Sänger retteten, was zu retten war.
  
Ein Kindergeburtstag

Seit 2011 ist Peter Spuhler Intendant des Badischen Staatstheaters, die Vorbereitungen für den 300. Theatergeburtstag startete man mit langer Frist. Der Intendant hatte die Kreativkräfte seines Vertrauens offensichtlich damit beauftragt, ein zur Dekade entsprechendes Erscheinungsbild zu finden. Die Lösung der Design-Experten war schlicht und genial, als passendes Sinnbild für die Intendanz und ihr Theaterkonzept identifizierte man einen Kindergeburtstag. Der Intendant scheute weder Aufwand noch Kosten und schmückte das Haus mit einigen Luftballons, Lob dafür bekam er von Oberbürgermeister Mentrup, der bei seiner Ansprache die Idee des Kindergeburtstags hervorhob. Anbei zwei Fotos der aufwändigsten Installationen:
 




Konzert mit störendem Festakt

Am Anfang des Festakts durfte gelacht werden. Zum Jubiläum hat das Badische Staatstheater ein Auftragswerk bestellt. Man entschied sich für eine junge, weitgehend unbekannte Komponistin, die u.a. in Karlsruhe bei Wolfgang Rihm studierte. Anscheinend ging es vorrangig um die Geste: eine Frau sollte das Geburtstagsstück komponieren, allerdings schien man kaum Vertrauen zu ihr zu haben und wollte wohl auch nicht zu viel Geld in ihr Können investieren - ein kleines, kurzes Werk sollte es sein, 5 Minuten (also 300 Sekunden, entsprechend dem 300. Geburtstag). Die Uraufführung des Auftragswerks Apparator 300 von Kathrin A. Denner war schnell vorbei. Was ist ein Apparator? Vordergründig soll das Orchester gemeint sein. Das lateinische Wort wird als "Zurüster, Diener, Aufwärter" übersetzt. Apparator ist laut Internet der "Name der zum Kulte der Magna Mater gehörenden Opferdiener, denen die Sorge für die Vorbereitungen zum Taurobolium obliegt". ("Als Taurobolium wurde im antiken Rom das rituelle Opfern eines Stiers im Kybelekult bezeichnet."). Das wirkt wie eine ironische Stellungnahme der Komponistin zu den tristen Bemühungen der Intendanz: Das Theaterjubiläum als ritueller Kult, die Komponistin als zurüstender Diener, die ein möglichst kurzes Alibi-Auftragswerk abliefern soll, die Sonntagsreden als Opfer, die das Publikum über sich ergehen lassen muß, um den Geburtstagskult formal mit einer Symphonie des dem Karlsruher Orchester verbundenen Johannes Brahms zu beenden. Als hätte die Komponistin prophetisch geahnt, was für ein unoriginelles Geburtstagsfest den Rahmen zu ihrer Musik bilden sollte.
Apparator 300 klang wie eine komponierte Schmerz- oder Panikattacke zwischen Schrecken und Entsetzen, zu Beginn ein schmerzhaftes Aufbäumen, dann brütende und stechende Klänge. Eine anschauliche Musik, die man sich filmisch als Hintergrund für einen Opferszene eines Gruselfilms vorstellen kann. Laut Beiheft: "Apparator 300 besteht aus mehreren Schichten, die sich überblenden. Meist erklingen eine laute und eine leise Ebene gleichzeitig. Die laute überdeckt dann die leise, welche nur in Unterbrechungen der lauten Schichten hörbar ist. Die einzelnen Schichten verbinden sich immer mehr, werden lauter, treiben sich gegenseitig an und kehren immer wieder zurück – zur statisch-tiefen Klangfläche".
Schade, daß man nicht den Mut hatte, ein Konzert oder Symphonisches zu beauftragen. Der Karlsruher Musikjournalist Georg Waßmuth besuchte für den SWR die 1986 geborene Komponistin, mehr dazu hier zum Nachhören: https://soundcloud.com/geowas/die-komponistin-kathrin-denner-portrat-fur-swr2

Casimir Schweizelsberg
(*1668 †nach 1722) kam 1714 nach Durlach, wo er an der Hofkapelle wirkte und als Komponist der ersten "Karlsruher" Oper gilt, die aber wohl in Durlach aufgeführt wurde. Der Karlsruher Stadtgründer Markgraf Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach war bekanntermaßen seinen ungewöhnlich zahlreichen Mätressen sehr zugetan, seine Ehefrau Magdalena Wilhelmine von Würtemberg folgte ihm nicht nach Karlsruhe und starb 1742 in der Durlacher Karlsburg. Es überrascht nicht, daß Schweizelbergs dreiaktiges Singspiel Die romanische Lucretia  nur für Frauen komponiert wurde. Eine gewisse Frivolität läßt sich bei der Karlsruher Stadtgründung und anscheinend auch bei dieser Oper nicht übersehen. Die lustvoll gegründete Stadt Karlsruhe wollte anscheinend eine Neueinstudierung der frivolen Lucretia zum 300. Stadtgeburtstag 2015 finanziell nicht unterstützen, zum Theaterjubiläum gab es nun sage und schreibe ca. 10 Minuten Ausschnitte  mit sieben Musiker der Deutschen Händel-Solisten: Ouvertüre, Lamento, Rezitativ und Arie der Aurora und ein Menuett. Lauren Snouffer sang die Arie mit lieblicher Stimme, der Ausschnitt weckte unmittelbar die Vorfreude auf die Händel Festspiele.

Nach 15 Minuten Musik folgten die Sonntagsreden (s.u.), die ca. 40 Minuten benötigten
Nach dieser Sitzpause mit obligatorischer Beschallung gab es dann noch die 2. Symphonie D-Dur op. 73 von Johannes Brahms mit ihrem strahlend-warmen Beginn und dem überschwänglich freudvollen Finale. Justin Brown hatte in Karlsruhe bereits die 1., 3. und 4. Symphonie von Brahms dirigiert. Gestern war es an ihm und der 1662 am Durlacher Hof gegründeten Badische Staatskapelle das triste Jubiläum zum Erfolg zu machen. Brown dirigierte auswendig, ohne Partitur, und betonte das Gutgelaunte, im abschließenden Allegro con spirito ließ er das Orchester in hohem Tempo überbordend Freude verbreiten und führte das Konzert zum stark applaudierten Ende. Es muß nicht immer Beethovens Neunte sein, wobei die zum Jubiläum auch sehr gut gepasst hätte.

Sonntagsreden
Wenn man schon innerhalb der Intendanz nicht weiß, wie man künstlerisch und kreativ dem Jubiläum Klasse und Aufmerksamkeit verschaffen soll, dann braucht man ein Zugpferd, kein künstlerisch tätiges, sondern ein politischer Kopf: Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Er wollte kein Spielverderber sein, verzichtete auf hintergründige Gedanken und stellte nach einer kurzen persönlichen Stellungnahme zur Karlsruher Walküre von Yuval Sharon (mehr hier) um auf die Produktion von zitierfähigen Lobpreisungen über Stadt und Theater, von Klein-Bayreuth bis innovativste Stadt, über regionale Bedeutung bis zur Weltgeltung ließ er dabei kaum einen Superlativ aus. Es war kein Tag für nachdenkliche Gedanken oder nachhaltige Details und Kretschmann bewies, daß gute Politiker auch Reden halten können, wenn sie nichts zu sagen haben. Man schmiert den Hörern einfach Honig um den Mund .....
Während Kretschmann zumindest schon Vorstellungen des Badischen Staatstheaters aus freien Stücken besucht hat, macht sich Oberbürgermeister Frank Mentrup rar, Konzert, Oper, Theater und Ballett scheinen nicht seine Leidenschaft zu sein, wieso er unbedingt reden wollte, wird nur er wissen. Was er sagte war dann entsprechend fast vergessen bevor der Festakt beendet wurde. Zumindest war es launig unterhaltsam, Mentrup lobte vor allem die Politiker von Stadt und Land, die die Finanzierung von Sanierung und Neubau glatt über die Bühne bekommen hatten. Dafür gebührt der Politik hier ein Bravo! und Mentrup Nachsicht für dessen Ansprache.
Ulrich Khuon, Präsident des Deutschen Bühnenvereins, hatte dann schon mehr zu sagen, er wollte lange Bögen in seiner Rede spannen, zu lange, die Aufmerksamkeit der Besucher war teilweise erschöpft, um der anspruchvollsten Rede am Schluß noch folgen zu können. Dafür klatschte es immer dann herzlich, wenn so etwas wie ein zitierfähig klingender Satz fiel.

Feuerwerk an falscher Stätte
Es hat noch 2-3 Minuten Feuerwerk zum 300. Geburtstag gegeben. Die Intendanz verschoß das Pulver an falscher Stelle. Statt in Künstler und Bühne zu investieren, jagte man Feinstaub durch Schwarzpulver in den Nachthimmel. Auch das ein Kapitel über falsche Entscheidungen, mangelnde Originalität und fehlende Kreativität.

Fazit: Ein Jubiläum passend zur aktuellen Intendanz: vorgekaut und vorgegaukelt und ohne bißfeste Originalität, unterdurchschnittliche Mittelmäßigkeit bestimmt das Jahrzehnt. Mitarbeiter, Künstler und Publikum in Karlsruhe haben mehr verdient.

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