Karina Gauvin, Anna Bonitatibus, Christiane Karg u.v.a.m.- die Münchener Besetzung von Cavallis expressiver Erotikoper La Calisto hielt, was sie versprach.
Die Geschichte der Nymphe Calisto beruht auf Ovids Metamorphosen, La Calisto wurde aufgrund der Frivolität der Handlung mit Mozarts Don Giovanni verglichen.
Haupthandlung: Jupiter verführt in der Gestalt Dianas deren keusche Nymphe Kallisto. Als diese vor der echten Diana von der gemeinsamen Liebesnacht schwärmt, wird sie von der Göttin verstoßen. Kallisto klagt Jupiters Gattin Juno ihr Unglück. Diese ahnt, daß ihr untreuer Göttergatte dahinter steckt und rächt sich an der Nymphe: sie verwandelt sie in eine Bärin. Jupiter macht diese Entscheidung seiner Gattin nicht rückgängig, er erhebt und verewigt Kallisto zum Sternbild: den Großen Bären.
Nebenhandlungen: Doch auch
sonst gibt es im vermeintlich keuschen Umfeld und Gefolge Dianas Beziehungsstreß: Götter, Fabelwesen und Menschen teilen Begehren
und Eifersucht. Die Verliebten spielen verrückt, das verhinderte Begehren weckt Aggressivität und Haß. Merkur verscheucht die Rachefurien und besänftigt die hochkochenden Emotionen.
Die höfisch-intellektuelle Kunstform der Oper wurde seit den ersten Anfängen um 1600 schnell populär in den besseren Kreisen, 1637 eröffnete das erste kommerzielle Opernhaus in Venedig, die Karnevalszeit wurde zur Opernzeit. Francesco Cavalli (*1602 †1676) schrieb zahlreiche Opern und nimmt eine
zentrale Rolle in der Entwicklung und Etablierung der Oper ein. La Calisto wurde 1651 in Venedig uraufgeführt und gilt als im besten Sinne repräsentativ, sie summiert die Möglichkeiten des Opernkönnens nach 5 Jahrzehnten. Cavalli komponierte meistens die
Singstimme und das Kontinuo sowie gelegentlich Sinfonia und Ritornellen.
Vieles andere ist Improvisation. Cavalli schrieb seine Opern nicht wie
sein Lehrer Monteverdi für einen Fürstenhof, sondern für eine
wirtschaftlich betriebene Oper. Orchestriert wurde eher karg: Basso
Continuo und Streicher waren die Regel. Wenn Geld vorhanden war, wurde
die Besetzung farbiger. In München hat man eine farbige Orchestrierung mit knapp 20 Musikern, darunter Harfe, Blockflöten, Naturtrompeten und Zinken sowie Lirone, Chitarrone und Barockgitarre. Dirigent Christopher Moulds (er dirigiert in Karlsruhe Semele) und die Barockexperten der Bayerischen Staatsoper musizierten vorbildlich.
Die Inszenierung von David Alden stammt aus der Saison 2004/2005 und ist
ein Dauerbrenner, dessen Stärke visuell-atmosphärisch ist - ein
phantasie- und stimmungsvolle Umsetzung, die eng am Text ist und die man
kaum umfassend beschreiben kann. Man sieht u.a. Sänger als geflügelte
Zentauren, Echsen, Pfauen und Ziegenböcke, Jupiter trägt Smoking, Merkur einen goldenen Anzug - ein wilder Stilmix, der paßt und funktioniert. Die verstoßene Kallisto singt
im zweiten Akt über Ihr Unglück in einer Bar - viele Szenen sind stark
und beeindruckend, und zwar visuell und akustisch - die Besetzung der
diesjährigen Wiederaufnahme war erstklassig. Wenn man jemanden
hervorheben wollte, könnte man Christiane Karg in der Titelrolle,
Karina Gauvin als Juno, den wunderbaren Countertenor Tim Mead als Endimione, Luca Tittoto als Jupiter und den beeindruckenden Tenor
Martin Mitterrutzner nennen. Alle Sänger überzeugen durch
deklamatorische Kraft und expressive Rezitative, dramatischen Ausdruck,
empfundenes Gefühl und komödiantisches Talent.
Fazit: Die Zuschauer in der ausverkauften Nationaloper waren fühl- und hörbar begeistert und verzaubert. Besser kann man Cavalli kaum interpretieren. Wer ein Antidot zum öden Karlsruher Spielplan von Intendant Spuhler sucht, ist in München fast immer an der richtigen Stelle.
Besetzung und Team
La Natura: Dominique Visse
L'Eternità: Karina Gauvin
Il Destino: Anna Bonitatibus
Giove: Luca Tittoto
Mercurio: Georg Nigl
Calisto: Christiane Karg
Endimione: Tim Mead
Diana: Anna Bonitatibus
Linfea: Guy de Mey
Satirino: Dominique Visse
Pane: Martin Mitterrutzner
Silvano: Alexander Milev
Giunone: Karina Gauvin
Le Furie: Anna Bonitatibus
Le Furie: Dominique Visse
Musikalische Leitung: Christopher Moulds
Inszenierung: David Alden
Bühne: Paul Steinberg
Kostüme: Buki Shiff
Seit 1988 bin ich steter Besucher des Badischen Staatstheaters. Bei vielen Opern-, Theater-, Konzert- und Ballettvorstellungen im Jahr und Besuchen in anderen Städten verliert man schon mal den Überblick. Dieser Tagebuch-Blog dient mir seit der Spielzeit 2011/12 als elektronische Erinnerung. Bitte beachten Sie meine Intention: ich bin kein Journalist oder Kritiker, sondern schreibe hier lediglich persönliche Eindrücke, private Ansichten und Vermutungen für mich und Angehörige nieder.